laut.de-Kritik

Der neue Social Club liegt in Los Angeles.

Review von

In den 50er Jahren wurde Chávez Ravine, eine Latino-Enklave in Los Angeles, von Stadtentwicklern dem Erdboden gleich gemacht, um Platz für das Football-Stadion der 'Dodgers' zu schaffen. Ry Cooder und seine Freunde erweisen diesem Viertel ihre Reverenz, indem sie das gleichnamige Konzept-Album mit historischen und erdachten Figuren und einem Stilpotpourri aus Rumba, Mambo, Blues, R'n'B und Jazz bevölkern.

Wie beim Buena Vista Social Club spürte Cooder wieder halb vergessene Legenden wie den Patriarchen der Chicano-Musik Lalo Guerrero oder den Puchoco Boogie-König Don Tosti auf - beide sind mittlerweile leider verstorben. Herausgekommen ist ein Album, das die melancholische Wärme lateinamerikanischer Musik mit chaotischer Großstadtanarchie verbindet. Das klingt mal nach Caetano Veloso, mal nach Ibrahim Ferrer und gelegentlich sogar nach Tom Waits.

Los geht's mit dem eingängigen Tropicalismo-Song "Poor Man's Shangri-La", gesungen von Ry Cooder selbst. "Onda Callejera" verbirgt bissige Vocals unter klassischen Latino-Klängen: Im Text geht es um Amerikaner, die sich regelmäßig zusammen tun, um mexikanische Einwanderer (Chicanos) aufzumischen.

Über das ganze Album hinweg entfalten Cooder und seine Mitstreiter eine ganz außergewöhnliche Stilvielfalt, manchmal in nur einem einzigen Song komprimiert. "Don't Call Me Red" etwa beginnt als Ballade im stark reduzierten Waits-Stil, geht nach einem jazzigen Interlude aber in einen Mittelteil mit hektischer Percussion und Samples aus Radio- bzw. TV-Sendungen über Los Angeles über.

"Los Chucos Suaves" klingt erstmals stark nach dem Buena Vista SC, nur viel fröhlicher. In "Chinito Chinito" machen sich eingewanderte Mexikaner über eingewanderte Chinesen lustig, und genau so klingt es auch. "It's Just Work For Me" erzählt den Abriss des Viertels aus der Sicht eines Bulldozer-Fahrers und klingt mit minimalistischer Besetzung und Whisky-Stimme erneut stark nach Tom Waits.

Nach einer seltsamen Ballade mit Sprechgesang ("In My Town") beschließt Cooder mit einigen Mariachi-Tracks ein vielseitiges Album. Spanischkenntnisse zum Verständnis der erzählten Geschichten wären hilfreich, eine gewisse Vorliebe für das Akkordeon unabdingbar.

Trackliste

  1. 1. Poor Man's Shangri-La
  2. 2. Onda Callejera
  3. 3. Don't Call Me Red
  4. 4. Corrido De Boxeo
  5. 5. Muy Fifi
  6. 6. Los Chucos Suaves
  7. 7. Chinito Chinito
  8. 8. 3 Cool Cats
  9. 9. El U.F.O. Cayo
  10. 10. It's Just Work For Me
  11. 11. In My Town
  12. 12. Ejercito Militar
  13. 13. Barrio Viejo
  14. 14. 3rd Base, Dodger Stadium
  15. 15. Soy Luz Y Sombra

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