2. März 2021

"Es ist verdammt hart, lustig zu schauspielern"

Interview geführt von

Marius Lauber aka Roosevelt begann sein Projekt 2012 und brauchte danach vier Jahre für sein Debüt. Danach drückt er auf die Tube und bringt innerhalb von fünf Jahren sein drittes Album auf den Markt.

In dieser Zeit ist Roosevelt oft auf Tour und hat sich eine große Fanbase auf der anderen Seite des Atlantiks erspielt. Er ist einer der Musiker, die außer Deutschlands mehr Beachtung finden als in ihrem Heimatland.

Woran das liegen könnte, was es mit dem Titel "Polydans" auf sich hat, warum er lieber alleine arbeitet, wieso er echte Konzerte mehr wertschätzt als Streamingzahlen und mit wem er gerne zusammenarbeiten würde, erzählt er uns hier.

Wie geht es dir, alles gut soweit?

Alles gut soweit, ja. Ich habe mich tatsächlich noch nie so sehr auf die Album-Promo gefreut wie dieses Mal. Es gibt nichts anderes, um diesen Release wahrzunehmen. Sonst hat man schon Tourdaten vor dem Release und vor allem danach. Die Promo führt zumindest dazu, dass man weiß, dass jetzt bald ein Album erscheint, weil sonst nimmt man das überhaupt nicht so wahr. Ich fühle mich im Moment überhaupt nicht so, dass mein Album nächste Woche kommt, was ein bisschen schade ist. Ansonsten bin ich gerade im Studio, habe es renoviert und umgebaut – etwas, was man in dieser Zeit gut machen kann.

Ich bin großer Fan des Albumcovers, das hat eine schöne 80er-Nostalgie. Die Farben und der Farbverlauf spiegeln sich auch in deinen YouTube-Videos der Audio-Versionen wider. Wie kam es zu all dem und warum zierst du zum ersten Mal nicht selbst das Cover?

Ich hatte die Vorgabe gegeben, dass ich ein Design haben will, dass sich an alten Synthesizer-Werbungen orientiert, weil ich es wahnsinnig interessant finde, was da für eine Ästhetik kreiert wurde. Das sah immer sehr nach Science-Fiction aus. Synthesizer waren damals die Zukunft, und heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, weil es so ein Retroding geworden ist, mit den Synthesizern von damals zu arbeiten. Das Futuristische, was damals drin war, eine gewisse Haptik, es gab Kataloge darüber mit alter Druckoptik, also was Körniges. Ich habe so einen Katalog bei mir im Studio rumliegen. Es ist etwas, was mir nicht aus dem Kopf gegangen ist und weil es auch so gut zu der Musik gepasst hat, die ich gemacht habe. Das war meine Vorgabe, dass ich gerne so etwas hätte, was in diese Richtung geht. Wir haben in diesem Stil auch die Single-Cover gemacht mit kleinen Ausschnitten von Geräten. Bei "Lovers" zum Beispiel sieht der Schriftzug so aus, als hätte diese Firma das Keyboard hergestellt oder auch der modulare Synthesizer bei "Sign", der eben den Namen 'Sign' trägt. Damit haben wir eben ein bisschen gespielt.

Das Albumcover selbst hat eine Grafikagentur gebastelt, eine Art Creative Direction, die heißen C/O Magick und haben in letzter Zeit auch Sachen für Bilderbuch gemacht. Das 3D-Design mit den Animationen im Album-Teaser hat der Iraeli Ohad Ben-Moshe gemacht und das Cover vollendet. Es gab verschiedene Revisionen und Ansätze, aber das hat mir am besten gefallen, weil es sehr simpel ist. In den Videos, die du ansprichst, haben wir das tatsächlich als Lichtinstallation gebaut und perspektivisch verschoben und damit auch die Pressefotos gemacht. Es war, wie ich finde, der richtige Moment, das Design für sich sprechen zu lassen und brauchte nicht unbedingt mein Gesicht auf dem Cover (lacht).

Das spiegelt sich auch im Video zu "Feels Right" wider, als du am Ende dein eigenes Lo-Fi-Video vor dem Greenscreen gedreht hast. Darin rebellierst du gegen das Management. Ist das vielleicht ein versteckter Appell an Künstler, sich ihrer Vision treu zu bleiben und nicht von anderen Menschen Dinge oktroyieren zu lassen?

Auf jeden Fall, das Video ist aber total überzogen und es sollte auch irgendwie lustig sein. Zum Glück ist es bei den meisten auch so angekommen, aber ich habe auch Kommentare gelesen, nach dem Motto 'Ich hoffe er behandelt seine Bandmitglieder nicht immer so', wo ich mir denke 'Leute, das ist einfach nicht ernst gemeint'. Es soll jedoch eine DIY-Hymne sein und das spiegelt auch das Gefühl wider, was ich im Studio hatte – nämlich, dass ich mich auf meinen Sound konzentriert und mein Ding durchgezogen habe, ohne das jetzt in irgendeine Struktur drücken zu müssen. Das habe ich ein Stück weit bei "Young Romance" probiert, aber bei "Polydans" war ich ganz bei mir und habe mich getraut, nur meinen Sound zu machen und das zu machen, was sich richtig anfühlt, um den Songtitel nochmal aufzugreifen.

Das Video soll sich zudem über mich lustig machen, mit dem Ansatz, dass ich nicht mit anderen Leuten zusammenarbeiten kann, weil man mir oft hinterher sagt, dass ich Perfektionist bin und alles selbst machen will. Ich habe beispielsweise die Platte selbst gemischt und das wollte ich so ein bisschen auf die Schippe nehmen. Darüber hinaus war die Ironie des Videos, dass es natürlich einen Regisseur gab, mit dem ich zusammengearbeitet habe, der im Video den Regisseur spielt, was irgendwie doppelt ist.

Das Ganze ist einfach so meta, haha.

Ja, extrem meta (lacht). Nach dem wir Wochen davor nach einem Musikvideo gesucht hatten, was einen hohen Production Value hat und all die Ansprüche erfüllt, die man als Künstler und Label eben so hat, hatten wir das Gefühl, das ist nicht der richtige Ansatz, vor allem für die Platte, weil sie doch sehr persönlich ist und ich sie konsequent allein gemacht und gemischt habe und ich habe auch niemandem Demos gezeigt. Ich habe einfach die fertige Platte irgendwann abgeschickt. Und dann kam irgendwann die Idee zum Video, ganz organisch, dass wir ein Video genau darüber machen: fast autobiographisch waren wir auf der Suche nach dem richtigen Video, jedoch die falschen Ideen hatten und dies im Video verarbeitet wurde. Das hat wirklich großen Spaß gemacht.

Das Video wirkt sehr lustig und sieht ein bisschen nach Comedy aus.

Es ist verdammt hart, lustig zu schauspielern. Man hört oft, dass das schwieriger ist als ein Drama. Comedy ist krass vom Timing her und so weiter. Vor allem die Balance zu halten, dass man es nicht überzieht. Man möchte ja nicht zu einer Karikatur werden oder dass man albern wirkt. Es soll klar werden, dass es lustig sein soll, und man darf dann nicht zu eitel an die Sache rangehen. Da muss man mit klarkommen, dass man nicht gut wegkommt, weil der Witz darin besteht, dass ich alle nicht gut behandle. Alles in allem war es eine witzige Erfahrung.

"Da können noch so viele Millionen Streams stehen, sobald da Leute vor dir sind, ist es extrem besonders"

Lass uns über deine Musik sprechen. Auf "Polydans" klingt alles druckvoller, breiter, abwechslungsreicher. Viele Melodien überlagern sich und ergeben ein volles Klangbild. Der Opener "Easy Way Out" ist quasi das Substrat daraus mit gewissen Justice-Momenten. War es jetzt an der Zeit für dich, deinen musikalischen Fächer aufzumachen und der Welt zu zeigen, was in dir steckt?

Ja, auf jeden Fall! Der Name "Polydans" steht für ganz viele verschiedene Facetten von Dance-Musik. Das Album ist eine Ansammlung von all den Sachen, die mich inspirieren. Sei es French-House bei "Strangers", 70er Yacht-Rock bei "Closer To My Heart", eher etwas Technoides bei "Sign" oder etwas Waviges wie bei den Pet Shop Boys und Human League auf "Lovers". Dance-Musik ist eben der gemeinsame Nenner, auf den alles fußt. Es freut mich auf jeden Fall, dass du das als breites Spektrum siehst, weil ich kann das immer nur schwer einschätzen. Ich will jetzt nicht sagen, dass jeder Song eine verschiedene Ära zitiert, aber es werden sehr viele Einflüsse auf dieser Platte verarbeitet.

Bei "Closer To My Heart" ist es ja eine ganz andere Soundästhetik mit den Akustikgitarren als am Ende bei technoiden "Sign", bei dem man das Stroboskoplicht am Ende sieht. Es ist immer das Ziel, ein vielfältiges Album zu machen und es freut mich ungemein, dass man trotzdem einen gemeinsamen Nenner hat und aus einem Guss daherkommt.

Ein Song heißt "Montjuic", wie einer der beiden Hausberge Barcelonas. Was verbindest du mit diesem Ort?

Ich hatte schon immer eine besondere Beziehung zu Barcelona, wir haben da oft gespielt und ich bin da tatsächlich auch sehr oft. Dort lege ich häufig kreative Auszeiten ein. Ich miete mir da ein Haus oder eine Hütte außerhalb von Barcelona oder eine Wohnung in der City für eine Woche. Ich war letzten November und Dezember für zwei Monate im Hinterland der Stadt, den Lockdown durch quasi. Der Song heißt so, weil ich eine Sprachmemo auf dem Berg aufgenommen habe, weil ich da hochgeradelt bin. Mein Handy speichert den Ort als Titel, wo du sie aufgenommen hat. Ich habe die Datei gestoppt mit dem Namen und dem Datum "Montjuic" und das habe ich dann in Logic, in meine DAW (Digital Audio Workstation, Anm. d. Red.) reingezogen und ihn weiter ausproduziert, den Namen als Referenz aber stehen gelassen. Und als es darum ging, den Songtitel auszusuchen, habe ich den eben "Montjuic" genannt, weil er stets präsent auf meinem Bildschirm stand. Ich fand es ganz charmant, den Entstehungsort mit in der Tracklist zu haben. Die Fans in Barcelona werden sich auch darüber freuen.

Apropos: Du hast eine große Fanbase in den USA, Mexiko und Südamerika, vor allem, wenn man sich deine YouTube-Kommentare durchschaut. Woher denkst du, dass du dich gerade dort großer Beliebtheit erfreust?

Bei meinem Sound hat sich das noch nie so richtig ausgeschlossen, dass es außerhalb von Deutschland Erfolg haben kann. Ich hatte direkt am Anfang das Glück, 2012 auf einem Londoner Label zu signen. Das hat mir in Europa schon mal viel gebracht, da ich meine ersten Touren in England gespielt habe und nicht in Deutschland. Es ist mir nicht unbedingt ein Rätsel, aber ich bin immer noch verwundert, dass viele Leute denken, dass ich Engländer oder Amerikaner bin, da ich anscheinend keinen krassen Akzent habe, wenn ich singe. Aber vielleicht ist einfach nur genug Reverb drauf, man weiß es nicht genau (lacht).

Jedenfalls hatte ich dadurch direkt ein gewisses Standing in Europa und vor allem in England. USA haben wir uns knallhart erspielt, weil wir mittlerweile so viele Touren dort gespielt haben. Das haben wir uns definitiv durchs Live-Spielen erschlossen. Süd- bzw. Mittelamerika haben wir bis dato nur zweimal gespielt: Mexiko und Brasilien. Da kommt es weniger durchs Live-Spielen, sondern übers Internet. Ich glaube, die haben eine wahnsinnig große Fangemeinde, was man als Europäer generell unterschätzt. Ich kann es mir trotzdem nicht erklären, warum wir in Mexiko so groß sind, aber das Konzert, das wir da gespielt haben, war der absolute Wahnsinn. Man sitzt zig Stunden im Flieger zu einem Land, in dem man noch nie war und da stehen dann super viele Leute, die die Texte kennen. Selbst in den USA ist es ein Wahnsinnserlebnis. Da können noch so viele Millionen Streams online irgendwo stehen - dass da Leute vor dir stehen, die die Texte mitsingen können, in einem Land, von dem du bisher nur Fotos gesehen hast, ist extrem besonders.

Das kann dann auch eine kleinere Crowd sein. Wenn wir in den USA spielen, dann geben wir auch kleinere Konzerte, derzeit bei den größeren Locations ungefähr 1.500 Menschen. Trotzdem spielen wir noch in 200er-Läden. Es ist nicht so, dass wir immer vor ausverkauften Hallen spielen. Selbst da: Wenn zehn oder 15 Leute vor dir stehen, die die Texte können und deine Musik fühlen, das hat für mich immer noch einen größeren Wert als irgendwas online. Ich freue mich natürlich über gute Streamingzahlen, aber freue mich eher darüber, weil ich dann weiß, dass ich touren kann. Es ist ein Geben und Nehmen.

"Von den Legenden Nile Rogers, von den aktuellen Sängerinnen Dua Lipa"

Bisher gibt es nur ein Feature mit Washed Out auf deinen Alben. Woran liegt das, dass du eher alleine deine Musik machst?

Das liegt am Konzept Roosevelt. Die Idee war von Anfang an, dass ich das allein probiere. Ich komme aus vielen Bands und ich habe mir in meinen Teenage-Jahren gedacht: 'Was würde denn passieren, würde ich das alles allein mache?' Es war nie das Projekt, bei dem ich andere Sänger drauf haben wollte oder Session-Musiker ins Studio hole, weil ich das konsequent für mich machen möchte. Ich finde es spannend, dass ich in einer Welt angekommen bin, in der viel in Songwriter-Teams gearbeitet wird, gerade was Dance-Musik angeht. Da gibt es ganze Autoren- und Produzenten-Teams. Von dem her macht es mich stolz, in so einer Welt bestehen zu können, mit meinen mittelmäßigen Fähigkeiten an verschiedenen Instrumenten und will das eigentlich so weiterführen. Das macht vielleicht den Charme und für mich den Reiz aus, dass ich es allein mache.

Mit Washed Out war es ein einmaliges Ding, weil ich ein großer Fan bin und er großen Einfluss darauf hatte, dieses Projekt überhaupt zu starten. Ich habe ihn kennengelernt, als wir in den USA zusammen aufgelegt haben und so hat sich das dann ergeben. Manche Gelegenheiten kann man eben nicht ausschlagen.

Die Chancen muss man dann nutzen, wenn sie einem angeboten werden. Hast du sonst noch Künstler, mit denen du dir vorstellen könntest, zusammenzuarbeiten?

Da gibt es definitiv ein paar. Ich würde gerne mit Nile Rogers einen Track machen.

Das habe ich mir schon gedacht, weil "Strangers" sehr nach Chic klingt.

Absolut! Das wäre mega nice. Ich könnte mir aber auch vorstellen, mit einer gerade aktiven Mainstream-Popsängerin was zu machen. Ein Track mit Dua Lipa oder etwas für sie zu produzieren. Das reizt mich schon und ich versuche gerade, mehr Musik für andere Leute zu produzieren. Also von den Legenden auf jeden Fall Nile Rogers, von den aktuellen Sängerinnen am ehesten Dua Lipa, weil ich die Produktion sehr abfeiere.

"Future Nostalgia" war eine absolute Disco-Scheibe und das würde sich bestimmt gut mit deiner Musik verbinden lassen. Du hattest mit "Teardrops" und "Everywhere" zwei Coverversionen. Erwarten uns da in Zukunft weitere Cover oder sind das eher spontane Ideen, die du umsetzt?

Ich habe tatsächlich schon eine Idee, aber die Tradition ist, dass wir das auf der Tour als Überraschung spielen wollen. Das haben wir bei den genannten Songs genauso gemacht. Das ist vor der jeweiligen Albumtour noch nicht veröffentlicht und deswegen live eine Überraschung. Das darf ich an dieser Stelle leider nicht spoilern, sonst gerät das Konzept durcheinander. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass wir das weiterhin machen werden. Nach der Tour, wann auch immer sie stattfinden wird, veröffentliche ich auch die Studioversion. Das ist eine schöne Tradition, die ich weiterführen will.

Dann höre ich es vielleicht in Hamburg diesen September.

Ja, hoffentlich! Falls wir uns dort sehen, würde ich mich sehr freuen.

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