laut.de-Kritik

King Rocko kommt, spricht und geht.

Review von

Ich habe ein Problem mit Rocko Schamoni. Ich weiß nie genau, was er will. Möchte er lustig sein? Ernst genommen werden? Will er die Leute nachdenklich machen? Eigentlich egal, denn er schafft es immer wieder, mich zu unterhalten. Ob im Interview mit unserem Haus- und Hofradio FM4, mit dem großartigen Buch "Dorfpunks", der dazugehörigen Lesung oder mit dem aktuellen Album "Rocko Schamoni & Little Machine". Ich bekomme Entertainment, und das taugt mir.

Der langsam groovende Opener "Leben Heißt Sterben Lernen" lässt mich wieder darüber sinnieren, ob Schamoni grundsätzlich ein Pessimist ist. "Leben heißt sich entfernen, Leben heißt aufzugeben", wie wahr. Fast werde ich melancholisch, vielleicht liegt diese sonst eher den Skandinaviern zugeschriebene Seelenqualität ja auch uns Norddeutschen im Blut. Auch wenn es sicher schwer fällt, einen multitalentierten Entertainer wie Rocko rein unter musikalischen Gesichtspunkten zu bewerten, dieser Einstieg macht Lust auf mehr.

In "Weiter" fällt mir fast die Kinnlade herunter. Das ist doch der Distelmeyer, der da singt?! Nein, ist es nicht. King Rocko schmeichelt sich in bester Apfelmann-Manier ins Ohr. Musikalisch unterstützt von Little Machine, also Tex aka Matthias Strzoda am Schlagzeug und Jones aka Jonas Landerschier an den Tasten, hören wir hier einen Sound, der erstaunlich erfrischend und eingängig irgendwo zwischen Mainstream-Pop und Sophistication parkt. "Gott ist ein Fabrikat, das keine Wirkung hat", klagt Rocko, und "Wir sind Maschinen, geboren zu leben". Sein richtiges Leben findet er nicht in einer falschen Welt, klagt der Hamburger Man in Black. Offene Gesellschaftskritik vermengt sich mit subtiler Kapitalismuskritik.

Langsam wird klar, Herr Schamoni wählt den Mittelweg. Lustig sein, will er nicht. Vielmehr deckt er unterhaltsam Mängel der modernen Welt auf. Klingt es so, wenn der Dorfpunk erwachsen wird? Musikalisch wechselt Rocko von trägem Reggae-Groove zu Midtempo-Synthie-Geschwurbel und erklärt fast mitleidsvoll, wir seien "Zu Dumm Um Frei Zu Sein". Mit hörbarer Verachtung singt der Pudelclub-Betreiber über "Jugendliche", mit einem Hauch von Funk über Liebe als "Die Infektion" und "im Spirit von Sybille Rauch" über Kopulation in "Zum Ersten Mal".

Mit der Sängerin Wiebke Puls trifft er sich "am Grund des Meeres" in "Der See" und man selbst ist unmerklich, aber längst eingetaucht in den leicht schrägen Kosmos von Rocko Schamoni & Little Machine. Der beinhaltet sogar eine Bassklarinette, die leicht verträumt den "Weg" (dieses Stück enthält übrigens nur im Booklet einen Text) für das Grande Finale ebnet - Rocko setzt nochmal zur Generalkritik an: "Wir sind wie Tiere in der Großstadt, wir werden unsere Herrchen hassen". Yeah. Er kam, sprach und ging. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Trackliste

  1. 1. Leben Heißt Sterben Lernen
  2. 2. Weiter
  3. 3. Muster
  4. 4. Zu Dumm Um Frei Zu Sein
  5. 5. Jugendliche
  6. 6. Die Infektion
  7. 7. Zum Ersten Mal
  8. 8. Der See
  9. 9. Der Weg
  10. 10. Tiere In Der Großstadt

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