7. Juli 2010

"Mein Album wälzt Lady Gaga platt!"

Interview geführt von

Robert Francis erzählt von seiner musikalischen Sozialisation durch Ry Cooder und John Frusciante und erklärt, warum MGMT 'real' sind und Justin Bieber nicht.Über München strahlt die Sonne, als wir Robert Francis leicht verpennt, in zerschlissenen Ugg-Boots und lumpigen Trainerhosen im schicken Hotel La Maison am Englischen Garten treffen. Für ihn ist es wohl ein sonderbarer Einstieg in den Tag: Kurz bevor wir mit ihm plaudern, wird der 22-Jährige von einem Journalistenkollegen mit einem anderen Musiker verwechselt.

Oft wird dieser ultimate fail mit kompletter Ignoranz abgestraft – nicht so bei Robert: Er lächelt milde und steht trotz der Schmach Rede und Antwort. Sympathisch, der Junge.

Du kommst gerade aus der Schweiz von deinem Festivalgig in St. Gallen. Wie hat's dir gefallen?

Es war der Wahnsinn. Wahrscheinlich die beste Show, die ich je gespielt habe. Wir waren Headliner auf der kleineren Bühne vor rund 8.000 Leuten. Ich dachte, niemand würde die Songs kennen. Ich hatte einfach keine Ahnung, was da auf uns zukommen würde. Aber dann kannten alle die Texte, haben mitgesungen und sind komplett ausgeflippt.

War das dein erster Festivalgig überhaupt?

Nein, mein erster Festivalgig war am Tag zuvor in London beim Hard Rock Calling im Hyde Park, vor 40.000 Leuten. Ich hab schon so oft Shows als Opener für andere Bands gespielt, aber Headliner zu sein, ist neu für mich.

Was ziehst du vor: Intime Gigs oder große Shows?

So lange die Leute die Musik kennen, ist das eigentlich egal. Der Gig in London zum Beispiel: In England wurde mein Album nicht veröffentlicht. Deshalb kannte das Publikum die Songs nicht wirklich. Trotzdem mochten die Leute meine Musik. Wenn die Menschen die Musik kennen, ist es gleich, ob man vor riesigem Publikum oder vor nur wenigen Leuten spielt. Aber ich mag große Crowds. Ich mag es, richtig laut zu spielen.

Lass uns mal über dein neues Album sprechen. Was ist der große Unterschied im Vergleich zu deinem Debüt "One By One"?

Die Songs auf meiner ersten Platte schrieb ich während einer echt verrückten Zeit meines Lebens. Ich machte all diese wahnsinnigen Dinge durch, ich brach die High School ab und so. Zwar wusste ich immer, dass ich Musik machen wollte, aber ich war einfach nicht sicher, wie ich anfangen soll. Zusammen mit meinem besten Freund, der ein bisschen älter war als ich, hab ich mich jeden Tag mit drei Flaschen Jim Beam weggeschossen. Wenn du das ein paar Monate lang machst, drehst du buchstäblich durch. Du versaust dir deinen Schlafrhythmus ... (druckst ein wenig herum)

Ok, hier die richtige Story: Erst trinkst du eine Flasche, dann verlierst du irgendwann das Bewusstsein, schließlich wachst du so gegen acht Uhr abends auf. Dann fängst du von vorne an: Trinken, bewusstlos werden, sehr früh am Morgen aufwachen, vielleicht so gegen vier. Und dann bist du mitten am Tag wieder weggetreten. Das war so ungefähr der Zustand, in dem ich mich befand. Und in dieser Gefühlslage habe ich Songs geschrieben. Irgendwann sagte ich mir, dass ich eine Platte aufnehmen will. Dann schloss ich mich in meinem Schlafzimmer im Haus meiner Eltern ein. Niemand hätte je gedacht, dass ich in der Lage sein würde, ein Album auf die Beine zu stellen. Für rund anderthalb Jahre habe ich nur dagesessen und immer und immer wieder Songs gespielt. Stundenlang habe ich einen Kickdrum-Sound angehört und an jeder Kleinigkeit gefeilt. Ich war ein Perfektionist. Schlussendlich sagte jemand: Ok, wir veröffentlichen die Scheibe, aber du musst sie bis dann und dann fertig haben. Also hatte ich nach anderthalb Jahren zehn Songs beisammen und brachte sie heraus.

Also war es so eine Art Schlafzimmer-Album?

Yeah, ich liebe es. Das Album wird immer mein Baby sein. Ich denke, die Platte ist viel abgestimmter und durchdachter als meine neue. Aber ich wollte einfach in eine komplett gegensätzliche Richtung gehen, besonders im Hinblick auf den kreativen Prozess und die Person, die ich war, als ich das erste Album aufnahm. Ich wollte eine Veränderung. Anstatt also ewig an dem Album zu feilen, nahm ich die neue Platte in drei Wochen auf. Im Grunde habe ich also das genaue Gegenteil gemacht: Alles live eingespielt und aufgenommen.

War es kein Problem, die Songs innerhalb so kurzer Zeit einzuspielen?

Es war seltsam und wirklich schwer für mich, denn normalerweise lasse ich mir gern Zeit für solche Dinge. Das erste Album habe ich selbst produziert. Deshalb habe ich dieses Mal einen Produzenten akzeptiert, weil ich einfach alles anders machen wollte. Er hat mir beim Entwicklungsprozess geholfen. Eigentlich hat die Arbeit an dem Album mich als Menschen weitergebracht und auch meinem Leben an sich sehr geholfen.

Wenn du sagst, deine Songs seien zu 100 Prozent authentisch, heißt das, dass sie alle autobiografisch sind?

Ja, das sind sie. Bevor ich angefangen habe, zu singen und Songs zu schreiben, wollte ich einfach nur Gitarre spielen. Zu Beginn war ich ein reiner Gitarrist. Ich spielte auf vielen Aufnahmen anderer Künstler, und ich hatte nie das Bedürfnis, tatsächlich selbst Musik zu schreiben – bis ich diese prägende Erfahrung durchlebte. Das war zu der Zeit, als ich diese Beziehung hatte, als ich die Schule verließ und anfing zu reisen. Da dachte ich zum ersten Mal, ich könne tatsächlich Songs schreiben. Deshalb ist das der einzige Weg, wie ich schreiben kann: Wenn es um etwas geht, das ich selbst durchgemacht habe.

Was hat es mit dieser Beziehung auf sich, die alles veränderte?

Ich schätze, so ist das nun mal: Ich war jung und erfuhr das erste Mal, wie es ist, sich richtig zu verlieben, das Herz gebrochen zu bekommen und all das. So, wie ich aufgewachsen und groß gezogen worden bin, würde ich vielleicht nicht unbedingt sagen, dass ich eine verletzliche Person bin. Aber ich denke, ich komme dem schon recht nahe. Ich bin emotional. Wenn du ein Sänger bist oder schreibst, neigst du dazu, so zu sein. Du hast dieses Feuer in dir, das deine künstlerische Seite antreibt. Die Beziehung, die ich damals hatte, war ziemlich intensiv. Dieses Mädchen hatte keinen Führerschein, keinen Ausweis, kein Geld, kein Haus – eigentlich hatte sie gar nichts. Also habe ich sie komplett unterstützt, sowohl finanziell als auch mental, eigentlich in jeglicher Hinsicht. Und ich war so jung, um die 18. Zwei Jahre später hatte ich ein Haus, einen Hund, zwei Autos, eine Freundin. Ich hatte dieses Leben für mich selbst aufgebaut, und dann musste ich zusehen, wie alles irgendwie in die Brüche ging. Und das war die Zeit, als ich meine Platte aufnahm. Eigentlich war es eine gute Erfahrung, wenn man darauf zurückblickt, und inzwischen bin ich darüber hinweg.

"Ich war ein totales Wrack"

Deine Songs sind alle ziemlich emotional und melancholisch. Scheust du manchmal nicht davor zurück, deine Gefühle in dieser Art mit der Öffentlichkeit zu teilen und dich dadurch vielleicht verletzlich und angreifbar zu machen?

Nein, darüber denke ich nie nach. Wenn man Songwriter ist, steht es an erster Stelle zu lernen, wie man dieses Gefühl abstellt. Ich denke nie darüber nach, wie ich mich buchstäblich der Welt öffne. Wenn ich mir darüber den Kopf zerbrechen würde, dann könnte ich wahrscheinlich nicht das tun, was ich mache.

Also liest du dir keine schlechten Kritiken oder negativen Kommentare durch?

Genau. Ich versuche einfach, dem keine Aufmerksamkeit zu schenken.

Was hältst du von dem Gedanken, dass es im Musikbusiness keine Authentizität geben kann, weil jeder nur eine Kunstfigur darstellt?

Ich dachte lange, das sei so, definitiv auf dem Mainstream-Level. Aber dann gab es ein paar Sachen, die ich ziemlich cool finde, die auch im Mainstream einschlugen. Zum Beispiel MGMT. Die Jungs sind in meiner Gegend aufgewachsen. Sie machen großartige Elektropop-Songs und haben erst gerade ein cooles neues Album aufgenommen. Sie sind der real deal, sie schreiben ihre Musik selbst. Auch als ich mein zweites Album aufgenommen habe, kam niemand vom Label rein und meinte: Wir brauchen einen Hit. Im Grunde ließen sie mich machen, was ich wollte, und mein Produzent und ich konnten unser Ding durchziehen. Ich hätte niemals gedacht, dass eine Platte so gemacht werden könnte: Live im Studio mit deinen guten Freunden, ohne Autotune, ohne Clicktracks, ohne die Songs zu zerschneiden. Weißt du, in Frankreich und der Schweiz ging die Scheibe an die Spitze der Charts, sie wälzte Lady Gaga platt. Ich glaube, Menschen möchten mehr von dieser Art Musik hören.

Kritiker feiern dich: "Es wird sicherlich nur eine Frage der Zeit sein, bis er neben seinen Idolen in den Biographien anderer Leute als einer der großen amerikanischen Songwriter seiner Generation aufgelistet wird", "Robert Francis füllt eine gewaltige Lücke als jemanden, der ungemein fehlte in seiner Generation von Musikern". Was sagst du dazu?

Das ist fantastisch, wow! Ich versuche aber, auch darüber nicht zu viel nachzudenken, sonst würde mich das wahnsinnig machen.

Übt es einen gewissen Druck auf dich aus, dass Menschen von dir erwarten, eine Lücke zu füllen?

Einerseits treibt mich der Druck an. Ich denke, eine Menge Leute wären sehr glücklich, wenn sie in meiner derzeitigen Position wären. Ich bin nie zufrieden und immer auf der Suche nach dem nächsten Ding. Hoffentlich kann ich am Ende dieser Leiter irgendetwas füllen. Ich weiß es nicht, wir werden sehen.

Würdest du dich selbst als melancholischen Menschen bezeichnen?

Vielleicht. Melancholisch in der Art, dass ... (zögerlich) Ich bin einfach ständig angetrieben von ... Ich habe gelernt, meinen Irrsinn nutzbar zu machen. Ich weiß jetzt besser, wie ich damit umgehen muss. Als ich jung war, als ich die Songs für mein erstes Album schrieb, vielleicht einige der besten Songs, die ich je geschrieben habe, da bin ich wirklich tief in meinen eigenen Wahnsinn abgedriftet. Ich war ein durchgedrehter Teen, habe Autos gecrasht und so. Ich war einfach ein totales Wrack. Aber wenn du so weit unten warst, ist da etwas, das du anzapfen kannst, dein Unterbewusstsein, zu dem du sonst nie einen solchen Zugang gefunden hättest. Ich denke, das sind die Momente, in denen Künstler ihre beste Arbeit machen. Für eine Weile ist es hart zu lernen, künstlerisch tätig zu sein, wenn man nicht so drauf ist, also wenn man sich aus solchen Löchern hochgezogen hat. Macht das Sinn?

Klingt irgendwie ein bisschen schizophren.

(lacht) Ja. Ich meine ... Jetzt ist es ... Ich weiß nicht. Schwierig zu erklären. Ich würde sagen, ich bin ziemlich melancholisch. Meine Gefühle sind so ziemlich immer und überall präsent.

War das schon immer so, oder hat sich das erst in den letzten Jahren so entwickelt?

Ich denke, das war schon immer so.

Es gibt das Klischee des Künstlers, der nur kreativ sein kann, wenn er depressiv ist. Was hältst du davon?

Ich glaube nicht, dass da was dran ist. Es geht einfach nur darum, wie du deine Gefühle kanalisierst. Früher konnte ich nur arbeiten, wenn ich deprimiert war. Mittlereweile halte mich nicht mehr für eine depressive Person. Zur Zeit schreibe ich wahrscheinlich mehr und bessere Songs, als ich je geschrieben habe. Man muss einfach herausfinden, wie man diese dunkle Seite seines Selbst anzapfen kann, ohne wirklich so weit runter zu steigen. Je mehr ich gereist bin, je öfter ich allein war und keine Beziehung hatte, desto mehr fand ich über mich selbst heraus. Sobald du dich selbst kennst, kannst du dir einen Reim auf deine Gefühle machen und sie in einem Song verarbeiten, ohne wirklich crazy werden zu müssen.

Einer deiner Songs heißt "Mescaline", in einem Interview, das bei Youtube zu sehen ist, antwortest du auf die Frage, was zu deinen liebsten Dingen gehört: "Frauen, Drogen, Alkohol" ...

Oh Mann, ich muss das Video aus dem Web rausnehmen (lacht). Ich hab's mir angesehen und dachte: Oh nein! Ich weiß nicht, wessen Idee das war. Schrecklich.

Sollen wir so was ernst nehmen oder ist das einfach nur Alberei?

Das würde ich nicht allzu ernst nehmen. Ich kann mich gar nicht mehr so richtig an die Situation erinnern ... Ich hielt gerade zwei Bier in der Hand, schlenderte durch die Gegend und musste dann dieses alberne Interview machen. Also, ich denke definitiv, dass es wichtig ist, an all diesen Dingen teilzuhaben. Ich weiß nicht ... Mit der Musikindustrie heute ... Damals in den 60ern und 70ern konnte man Acid einschmeißen, sich vollkommen abschießen und machen, worauf man Bock hatte. Man konnte zwei Wochen später aufwachen und nicht die geringste Ahnung haben, was man in den letzten Tagen überhaupt gemacht hat. Totaler Blackout. Und irgendwie war man trotzdem noch in der Lage, Millionen Platten zu verkaufen und Weltspitze zu sein. Heutzutage muss man so hart arbeiten, viel härter als ich mir vorstelle, dass es damals der Fall war, für vielleicht gerade mal die Hälfte des Erfolgs. Es ist einfach ein Unterschied wie Tag und Nacht. Aber ich denke, es gibt Wege, um ... Naja, wenn ich die ganze Zeit nur arbeiten würde, dann würde ich irgendwann den Verstand verlieren. Natürlich amüsiere ich mich gern.

Glaubst du, dass viele junge Musiker ihr Talent verschwenden, wenn sie einen exzessiven Lebensstil pflegen? Oder denkst du, das kann eine Inspirationsquelle sein?

( Er sucht nach passenden Worten) Ich denke, wenn du es ausbalancieren kannst, dann ist es der richtige Weg ... Ich vertraue Leuten nicht wirklich, die nur das Geschäft im Sinn haben. Andererseits vertraue ich auch den Leuten nicht wirklich, die nur Party machen. Ich versuche, es in der Mitte auszubalancieren. Ich und die Jungs der Band, wir sind jede Nacht in einer anderen Stadt, fliegen jeden Tag durch die Gegend ... Aber wir gehen aus und genießen jede Nacht, was die Stadt zu bieten hat und gucken, in was für Dinge wir hineinschlittern ...

Hast du nie vergessen, in welcher Stadt du gerade bist?

Ach, das passiert andauernd (lacht). Die halbe Zeit weiß ich nicht einmal, welchen Tag wir gerade haben oder wo ich überhaupt bin!

"Ich ballerte den ganzen Tag herum"

Um das Thema mal zu wechseln: Du kannst Ry Cooder als Mentor zitieren, du hattest Gitarrenstunden mit John Frusciante, bist von Musik umgeben aufgewachsen ... Hätte deine Karriere einen anderen Verlauf genommen, wenn dies alles nicht gewesen wäre?

Definitiv. So viel meiner Musik basiert darauf, so authentisch wie möglich zu sein. Es ist sehr einfach für mich, bei anderen Künstlern "Bullshit" zu rufen. Es ist leicht für mich, zu sehen, wer wirklich der real deal ist und wer nicht. Weil Ry mich so aufzog ... Er war ein Mentor. Er lernte von Reverend Gary Davis, dem großartigsten blinden Blues-Gitarristen aller Zeiten. Er war sein Lehrer, und ich denke, ich habe viel von Ry gelernt. Somit konnte etwas über die Zeit weitergegeben werden. Ry ist ... Bei ihm findet sich keine Affektiertheit, you know? Frusciante ist großartig, ohne Zweifel, aber er ist eher das selbsternannte Genie, er mag es, crazy zu sein. Ry ist einfach das Echte ...

Ist es von großem Vorteil, bekannte Musiker als Freunde zu haben?

Sicherlich. Ich glaube, es ist enorm wichtig, dass die Leute eine Art Mentor haben. In einer modernen Gesellschaft, in der die Kids so stark mit modernen Technologien und Computern verbunden sind, haben wir irgendwie aus den Augen verloren, woher wir eigentlich kommen. Vor allem in der amerikanischen Kultur. So ziemlich das einzige, was uns irgendwie speziell macht, ist der Fakt, dass unser Land auf dem Blues basiert, dem Delta, verstehst du? Aber irgendwie haben die Kids den Bezug dazu verloren und alle hängen nur noch an ihren iPhones rum.

Ich denke, es ist in diesen Zeiten sehr wichtig für mich, einen Mentor oder jemanden aus dieser Ära zu finden, der das einzig Wahre – the real deal – ist, um dann von dieser Person zu lernen. In 50 Jahren wird dies alles nämlich komplett verschwunden sein, es wird keine Erinnerung mehr daran geben. Ob es eine Flut ist, die Louisiana zerstört, oder eine Ölkatastrophe - dieser Teil der Welt wird zerstört. Darum finde ich es wichtig, Dinge aus erster Hand zu erfahren.

Ist MySpace ein Mythos? Glaubst du daran, dass man als Band dadurch entdeckt werden kann?

Ich denke, wenn du durch MySpace oder Facebook oder all die Sachen entdeckt wirst, wenn du dadurch aufgeblasen wirst, hat es normalerweise keine lange Lebensdauer. Vielleicht klappt es für kurze Zeit, aber ich denke nicht, dass dies der richtige Weg ist. Der einzige Weg, um eine loyale Fanbasis aufzubauen, ist buchstäblich da rauszugehen, sich alles hart zu erarbeiten und einen Fan nach dem anderen zu treffen.

Aber Justin Bieber, der hat Millionen von verrückten Fans ...

Ja, und in zwei Jahren hat niemand mehr eine Ahnung, wer Justin Bieber ist. Ach, vielleicht wird er es ja rüber schaffen, aber ich weiß nicht, solche Sachen sind sehr kurzlebig ...

Um zu Frusciante zurückzukehren: Du sagtest, es war anders mit ihm. Hattet ihr eure Meinungsverschiedenheiten oder eine unterschiedliche Philosophie?

Vielleicht ein bisschen, ja ...

Ich meine, wieso warst du sein einziger Gitarrenschüler?

Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Ich ging mit Fleas Tochter zur Schule, das war ein ziemlich glücklicher Zufall. Flea hat diese Musikschule in Silver Mountain, Kalifornien. Ich wollte sehen, ob mir jemand von dieser Musikschule Unterricht geben würde, da ich damals nicht wirklich etwas Sinnvolles machte und irgendwie uninspiriert war. Und dann sagte Flea so: "Vielleicht unterrichtet John dich ja." Und fünf Minuten später ruft mich John doch tatsächlich an. Ich rannte wie wild umher und flippte total aus!

Er ist ein großartiger Künstler, aber es war einfach eine unterschiedliche Art ... Weißt du, ich war mit Ry aufgewachsen, mit Blues und Soul. Die erste CD, die John mir gab, war "Nursery Cryme" von Genesis. Es war komplett anders, viel technischer. Er schrieb Musik für mich heraus und ich versuchte, diese Musik zu lesen und die technische Seite davon zu verstehen, you know. Ich habe nie gelernt, Musik zu lesen, ich lernte über das Gehör. Mein Vater hat mich damals immer auf seinen Schoß gesetzt und stundenlang Piano gespielt, als ich klein war. Er hat mein Ohr trainiert. Daher habe ich immer über das Gehör gespielt. Frusciante wollte mir das Gegenteil beibringen. Er war kein wirklich guter Lehrer und ich kein wirklich guter Schüler, darum hat es nicht so richtig funktioniert. Aber es war cool, sein Studio und sein Haus zu sehen. Er schickte jeweils jemanden, um mich in einem schwarzen Mercedes abzuholen und durch die Stadt zu seinem Haus in den Hollywood Hills zu fahren. Wir hörten dann Velvet Underground und Jethro Tull und hingen zusammen rum.

Wie alt warst du damals?

16.

Was hat es eigentlich mit deinem Mom-Tattoo auf sich?

Das hier? Ach, reiner Tour-Irrsinn!

Betrunken?

(lacht) Ich war nicht mal besoffen, ich befand mich nur in einem schrägen Zustand ... Ich war kurz davor, mich zu betrinken. Ich hatte soeben einen Soundtrack in NY aufgenommen und drei Stunden Zeit bis zum nächsten Gig. Also lief ich die Straße hinunter um in einer Bar ein paar Bierchen zu kippen, als ich dieses Tattoo-Studio sah. Ich sagte mir: "Oh, ich lass mir jetzt ein Tattoo machen", ging hinein, dachte nicht darüber nach und ließ es mir von dem Typen auf der Stelle stechen. Es war in einer Stunde fertig, anschließend spielte ich die Show mit blutigem Arm.

Was hat es mit dem Tatto auf dem anderen Arm auf sich?

Das verpasste ich mir, als ich 18 war. Es ist so was wie das Emblem der Familie meiner Mutter und war überall im Haus aufgehängt, als ich ein Kind war. Es repräsentiert quasi ihre Seite der Familie und ihren Heimatort.

Scheint, als ob du eine innige Beziehung zu ihr hast ...

Zu meiner Mutter? Ach, ich liebe meine Mutter halt einfach. Diese Seite der Familie ist enorm wichtig für mich. Da geht es wahrscheinlich noch so echt und "real" zu, wie es nur gehen kann, wie im wilden Westen! Die Familie meiner Mutter stammt aus einem Ort, in dem die Leute immer noch ihre Knarre mit sich herumtragen. Da gibt es den Dorfsäufer, der mit dem ausgepackten Bauch in der brütenden Sonne sitzt. Und dann mein Großvater! Meine Mutter hatte neun Schwestern, und wenn deren Freunde ihm freche Antworten gaben, schoss er ihnen in den Arsch und zwang sie zu tanzen. Er starb, als er bei einer Schießerei mit der Polizei von seinem besten Freund unabsichtlich erschossen wurde.

Klingt rau!

Ja, es ist echt verrückt. Mein Vater ist das genaue Gegenteil. Er ist eher der nerdige Typ, sehr mathematisch. Daher liebe ich die mütterliche Seite der Familie so sehr. Ich denke, von da habe ich all die Seele.

Schießt du auch manchmal mit Knarren?

Yeah! Als ich noch ein Kind war, so um die sieben Jahre alt, saß ich in unserem Hinterhof rum und alles, was ich wirklich machte, war mit der Schrotflinte auf Büchsen zu schießen. Ich hatte dieses Buch gelesen, "Where The Red Fern Grows" (von Wilson Raws, d. Red.), als ich in der vierten Klasse war. Es ging um diesen Jungen und seinen Jagdhund. Ich liebte dieses Buch und saß dann da in Overalls mit einer Waschbärenmütze auf dem Kopf und ballerte den ganzen Tag herum (lacht).

Machst du das nicht mehr?

Nein, aber ich würde das schon noch mal machen, im Moment habe ich leider einfach keine Zeit. Vielleicht würde ich nicht mehr nur rumsitzen und einfach auf eine Wand schießen, das ist reine Langeweile ...(lacht in sich hinein) ... So, nun muss ich mich mal anziehen gehen. Machts gut!

(Von Anne Nußbaum und Adrian Meyer)

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Robert Francis

"Ich weiß, dass es für manche Musiker wie eine Therapie ist, Songs zu schreiben, und ein Weg, ihre Gefühle auszudrücken. Aber für mich ist es viel …

Noch keine Kommentare