29. Oktober 2018

"Ich bin ein großer Traditionalist!"

Interview geführt von

"Purple House" ist ein fantastisches Album geworden, das zeigt, wozu moderner Blues heute noch fähig ist. Die Platte ist sehr rund und detailreich produziert und hat eine genreuntypische Langzeitwirkung. Ford verbindet eine große Musikalität und inspiriertes Songwriting. Trotz Erkältung zeigt sich der Meister-Gitarrero auskunftsfreudig über den Entstehungsprozess der neuen Platte, die zu seinen opulentesten Produktionen gehört.

Robben Ford spielte mit den ganz Großen der populären Musik wie George Harrison oder Miles Davis. Niemals aufhören zu lernen, lautet seine Devise. Wie er der kommenden Generation an Musikern sein Wissen vermacht und gleichsam vom Wissen junger Kreativer profitiert, erzählt Ford im Gespräch.

Lass und zunächst mal über deine neue Heimat Nashville sprechen, ein Ort mit einer großen musikalischen Historie. Ein großer Einfluss oder denkst du nicht?

Ich zog vor knapp einem Jahr nach Nashville. Ich würde die Musik auf dem neuen Album nicht in irgendeiner Art und Weise als Produkt von Nashville bezeichnen, also in der Art des Songwritings. Was großartig ist in Bezug auf Nashville sind die Ressourcen. Es gibt eine unglaubliche Menge an Talent hier, bspw. Studios und eine sehr eingeschweißte Musikergemeinschaft.

Ich bin hierher gezogen aufgrund der guten musikalischen Infrastruktur und des Supports. Ich hatte Ressourcen in greifbarer Nähe. Ich brauchte gerade mal einen Anruf zu tätigen, und das, was ich benötigte, war sehr schnell verfügbar. Das ist die Hauptrolle, die Nashville gespielt hat in Bezug auf diese Platte.

Räumlichkeiten, Studios, Engineers, Leute, die sich mit Technologie auskennen. Das macht die Schönheit dieser Stadt aus. Die Entwicklung der Songs ist jedoch ein komplett anderes Thema.

Es gibt auf der neuen Platte sehr poetische Songs wie "Empty Handed" und solche Rocker wie den Opener "Tangle With Ya". Ich habe über "Tangle" gelesen, dass er ursprünglich als langsamer Song gestartet ist und sich dann erst zu diesem Rocksong entwickelt hat, den wir nun auf der Scheibe hören.

Zunächst kam ich mit einer Gruppe von Musikern zusammen, die die Aufnahmen mit mir erledigten und die nun auch meine Touring-Band darstellen. Wir trafen uns im Proberaum und stöpselten die Instrumente ein. Wie du weißt, spielen Musiker natürlich immer irgendwas auf ihren Instrumenten, stimmen ihre Drums zum Beispiel. Und der Schlagzeuger spielte den Beat, der dann letztendlich der Beat für "Tangle" wurde.

Was auch immer das erste ist, was ein Musiker spielt, das spiegelt ihn wieder (lacht). Dort ist er zu verorten. Er denkt nicht darüber nach, er spielt einfach etwas. Derrek Philipps spielte nun den Beat und ich meinte, dass ich dazu einen Song schreiben werde. Ich hatte "Tangle" schon geschrieben und es war tatsächlich ein langsamer Blues. Dann glich ich das Tempo an den Drumbeat an und kam dann auf die Bassline und die Melodien und die Bridge. In dieser Art hat es sich abgespielt.

Hast du eigentlich einige Songs live getestet, bevor ihr die Aufnahmen angegangen seid?

Das ist eine gute Frage. "Tangle" spielten wir. "Empty Handed" testen wir auch aus. "Bound For Glory" dürfte auch dabei gewesen sein.

Unterschieden sich die Live-Versionen von den späteren Aufnahmen? Habt ihr bspw. Jam-Parts eingestreut oder Längen variiert?

"Bound For Glory" änderte sich nicht grundlegend. Wir haben es ausschließlich einen Halbton runter gestimmt von E auf Eb. Das war aber nur Entscheidung bezüglich des Tunings. Das war die einzige wirkliche Änderung in diesem Song. "Empty Handed" änderte sich deutlich mehr. Es begann mehr wie eine alte Soul-Ballade im Stile von Otis Redding. Das war der Weg, wie es geschrieben wurde. Mit der Zeit merkte ich, dass ich nicht ganz glücklich damit war. Es fühlte sich nie richtig an, wenn wir einer Aufnahme zuhörten.

An einem bestimmten Punkt hörte ich mir das Playback an und wählte daraus nur das Gitarren-Riff aus. Die Drums flogen dann auch raus (lacht) und ich ersetzte meine Gitarre durch eine Akustik-Gitarre. Und wir hörten es uns wieder und wieder an. Auch der Basssound war zu vorhersehbar. Daher ersetzte ich den Bass durch einen Synth. Ich spielte einen sehr simplen Part auf dem Synthesizer. Du wirst es vielleicht gar nicht bemerkt haben, aber es ist auch nicht wichtig, da es nicht auf Aufmerksamkeit ausgelegt ist. Aber du hast wenigstens einen Bass. Auf "Empty Handed" hörst du auch diesen wunderschönen Wal-Sound.

Das Sounddesign ist wirklich gelungen.

Das spielte unser Engineer. Er hat dieses Instrument ausgewählt, das Harmony Chord. Und das Harmony Chord ist ein billiges altes Instrument, das Laien zum Hausgebrauch verwendeten und darauf herum klimperten. Es ein sehr billiger alter Synthesizer, aber es erzeugt diese tollen Klänge. Ross kreierte dadurch etwas sehr Eindringliches und Schönes.

"Ich schreibe schon seit jeher bessere Parts für Frauen als für Männer."

Neben der Standard Rock-Besetzung gibt es weitere Instrumente, die man auf der Platte hören kann, etwa das Saxophon. Das Instrument, auf dem du deine ersten Gehversuche gestartet hast und das du bis in deine frühen zwanziger Jahre gespielt hast. Ist die Verwendung dieser beiden Tenor-Saxophone ein Blick zurück auf deine Anfangszeit als Musiker?

Nein. Ich mag den Sound von Howlin' Wolfs Band. Er verwendete zwar auch Piano, aber sehr in den Hintergrund gedrängt. Was du wirklich wahrnimmst, waren zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug und manchmal die Mundharmonika und zwei Tenor-Saxophone. Das war die ursprüngliche Idee.

Die Art und Weise wie ich arbeite, ist, dass ich immer eine Basis-Idee habe, wie dieser Sound zum Beispiel. Eine sehr ursprüngliche Idee, in welche Richtung ich gerne gehen würde. Von diesem Punkt aus entwickelt sich die Idee weiter. Es muss zum jeweiligen Song passen, das ist ein wichtiger Punkt. Und wenn etwas sich zu stark nach einer Howlin' Wolf-Aufnahme anhört, entfernte ich mich wieder davon. Es ist nur der Ausgangspunkt, den ich dann natürlich wachsen lasse und viele andere Aspekte spielen noch eine Rolle.

In "Break In The Chain" gibt es diesen coolen Kontrast zwischen dem akustischen Teil im ersten Vers mit deiner männlichen Stimme und dann die darauffolgende bluesige harte Gitarre mit der Stimme von Shemekia Copeland, die darüber thront. Wie hat sich diese Kollaboration ergeben?

Ich habe mich Shemekia zunächst über ihr Management genähert und sie nicht direkt angerufen. Wir kennen uns nicht persönlich, ich kann dir nicht sagen, ob wir uns schon einmal begegnet sind. Deswegen habe ich den Gang über das Management gewählt, um erst einmal die Bereitschaft abzuklären, da sie auch sehr eingespannt mit Produktionen ist.

Darüber hinaus mag ich weibliche Stimmen. Ich schreibe schon seit jeher bessere Parts für Frauen als für Männer. Sie hatte gerade ihre Platte beendet und ihre Tour begonnen und würde vielleicht erst in eineinhalb wieder mit Aufnahmen beginnen. Von daher ließ ich die Sache erst einmal beruhen und hatte es schon fast wieder vergessen.

"Break In The Chain" sollte für sich sprechen, meine Vocals waren ok, aber ich bin halt kein typischer Rock-Sänger. Mir schwebte eine powervolle Präsentation vor. Die Gitarren sind eine riesige Wand. Zum Glück willigte Shemekia dann ein. Wir nahmen Sie dann auf, als sie sich in Chicago befand. Wir haben in Chicago ein Studio gebucht und ich nahm an der Session vom Telefon aus teil (lacht). Es wäre einfach zu zeit- und kostenaufwändig gewesen, entweder für sie nach Nashville zu kommen oder für mich nach Chicago zu fliegen, nur um einen Song zu singen. Jeder sang das Stück einmal komplett ein und dann entschieden wir uns jeweils, wie wir die beiden Stimmen am besten arrangieren als Duett.

Das ist die gleiche Arbeitsweise, die ich auf dem letzten Album mit Keb Mo gewählt habe auf dem Stück "Justified". Jeder hat das Stück einmal performt und wir schauten im Anschluss, wie es als Duett am besten funktioniert. Das hat schon ziemlich gut harmoniert.

"Cotton Candy" weicht ja deutlich vom restlichen Material ab. Er hat diesen straighten, durchgängigen Beat und die Lyrics sind mit einem Augenzwinkern versehen, oder was denkst du?

Das deckt sich mit meiner Sicht auf den Song (lacht). Ehrlicherweise gab es noch etwas anderes, das wir aufgenommen haben. Aber mir fielen einfach keine Lyrics ein. Wir zeigten es einigen Leuten wie Mike McDonald, die sich daran die Zähne ausbissen, aber es war nicht "Cotton Candy", diese Sorte von Musik. Es war es nicht wert, es weiterzuverfolgen.

Aber wir brauchten einen weiteren Song. "Cotton Candy" entstand aus dem Grund, die Platte aufzufüllen. Es hat diesen ironischen Unterton, es ist eine komplette Fabrikation. Aber zur selben Zeit mögen es die Menschen einfach. Ich denke, das geht darauf zurück, dass dieser Song und der Track "What I Haven't Done" in Fame Studios Muscle Shows aufgenommen wurden.

Wir haben aus diesen Songs so ein Feeling herausgekitzelt, das einzigartig ist. Ich bin darüber sehr glücklich und kann damit gut leben. Eigentlich Ausschussware, aber auch ziemlich lustig. Denn man muss sich von Zeit zu Zeit auch nicht zu ernst nehmen.

Du hast gerade "What I Haven't Done" angesprochen. Du hast davon in einer Track-Beschreibung gesprochen und meintest, dass es textlich um die Einsicht geht, manche Dinge einfach sein zu lassen und dies oft die bessere Wahl darstelle. Gib uns mal ein Beispiel für diese Theorie.

Wenn jemand auf mich zukäme und meinte, lass uns Bungeespringen gehen. Oder zu einem Rennen auffordert und zack ist der Spaß vorbei. Oder jemand meint, dass man jede Nacht zig Shots Jack Daniels trinken solle. Du bist besser dran, es ist nicht zu tun. Es kann auch sein, dass du ein bestimmtes Mädchen magst, aber es vielleicht besser sein lassen solltest.

"Es gibt teilweise hundert Spuren auf der Platte."

Du hast ja vor einigen Jahren eine CD mit dem Titel "A Day In Nashville" herausgebracht. Wie planvoll bist du an die neue Platte herangegangen oder wie spontan liefen die Sessions ab?

Es hat deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen in Bezug auf die Planung. Als wir starteten, lieferte Nashville in diesem Falle die Infrastruktur, da ich nun hier ansässig bin. Du musst nicht reisen, Hotels buchen und jeden Tag unterwegs sein. Wir konnten uns die Zeit einteilen. Wir konnten für einige Wochen mal eine Pause einlegen und wussten dennoch, dass wir zu späterer Zeit wieder anknüpfen können. Die Studios sind mehr oder weniger den ganzen Tag verfügbar und nicht nur für ein Wochenende.

Der Name der Platte klingt sehr poetisch.

Der Name der Platte geht darauf zurück, dass es in dem Studio meines Co-Producers aufgenommen wurde. Das gesamte Haus ist ein Aufnahme-Studio und er nennt es schlicht das Purple House. Wir warfen uns einige Namen zu, aber "Purple House" war einfach zu passend, da es unser Hauptquartier war. Daher lag der Name auf der Hand.

Zu einem wichtigen Aspekt in deiner Karriere gehört dein Engagement, deine Erfahrung aus vierzig Jahren im Business an angehende Musiker weiterzugeben. Eine Solo-Spot auf der neuen Platte hast du aus der Hand gegeben, nämlich den Spot im Song "Willing To Wait" an Drew Smithers von der Band Bishops Gunn. Ist dies Teil deiner Philosophie, Dinge an zukünftige Musiker weiterzugeben?

Wann auch immer ich einen Musiker treffe, weiß ich dass es schwer ist, Gehör zu finden. Ich blicke auf eine Musikkarriere zurück und finde, er ist ein ziemlich guter Gitarrist. Wenn ich solch junge Musiker treffe, halte ich nach Möglichkeiten Ausschau, um ihnen etwas mitzugeben.

Es ist natürlich meine Platte und mir ist es nicht der Mühe wert, in einen Wettbewerb zu treten. Ich möchte andere Musiker einfach hören. Das ist das erste Mal im Leben dieses jungen Burschen, dass er auf der Aufnahme eines anderen Musikers gastiert. Ich bin mir nicht sicher wie alt Drew ist, jung ist er in jedem Fall.

Er arbeitet in einem Gitarrenladen hier in Nashville und spielt bei der Band Bishop Gunn, die gerade ihr Album veröffentlicht hat und auf Tour gegangen ist. Ihnen haben sich einige Türen geöffnet. Aber sie stehen noch zu Beginn ihrer Karriere. Es versteht sich von selbst, etwas für sie zu tun. Darüber bin ich sehr glücklich.

Du bist ja nicht nur ein Bewahrer von Traditionen, sondern nimmst auch zeitgenössische Musik zum Anlass von Inspiration. Was sind denn deine Einflüsse in zeitgenössischer Musik?

Da gibt es zugegebenermaßen einiges. Ich bin ein großer Traditionalist. Ich denke wie ein Musiker, ich denke wie ein Komponist, ich denke wie ein Orchestrator. Bis zu dieser Platte war alles, was ich getan habe, ein Audio-Bild anzufertigen. Wo kann man etwas einfließen lassen, an welcher Stelle nimmt man etwas weg. Aber unter Verwendung normaler Instrumente. Piano, Bass, Gitarre, Schlagzeug, Bläser, die klassische Instrumentierung halt.

Ich mag einfach den Klang musikalischer Instrumente und den will ich auch hören. Es gab einen echten Wechsel in meiner Philosophie, wie man eine Platte aufnimmt, nachdem ich das Album "Sound & Color" von der Band Alabama Shakes, gehört habe. Diese Platte ist eine unfassbar großartige Produktion, was auf Blake Mills zurückgeht. Ohne ihn wäre diese Platte in dieser Form nicht möglich gewesen. Dann hätte es eine andere Aufnahme gegeben mit den gleichen Songs, aber es wäre nicht dasselbe.

"Purple House" ist sehr stark von "Sound & Color" beeinflusst. Diese Platte eröffnete mir eine komplett unterschiedliche Sicht darauf, wie Instrumente angelegt sein können. Dinge, die dem in der Vergangenheit ähnelten, ließ ich zu. Dinge, die ich in der Vergangenheit verteidigt hätte, aber nicht passten, ließ ich heraus.

Ich hatte ziemlich junge Leute dabei wie mein Co-Produzent Casey Wasner. Diese jungen Leute wissen einfach mit der modernen Technik umzugehen. Es gibt teilweise hundert Spuren, die du dieses Mal hören kannst auf der neuen Platte. Das ist der reinste Irrsinn. Etwas was ich nie zuvor getan habe.

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