11. April 2017

"Ich bin kein Gegner von Erotik im Rap"

Interview geführt von

Mit dem zweiten Album im Gepäck geht Rec-Z auf Tour. Kurz vor dem Startschuss erzählt er noch einmal ausgiebig, unter anderem vom Ruf als VBT-Rapper, den man schlecht wieder los wird, von angedachten Namenswechseln, von der Liebe zu Rap und von Erotik, Kannibalen und Katzen.

Rec-Z macht sich auf, um neue Hörerschaften zu erschließen. Anfang März veröffentlichte er nach knapp vier Jahren Pause sein zweites Album "Marke Eigenbau". Danach gilt es, das neue Material in seiner ersten Solotournee an den Mann zu bringen.

Den Auftakt macht er mit einem Auftritt im Düsseldorfer The Tube. In Begleitung seines Backgroundsängers und Gitarristen Leon Kaack breitet er seine atmosphärischen Songs vor einem exklusiven Publikum aus. Dabei versucht er gar nicht erst, im Stile zahlreicher Kollegen, an der biergeschwängerten Eskalationsspirale zu drehen. Ein guter Whiskey erscheint viel mehr wie das passende begleitende Genussmittel für diesen Abend. Doch bevor Rec-Z die Bühne betritt, steht er in einem kleinen Backstage-Raum der Location zum Interview bereit. Ein Gespräch über Arbeitsweisen als Kontrollfreak, über Konkurrenzkampf von der Steinzeit bis zur heutigen Hip Hop-Szene und über Katzen.

Du warst vom Text bis zur Abmischung Hauptakteur aller Produktionsschritte. Nun feierst du deinen Tourneeauftakt in Düsseldorf. Welche Rolle spielt es für dich, das Album live vor Publikum zu präsentieren?

Das war mir schon bei der Produktion ein ganz wichtiger Aspekt, dass ich darauf achte, dass es livetauglich ist. Das heißt bei mir in erster Linie: Ich schreibe nicht so, dass ich beim Aufnehmen 1.000 Einsätze brauche und immer wieder neue Takes machen muss, sondern schon so, dass ich die Parts auch gut durchrappen kann. Ich achte auch teilweise bei den Part- und Hookübergängen, dass da ein bisschen Platz ist und dass das fließend ineinander übergeht. Vor allem bei der Produktion haben wir stark darauf geachtet, dass die Beats Druck haben. Bei meinem Vorgängeralbum sind so ein paar Dinger dabei, die etwas ruhiger sind. Die Tracks sind etwas melancholischer und dadurch manchmal ein bisschen schwergängig, live. Wir haben jetzt auch bei den melancholischen Sachen versucht, irgendwie ein Element einzubauen, das den Track doch noch etwas nach vorne bringt. Beispielsweise bei "Geisterfahrer" ist es so, dass der sehr tief geht, aber auch untenrum viel Druck hat, nach vorne geht und am Ende noch diesen Dubstep-Teil hat, wo nochmal so richtig Alarm kommt. Livetauglichkeit steht bei mir schon im Fokus.

Bist du auch gespannt auf die Resonanz der Fans?

Total, auf jeden Fall. Düsseldorf ist natürlich heute eine kleine Generalprobe, je nachdem, wie viel Publikum am Start ist. Aber vor allen Dingen, wenn es Richtung Hamburg und Hannover geht, weil das ein bisschen mehr mein Einzugskreis ist, wo ich mehr Leute erreiche. Da freue ich mich natürlich richtig auf die Shows. Aber das heißt jetzt nicht, dass heute die Show minderwertig ist. Ist natürlich eine spannende Sache, weil es der erste Termin ist.

Dir ist wichtig, den Großteil der Arbeit selbst zu übernehmen. Besteht Interesse deinerseits, dich auf deine Kernkompetenz zu konzentrieren und vielleicht Aufgaben an ein größeres Label abzugeben?

Ich glaube, ich würde in jeder Hinsicht mit mir reden lassen, aber ich bin ein Typ der auf jeden Fall mit Leuten arbeiten möchte, mit denen ich menschlich gut klar komme. Deswegen habe ich so ein kleines Team. Nicht irgendwelche Leute, die Service oder Dienstleistungen für mich machen, sondern das ist schon alles sehr familiär. Wenn ich jetzt merke, dass das Album so Anklang findet, dass es mehr nach vorne geht: In Bereichen, wo ich weiß, dass der und der etwas gut übernehmen kann, beispielsweise im Videobereich oder wenn es um das Mastering geht, wäre ich bereit, was abzugeben. Aber bei mir schwingt immer der Unterton mit, dass es für mich schwer ist, Sachen abzugeben. Ich habe gerne selbst in der Hand, was ich an die Öffentlichkeit gebe, wie meine Musik klingt und wie ich nach außen wirke.

Du hast dich von deinen Anfängen als Battle-Rapper größtmöglich distanziert. Deine VBT-Beiträge hast du sogar löschen lassen. Dennoch kommt immer wieder der Vorwurf "YouTube-Rapper" oder "Zielgruppe VBT". Fühlst du dich wegen dieser Zeit stigmatisiert?

Schon ein bisschen. Schade finde ich daran, dass es im Endeffekt nicht stimmt. Ich habe 2005 angefangen, Musik zu machen. Was ich damals geschrieben habe, war ganz weit entfernt von Battle-Rap. Das waren anfangs Gedichte, die ich irgendwann versucht habe, in Musik umzusetzen, ganz stümperhaft und schlecht. Aber das war noch gar nicht in dem Battle-Kontext. Ich habe um 2007 die ersten Online-Battles auf Hiphopbattles.com gemacht. Das war eine richtig coole Plattform, die ähnlich wie die RBA funktioniert hat, aber ein bisschen cooler umgesetzt. Die gibt es mittlerweile gar nicht mehr. Da bin ich in den Battle-Aspekt reingekommen und 2008 natürlich verstärkt durch das VBT, wo ich aus Spaß teilgenommen habe, dann in den Bann gezogen wurde und es durchgezogen habe. Ich sehe das ein bisschen als Trainingsphase, die ich durchlebt habe. Für mich war es, wie ein Battle vom Charakter und Grundgedanken her ist, sehr sportlich und ein Aspekt, wo man sich als Musiker oder Rapper weiterentwickeln kann. In anderen Musikgenres gibt es sowas ja im Prinzip in der Form nicht. Es hat mir im Endeffekt etwas gebracht. Ich bin nicht traurig, dass ich diese Zeit durchlebt habe. Ich habe da viel gelernt, aber im Endeffekt habe ich parallel immer Songs gemacht, habe immer über Gott und die Welt geredet und auch Sachen veröffentlicht. Die haben aber nie den Anklang gefunden wie die Plattform VBT. Deswegen ist diese Reduzierung nicht ganz zu Ende gedacht. Die Leute haben sich dann nicht wirklich mit meiner Musik davor beschäftigt.

Es tut sich eine große Kluft auf zwischen der Zielgruppe, die du anvisierst und den Leuten, die dich eigentlich kennen. King Eazy meinte, er sei froh, dass er damals früh ausgeschieden sei, da das, was er musikalisch jetzt macht, kein Battle-Rap ist und er darauf nicht beschränkt sein möchte.

Ich sehe das gar nicht so eng. Ich glaube auch, dass mein aktuelles Album ganz unterschiedliche Musik ist. Ich finde gar nicht, dass ich eine Richtung mache. Das habe ich einigen Gesprächen festgestellt. Leute haben es erwähnt, und ich habe es selber betont und reflektiert. Wenn man selber geschmacklich in verschiedene Richtungen geht, ist es gerade dadurch schwierig, sich eine Fanbase aufzubauen. Ich sehe es nicht als Testen, so dass ich austesten würde, was mir am besten liegt, da ich gar nicht nach einer Richtung suche, die mir am besten liegt, wo ich sagen würde, ich mache nur noch Songs in dieser Richtung, wo ich Herzschmerz oder sowas unterbringe. Aber gleichermaßen weiß ich auch, dass Leute einen in eine Schublade packen wollen und mit dem Bild eines Rappers etwas assoziieren wollen, was fest zu dem gehört. Bei mir ist vielleicht das Merkmal die Stimme, aber thematisch bin ich vielfältig unterwegs. Das ist einerseits für mich schön, mir macht das Spaß. Aber andererseits auch schwierig, was die Hörerschaft betrifft.

Warum keine Namensänderung für den Neuanfang?

Darüber habe ich mit Visa Vie gesprochen. Die war diejenige, die sehr darauf herumgeritten ist, aber ich fand es auch cool, sie hat es sehr charmant ausgedrückt. Klar, darüber könnte man nachdenken. Diesen Namen habe ich seit ungefähr zwölf Jahren. Den habe ich nie richtig reflektiert. Der wurde mir von einem Kumpel in der Schulzeit gegeben, als wir angefangen haben, die ersten Texte aufzukritzeln. Mittlerweile klingt der so maschinell und so technisch. Und gar nicht so authentisch, obwohl meine Musik ja authentisch ist. Ich habe schon häufiger darüber nachgedacht, aber wenn ich es machen würde, dann mit einem neuen Album. Ein neues Album am Start haben und kurz davor bekanntgeben, ich bin jetzt nicht mehr Rec-Z (lacht). Ich bin jetzt der und der und das ist mein neues Album. Es müsste so ein Bäm-Effekt sein für die Namensänderung. Und das würde ich auch gar nicht groß begründen. Ich würde dann gar nicht sagen, ich fand den Namen scheiße, sondern das ist mein neuer Name. Aber ich habe jetzt noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht.

Als wir dein Album bekommen haben, war uns nicht mal klar wie man den Namen überhaupt ausspricht.

Ja, ist auch nicht klar, weil im Prinzip impliziert der Name, dass man ihn englisch aussprechen muss. Also Rec-Z wie Jay-Z, daran erinnert es sofort. Aber wie es im Wikipedia-Artikel formuliert steht, ist es richtig. Das kommt über "record" und dadurch, dass ich Latein in der Schule hatte und "rex" König heißt. Aber es gibt glaube ich in der Musiklandschaft noch viele andere Namen, die vielleicht überdacht werden können. Ich bin nicht der einzige, der so einen Namen trägt.

In "Prototypen" setzt du zum Rundumschlag gegen die Auswüchse der Hip Hop-Szene an. Der durchschnittliche Rap-Hörer liebt es, wenn Namen fallen. Darauf verzichtest du komplett. Ist dir deine Musik für Promo-Beef zu wichtig?

Ich streite nicht gerne. Auch wenn ich mit jemanden einen privaten Konflikt habe, versuche ich, das so schnell wie möglich zu versöhnen. Früher war ich es vielleicht in dieser Battle-Phase, aber ich bin nicht streitlustig und will irgendwelche Sticheleien raushauen. Ich weiß, dass das manchmal im Rap vor allen Dingen eine ganz schön potente Wirkung für die Musik haben kann, aber das ist nicht mein Aspekt, darauf aus zu sein. "Prototypen" ist auf jeden Fall ein zweischneidiges Schwert, weil ich einerseits darüber rappe, dass Rapper zu Maschinen werden, ich aber selber eine maschinelle Betonung in dem Track habe und ein bisschen diese Trap-Schiene nachforme, ein bisschen in die Richtung Trap gehe, aber andererseits das Gleiche kritisiere. Das heißt im Prinzip von meiner Position aus, ich finde manche Entwicklung bedenklich oder nicht so cool, aber stecke zum anderen Teil auch selbst mit drin und manche Sachen wirken auf mich doch schön und ich finde es doch cool. Eigentlich ist der Track mit einem Augenzwinkern.

Was gefällt dir auf der anderen Seite besonders gut an der Hip Hop-Szene?

Das ist eine krasse Frage. Ich bin von Grund auf ein Texthörer, wenn es um Rap-Musik geht. Das merkt man, glaube ich, auch an meiner Musik. Bei mir steht der Text ganz vorne. Ich kenne ganz viele Leute, die wenn sie generell Musik oder Rap hören, in erster Linie auf den Beat hören. Wie ist der Groove? Feiert man den Beat? Aber bei mir geht es voll auf die Lyrics. Ich bin totaler Lyric-Fan, deswegen ist diese Musikrichtung für mich so besonders. Es gibt keine andere Musikrichtung, in der du mit einem Track so viel sagen kannst, so viele Silben, so viele Worte unterbringen kannst. Auch technisch, was man mit Reimen anstellen kann, mit irgendwelchen Stilmitteln und so weiter, das fasziniert mich. Deswegen höre ich auch privat nicht nur, aber ganz viel Musik, die lyrisch anspruchsvoll ist. Es muss gar unbedingt nicht vom inhaltlichen Niveau sein, sondern von der Rap-Technik. Es kann auch Fick-deine-Mutter-Rap sein, aber trotzdem auf einem technisch krassen Niveau.

Welche Rapper oder allgemein andere Musiker wären deine Wunsch-Features?

Sowas finde ich ganz schwer bekanntzugeben, weil man sich da ein bisschen bloß stellt. Wenn es dann nie stattfindet, ist es so traurig. Eine Sache kann ich nennen, weil wir uns auch schon ein paar Mal persönlich begegnet sind und schon das eine oder andere Gespräch geführt haben: Ich bin seit jeher ein großer MoTrip-Fan. Auch schon vor der Zeit als er richtig abgegangen ist und auf einmal alle ein MoTrip-Feature hatten. Er hat ja sehr viel gefeaturet, ich finde das cool. Topp, was er an Tracks gemacht hat. Für das Album war es schon ein Wunsch-Feature, aber aus meiner Position heraus ist es relativ schwierig, an Leute heranzukommen. Meine Reichweite ist wirklich noch relativ beschränkt. Ich bin auch nicht der Typ, der jemanden ganz direkt fragt: Wollen wir nicht mal einen Track machen? Da bin ich sehr zurückhaltend, ich will auch keine Ansprüche stellen oder jemanden in eine Lage bringen, in der er mir absagen muss. Ich glaube, ich habe was das angeht, ein bisschen Schiss. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst oft angefragt werde. Ich kriege häufig Feature-Anfragen, und wenn ich dann gerade auf meine eigenen Projekte konzentriert bin, muss ich da halt Absagen erteilen. Vielleicht würde ich es sogar gerne machen, aber bei mir steht gerade das und das im Fokus. Aber ich habe jetzt wenigstens einen genannt, ich habe mich getraut (lacht).

"Ich mag es nicht, etwas schon Dagewesenes zu machen"

In deiner ersten Video-Single "Vampire" preist du das Nachtleben. Ist das deine bevorzugte Tageszeit?

Gar nicht unbedingt. Vielleicht war es das mal. Ich hatte meine wilden Jahre, aber im Moment gehe ich ganz gutbürgerlich meistens vor 0:00 Uhr ins Bett (lacht). Den Track "Vampire" sehe ich als Film. Was da erzählt wird, ist für mich eine Geschichte oder Story, die für den Hörer verschieden wahrgenommen werden kann. Was ich da verarbeite oder in den Track reinstecke, ist im Prinzip die Rap-Szene und besonders die Untergrund-Rap-Szene, wo vielleicht nicht alles im Spotlight stattfindet, sondern im Düsteren, vielleicht in so einem kleinen Backstage-Keller wie hier. Und wo dann 20 Leute vor der Bühne stehen und das so eine kleine, eingeschworene Untergrund-Szene ist, im übertragenen Sinne eine Gang. Ich habe schon mit ein paar Leuten über den Song gesprochen, die meine Intention gar nicht kannten und die haben auch andere Sachen damit verbunden. Ich habe versucht, es so zu schreiben, dass man gar nicht unbedingt sofort den Bezug zur Musik haben muss, sondern dass es auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl von einer leicht düster angehauchten Gruppe ist. Ich habe im ersten Part ganz leichte Musikbezüge. Da kommen Snare- und Kick-Schläge, also leichte Sachen, die in Richtung Rap hinweisen, aber es ist grundlegend sehr allgemein gehalten.

"Katze" spielt sich zum Großteil auch nachts ab. Die zweideutigen Beschreibungen verweisen auf eine selbstbewusste, sexuell selbstbestimmte Frau. Was war der Hintergedanke bei dem Song?

Erstmal muss ich mich outen: Ich bin ein ganz großer Katzen-Fan. Ich mag sowieso Tiere sehr gerne, bin sehr tierlieb. Katzen ihre Anmut, wie sie sich bewegen und was man für eine Beziehung zu einer Katze aufbauen kann, als Mensch, das fasziniert mich total. Wir haben immer Katzen gehabt, meine Eltern hatten immer eine Katze. Leider habe ich im Moment keine Katze, weil ich in der Stadt wohne. Was ich immer cool finde ist, wenn man in einem Song verschiedene Ebenen schafft. Ich beschreibe eine Katze, ihre Lebensweise, ihr Verhalten. Und wenn du es schaffst, das genauso zu formulieren, dass es zu einer Katze passt, aber noch auf einer anderen Ebene funktionieren kann, und dass man sich da auch eine Frau vorstellen kann, dann ist der Song alleine durch diese Raffinesse gelungen. Das hat mir richtig Spaß gemacht in dem Track, war auch teilweise nicht so einfach. Aber im Endeffekt, weil ich mich selber schon so viel mit Katzen beschäftigt habe, war es gar nicht so schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich musste das eigentlich nur zusammenpuzzeln. Mir ist dann tatsächlich, als mein Text schon stand, von irgendwem gesagt worden, Namika hat auch so einen Song. Namika macht genau das Gleiche wie du. Dann habe ich erstmal gedacht: Fuck, kann doch nicht sein. Dann habe ich mir den Track von Namika angehört. Ich glaube, der heißt "Coole Katze". Sie macht das aber anders. Erstmal ist es ein anderer Blickwinkel, weil sie die Eigenschaften einer Katze auf sich überträgt. Sie ist dann die coole Katze. So habe ich es wahrgenommen. Und sie benutzt andere Wörter, sie hat eine ganz andere Lyrik. Vielleicht sind Katzen auch so vielfältig, dass man ganz verschiedene Eigenschaften rausziehen und auf den Menschen übertragen kann. Meiner klingt eher so, dass ich eine Frau oder eine Katze verehre und sie mit ihren schönen Eigenschaften beschreibe. Auch wenn manchmal Kleinigkeiten in die Richtung gehen, dass da auch Ecken und Kanten sind an einer Katze oder einem Menschen. Mein Song ist anders als der von Namika, deswegen habe ich ihn trotzdem gemacht. Ich mag es nicht, wenn man etwas sehr Ähnliches macht, was schon mal dagewesen ist.

Fehlt es dem Rap an Erotik, wie sie etwa im Jazz zu finden ist?

Im Rap ist es wenn dann diese plumpe … Ich glaube, das kann man gar nicht Erotik, sondern Sexismus nennen. Ich vermisse keine Erotik im Rap. Ich bin kein Rezipient, der Erotik in einem Rap-Sog braucht. Aber wenn es reinpasst, und da ließ es sich gut unterbringen, bin ich auch kein Gegner von Erotik im Rap.

In "Kannibalen" stellst du die These auf, der Mensch habe sich seit der Steinzeit nicht geändert. Woran machst du das fest?

Das ist für mich an dem Aufhänger Ellenbogengesellschaft angesetzt. Wir sind alle mehr auf unser Ziel fixiert, haben Scheuklappen auf, helfen uns gegenseitig nicht mehr so viel. Dieser Gedanke ließ sich für mich super in dieses Neandertaler-Korsett reinbringen. Obwohl sicherlich die Neandertaler auch damals, als sie in ihren Stämmen gelebt haben, sich gegenseitig unterstützt haben. Kannibalismus ist dann auch ein cooles Symbol. Sich gegenseitig auffressen kann auch übertragen gesehen werden. Mir geht es da schon um gesellschaftliche Beziehungen, wie ich sie momentan teilweise sehe.

Würdest du sagen, dass die Auswüchse des Neoliberalismus dieser natürlichen Kannibalisierung entsprechen oder Folge davon sind?

Eventuell, aber ich glaube, es ist ganz schwer festzumachen, woher dieser Trend kommt. Vielleicht bin ich auch noch gar nicht lange genug auf der Welt, um zu sagen, dass es überhaupt ein aktueller Trend ist. Also, dass sich etwas verschlechtert oder entwickelt hat in meinen 30 Jahren, weil du deine Welt eigentlich erst, wenn du erwachsen wirst, so vielfältig wahrnimmst wie sie auch ist und anfängst, das alles zu reflektieren. Aber für mich ist es der Status Quo.

Was hält die Gesellschaft dennoch am Laufen?

In meinem Song ist es im Prinzip der Wettkampf, der die Gesellschaft am Laufen hält. Das Streben danach, stärker, vielleicht gewalttätiger als der andere zu sein. Also immer einen neuen Trumpf zu setzen. Aber der Gegenpol ist die Seite, für die ich bin, dass man sich gegenseitig hilft, sich unterstützt. Das sind wahrscheinlich zwei Pole, die im Moment häufig diskutiert werden und aufeinander treffen.

Du bist schon an Politik interessiert, oder?

Würde ich nicht so sagen. Ich glaube, ich bin gesellschaftlich interessiert. Ich bin an Menschen und einzelnen Schicksalen interessiert. Aber ich kann dir keine Parteiprogramme oder irgendwelche Politiker aufzählen. Da bin ich ganz schlecht, weil Politik für mich nicht wirklich greifbar ist. Ich finde das, was ich selbst direkt miterlebe, was ich an Menschen sehe, ist das, was mich erreicht und was ich reflektiere, aber ich beschäftige mich nicht aktiv mit Politik, wie man sie im Fernsehen sieht.

"Es gibt Leute, die kennen ihr Talent gar nicht"

"Wir sind uns meistens der Begabung nicht bewusst und verschenken viele Jahre in den Straßen oder Clubs. Schöpfen so die wahren Potenziale kaum mehr aus und tragen große Taten lieber als Zitate auf der Haut." Warum kennen viele Menschen deiner Meinung nach ihr Potenzial nicht?

Ich glaube, weil wir faul sind. Wenn wir eine Richtung gefunden haben, die uns zufrieden stellt. Beispielsweise gehen wir jedes Wochenende feiern, trinken uns vorher schön einen in die Birne und haben dann ein geiles Wochenende. Dann tendieren wir nicht dazu, sowas zu ändern oder zu sagen: Vielleicht sollte ich mich am Wochenende mal daran setzen, irgendetwas Geiles zu designen oder Musik zu machen. Ich glaube, wenn wir was gefunden haben, was annähernd gut funktioniert und wo wir reinpassen, dann tendieren wir nicht dazu, viele andere Sachen auszuprobieren und zu gucken, wo unsere Talente liegen. Ich habe selber im Jugendalter ganz viel Zeit in Clubs verbracht, auch viel getrunken, viel gefeiert. Nicht übermäßig viel, aber für mich kam es so rüber, als wäre das normal, weil es in meinem Freundeskreis so passiert ist. Aber genau das meine ich auch, wenn man in so einer Blase ist, in so einer bestimmten Gruppe, und gar nicht mehr kreativ ist, sondern nur noch konsumiert. Für mich ist das Konsumieren, wenn du in die Disko gehst, dich beschallen lässt, da ein bisschen herumtanzt, dich vor irgendwelchen Mädels durch dein Gepose profilierst. Dann schaffst du ja nicht wirklich irgendwas, sondern du bist Teil von einer Maschinerie. Für mich war Musik, auch wenn ich dadurch viele Stunden alleine verbracht habe und sehr viel in meinem Kämmerchen gehockt habe, ein Punkt, der mich davon ziemlich abgelenkt hat. Es gab eine Zeit, wo meine ganzen Kumpels feiern gegangen sind, und ich einfach zu Hause war und Texte geschrieben habe. Und die erstmal gar nicht verstanden haben, was ich da eigentlich so mache. Aber ich war dann auch sehr zufrieden, wenn ich etwas geschaffen hatte.

Würdest du sagen, dass es auf der anderen Seite an Förderung fehlt? Die Menschen müssen erst wissen, was sie können, und brauchen jemanden, der sie an die Hand nimmt?

Das merke ich, wenn es um Musik geht relativ häufig, in meinen Workshops. Ich gebe Workshops im Bereich Rap. Da kommen ganz häufig Leute, die vielleicht auch von ihren Eltern angemeldet wurden oder sich noch gar nicht groß mit Rap beschäftigt haben, und die liefern da teilweise ab, das glaubst du gar nicht. Bei mir ist es so, ich musste ewig lange üben und arbeiten, bis ich überhaupt Taktgefühl hatte. Es gibt wirklich Leute, denen ist es in die Kinderschuhe gesteckt und die kennen ihr Talent in dem Sinne gar nicht. Ich finds cool, wenn man in seiner Jugendzeit ein bisschen was ausprobiert, ein bisschen guckt, in welche Richtung gehen eigentlich meine Fähigkeiten. Bei mir war das so, dass zum Beispiel ein handwerkliches Geschick durch meine Eltern beigebracht wurde. Davon profitiere ich heute total. Wenn es um die Einrichtung einer Wohnung geht, brauchen viele Menschen einen, der ihnen die Rollos aufhängt, einen, der im Badezimmer die Fliesen legt.

Das kannst du alles?

Okay, ich will mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber ich kann auf jeden Fall ein paar Sachen, und das habe ich nur meinen Eltern zu verdanken. Das ist ja im Prinzip auch Förderung. Das ist natürlich davon abhängig, was die Eltern selber beruflich machen und in welche Richtung du in deiner Jugendzeit gelenkt wirst, aber wenn deine Eltern sich mit dir vernünftig beschäftigen und ein bisschen dein Talent ausloten und dir auf deinen Lebensweg schon mitgegeben haben, dass du verschiedene Sachen relativ schnell lernen kannst und Talente hast. Es greift schon in Erziehung mit ein.

Du hast also bislang keine Potenziale liegen gelassen?

Ne, das würde ich auf keinen Fall sagen. In mir ist zum Beispiel ein Leichtathlet verloren gegangen. Ich habe früher Leichtathletik gemacht, und man hat als Jugendlicher auch mal Phasen, wo man gar nicht auf das Bock hat, was die Eltern wollen. Das war bei mir genau die Phase. Ich war relativ erfolgreich in Leichtathletik, habe es aber, glaube ich, nur zwei oder drei Jahre gemacht. Es hat mich irgendwie nicht erfüllt, aber ich habe da Erfolge gesammelt und ich glaube, ich hätte auch Potenzial gehabt, wenn ich da weitergemacht hätte, vielleicht ein bisschen mehr in dem Bereich zu schaffen. Aber nein, ich habe halt lieber Fußball gespielt wie meine Freunde. Ich bin dann in einen Fußballverein gegangen. Man kann es auch ein bisschen nachvollziehen, weil alle meine Kumpels Fußball gespielt haben, und keiner hat Leichtathletik gemacht. Beim Fußball habe ich es aber nie zu besonderem Erfolg gebracht. Es hat ganz gut funktioniert, habe das auch zehn Jahre lang gemacht, aber das war nicht mein Talent. Da bin ich vom Talentweg abgebogen, weil ich einfach peergroupmäßig das gemacht habe, was meine Jungs gemacht haben.

Welche großen Taten stehen noch an?

Ganz, ganz schwer. Mein Steckenpferd, was ich im Moment sehr gerne mache, was sich natürlich auch aus meiner eigenen Musik entwickelt hat, ist Produzieren. Dass heißt, nicht Instrumentals produzieren, sondern eher Leute aufnehmen, mischen, mastern, also: die Musik formen. Ich habe mein eigenes Studio, habe auch ein Gewerbe angemeldet, es läuft auch offiziell. Ich habe hin und wieder Gäste zum Recorden oder Leute, die online was herüberschicken, was ich mixe und mastere. Das ist schon eine Sache, die mich sehr erfüllt und was mir auch eine gute Abwechslung gibt zum selber Musikmachen. Ich weiß aber, dass es schwer ist, in dem Bereich Geld zu verdienen, und ich fange natürlich auch, weil ich das gerade erst gewerblich anbiete, relativ unten an und mache das, ohne groß Werbung zu machen. Ich werde die Richtung auf jeden Fall weiter verfolgen. Ein Kumpel, der beispielsweise "Stimme" und "Vampire" mit mir zusammen gedreht hat, hat auch eine kleine Firma am Laufen. Er ist Fotograf und Videomacher. Wir ergänzen uns ganz gut, weil ich die Audioschiene mache. Wir haben jetzt schon das eine oder andere Projekt zusammen gemacht, wo Video und Audio zusammenfielen. Das geht in Bereiche wie Imagefilm, natürlich auch Musikvideos für andere Künstler, und auch viele Firmen, die auf uns zukommen und kleine Clips brauchen. Das liegt mir und dazu habe ich Bock. Was ich daran cool finde ist, dass du zwar wie im normalen Arbeitsleben relativ strikte Vorgaben hast. Aber du hast auch die andere Seite, die auch sehr groß ist in dieser Branche, die du selber formen kannst, wo du kreativ bist.

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