laut.de-Kritik

Heißer ist nur die Hölle!

Review von

Warum in den vergangenen 20 Jahren nicht einmal eingefleischte Fans einem Live-Album der Red Hot Chili Peppers entgegen fieberten, hat seinen Grund. Und jeder, der die Peppers schon einmal live gesehen hat, kennt ihn: Anthony Kiedis. Der Mann gehört fraglos zu den buntesten, bewegungsfreudigsten, keineswegs aber zu den begnadetsten Live-Performern im Rock-Zirkus. Töne fachgerecht auszuhalten, das muss bei Anthony nicht sein.

Was seine Band in den 90er Jahren an Live-Tracks auf Maxi-B-Seiten verramschte, muss sogar als echte Frechheit bezeichnet werden. Seither frage ich mich jedenfalls auf jeder Plattenbörse, wer zur Hölle sich nur für die Armada an Peppers-Live-Bootlegs interessiert. Nun, vermutlich viele, denn die Peppers sind mittlerweile sattelfester Mainstream und schon seit zwei Alben mit Gitarrero-Hero John Frusciante wieder vereint, was Grund genug für ein Coming Out darstellen sollte.

Und jenes geriet ausgesprochen mutig: "Live In Hyde Park" wurde vor vier Wochen (!) an drei Nächten auf der mächtigen Londoner Grünfläche vor 100.000 Menschen aufgenommen. Zeit für Overdubs scheint da wenig geblieben zu sein, was einerseits sympathisch, andererseits auch entlarvend ist. Doch um Kiedis zu entlasten, es ist überraschend selten schlimm mit seinem Vortrag: in "Universally Speaking" rettet Johns durchweg herzerwärmender Background-Gesang seine Schnitzer, "Fortune Faded", okay, ist schon recht hart, und bei "Parallel Universe" wird's richtig peinlich.

Doch selbst hier stellt sich eine verschworene Gemeinde aus drei Leuten hinter den Sänger, ein Groove Collective der besonderen Art, wahre Rhythm Kings eben: Flea, John Frusciante und Chad Smith. Egal, was das Triumvirat anstellt, sofort ist der Rock'n'Roll im Haus. Schon beim Intro, eigentlich nicht mehr als eine lockere Aufwärmübung, herrscht akuter Kopfnicker-Alarm. Die anschließenden Funkbomben "Can't Stop" und "Around The World" tun ihr Übriges. Heißer ist nur die Hölle! Gerade mit den Jam-Einlagen, Höhepunkte ihrer Shows, punktet das Trio meisterlich ("By The Way", "Purple Stain").

Die Freude begründet sich im Wesentlichen auch in der direkten Aufnahmequalität, die die Intensität eines Peppers-Livegigs beachtlich transportiert. Nur an der üppigen Trackauswahl, die natürlich vor allem die letzten zwei Studioalben umfasst, darf bemängelt werden, dass kein Oldie der Marke "Higher Ground" zum Zuge kommt und ausgerechnet das samtweiche "Venice Queen" fehlt, eines der mutigsten Peppers-Experimente der jüngsten Zeit.

Dafür lockt "Live In Hyde Park" mit zwei neuen Songs, die es zudem nicht auf ein neues Studioalbum schaffen, wie verlässliche Quellen beteuern. Ganz vorne liegt hier der Funk-Stober "Rolling Sly Stone", der von "Blood Sugar Sex Magik" stammen könnte, und somit musikalisch eher was mit Sly, als mit den Stones zu tun hat. "Leverage Of Space" geht mehr in die Pop-Richtung des letzten Albums, und zeigt Flea als wahren Heiligen an seinem Instrument.

Nur bei einem Song toppt er diese Leistung: "I Feel Love". Schon allein die Absurdität, dass sich eine Rockband an einem homoerotischen Disco-Hit der 70er Jahre versucht, ist einen Sonderapplaus wert. Und dann die Umsetzung: Flea slappt schneller als Giorgio Moroders Sequencerbeat, Smith spielt das Bassdrum- und Hi-Hat-Metronom und Frusciante jault einmal mehr wie Donna Summer in ihren besten Jahren. Demnächst vielleicht "Hypnotic Tango" von My Mine?

Gerade diese Stilvielfalt ist jedenfalls das Besondere an der Band, die mit "Brandy (You're a Fine Girl)" zudem einen süßen 70er Pop-Hit der längst vergessenen Formation Looking Glass vorstellt. Ansonsten: "Get On Top" und "Purple Stain" bersten live vor Energie, an Hitsongs wie "Californication", "Scar Tissue" und "Under The Bridge" gefallen vor allem Frusciantes abgewandelte Gitarrensoli. Insgesamt ist "Live In Hyde Park" ein durchaus hörenswertes Sound-Destillat der Londoner Chili-Parties. Den größten Wunsch erfüllte den Kaliforniern in diesen Nächten ohnehin der Support Act: neben den Chicks On Speed, die leider keine warmen Dankesworte von Flea erhielten, trat "the one and only" James Brown auf. Zu einem Duett konnte die Band den Godfather of Soul leider nicht überreden.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Can't Stop
  3. 3. Around The World
  4. 4. Scar Tissue
  5. 5. By The Way
  6. 6. Fortune Faded
  7. 7. I Feel Love
  8. 8. Otherside
  9. 9. Easily
  10. 10. Universally Speaking
  11. 11. Get On Top
  12. 12. Brandy
  13. 13. Don't Forget Me
  14. 14. Rolling Sly Stone
  1. 1. Throw Away Your Television
  2. 2. Leverage Of Space
  3. 3. Purple Stain
  4. 4. The Zephyr Song
  5. 5. Californication
  6. 6. Right On Time
  7. 7. Parallel Universe
  8. 8. Drum Homage Medley
  9. 9. Under The Bridge
  10. 10. Black Cross
  11. 11. Flea's Trumpet Treated by John
  12. 12. Give It Away

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