5. November 2009

"Ich sehe mich nicht als Jazzerin"

Interview geführt von

Sanft, verträumt und sinnlich wirkt die Norwegerin auf viele Fans und Bewunderer. Und so präsentiert sich Rebekka auch im Interview mit laut.de - inclusive einer großen Portion Selbstbewusstsein.Es war ein langer Tag für Rebekka Bakken. Von möglichem Überdruss in Sachen Medienarbeit oder Müdigkeit aber keine Spur bei der Künstlerin: die Begrüßung fällt höflich und freundlich aus. Rebekka ist ganz in weiß gekleidet, mit elegantem Oberteil, die Hände versenkt sie in in ein heimeliges Fell - oder tierschutzgerecht, wie ich vermute, einem Imitat. Sie strahlt sehr viel innere Ruhe aus, und nach einem lockeren Bekanntmachen starten wir unsere Unterhaltung.

Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit Craig Street?

Das war eigentlich ein Einfall meiner Plattenfirma. Wir hatten gemeinsam im Vorlauf mehrere Ideen, und das war eindeutig die beste davon. Universal kontaktierte dann Craig für mich, und er sagte sofort zu. Bei unserem ersten persönlichen Zusammentreffen spürten wir rasch, dass wir zusammenpassen. Es dreht sich dabei besonders um die Art, wie man Musik spürt und fühlt.

Obwohl wir natürlich zwei sehr unterschiedliche Menschen sind, funktionierten die ganz wichtigen Gefühlsebenen für diesen Bereich. In vielerlei Hinsicht hatten wir dieselben Vorgaben und Gedanken, wie die Zusammenarbeit auszusehen hat. Und Vertrauen muss da sein, wenn man sich in andere Hände begibt, Vertrauen ist ohnehin sehr wichtig für mich. Wir haben uns zusammengesetzt, Musik gehört und über Musik gesprochen - und unsere ganz eigenen Sichtweisen darüber ausgetauscht. Denn das ist bei jedem Menschen anders: wie du Musik empfindest, sich von ihr leiten und tragen lässt.

Fühlst du dich in irgendeiner Weise geehrt, dass sich der Erfolgsproduzent von z. B. Norah Jones für dich entschieden hatte?

Nein. Denn das war etwas, was ja nichts mit mir zu tun hatte, und wir hatten eine völlig eigene, neue Situation. Die Dinge vor mir waren alle bereits abgeschlossen und hatten so keinerlei Einfluss auf unser gemeinsames Projekt. Ich halte mich nicht gerne mit bereits erledigten Dingen auf. Das, was Craig vorher gemacht hat, hatte also keinen besonderen Einfluss auf unsere Arbeit, da war mehr die Neugierde, was nun kommen würde. Ich schätze ihn und seine Kunst, aber es war von Anfang an eine Begegnung auf Augenhöhe.

"Morning Hours" ist das erste Album, das du komplett in Amerika aufgenommen hast. Und durch die Zusammenarbeit mit Craig sind auch eine Menge neuer Einflüsse der dortigen Stile - ich spreche jetzt von Country und Folk - hinzugekommen. War es für dich eine Art Neuland, damit zu arbeiten?

Was mich dabei im Rückblick am meisten beeindruckte ist, wie leicht es war! Und wie meine Songs jetzt klingen. Ich kam durch unser Miteinander dem, was ich als 'Wahrheit eines Songs' bezeichne, oft näher als bei früheren Alben. Wir haben mit unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet, die natürlich jeder für sich etwas ganz Neues, Eigenes mit eingebracht haben. Für mich gilt: da ist nichts zwischen mir und mein Liedern - sie sind ich.

Sie stehen für mich und das, was ich denke und fühle, ohne dass sie nun unbedingt autobiografisch sind. Das steht in diesem Falle auch für die Zusammenarbeit mit unseren Mitmusikern: da war viel Neues, aber nichts Fremdes. Es fühlte sich einfach gut an. Das ist das Spannende daran, wenn man neue Wege erkundet. Sich anderen gegenüber zu öffnen ist etwas sehr Privates, sogar Intimes.

Was persönlich bedeuten die titelgebenden Morgenstunden für dich und deine Empfindungen?

Ich mag diese Stunden des anbrechenden Tages. Sie sind so ruhig und friedvoll. Und du selbst bist ebenfalls noch rein und frisch, fast unschuldig. Dein Kopf ist noch nicht so überfüllt mit all diesen wichtigen und unwichtigen Sachen, die dich vielleicht den Rest des Tages über belasten. Es herrscht eine verzauberte Atmosphäre, und man sieht und fühlt ganz andere, eigene Dinge, entwickelt neue Ideen. Irgendwie ist es auch wie ein Urzustand, eine Rückkehr an den Anfang.

"Ich bin ein sehr gefühlsbetonter Mensch"

Du bist damals direkt aus Skandinavien in die Staaten nach New York gezogen, wo du einige Jahre gelebt hast. Hatte das nicht irgendwie eine Art von Kulturschock zur Folge, so einfach heraus aus dem beschaulichen Europa?

Es war kein Kulturschock in dem Sinne, es war mehr ein Schock, wie all diese bislang erlernten und angewendeten Regeln nicht mehr gültig waren. Du wächst in einem althergebrachten familiären Bund auf und plötzlich wird alles auf den Kopf gestellt. Du musst lernen, dich neu einzufügen, aber gerade das bedeutete auch eine unglaubliche Bereicherung der eigenen Erfahrungen, Betrachtungen und Lebensweisen. Zunächst hatte ich auch nichts, an das ich mich hätte anlehnen können, was ich eigentlich brauche. Ich muss mich mit etwas identifizieren können und das musste ich erst einmal finden. Und auch mich selbst, denn ich war schließlich noch in einer besonderen Entwicklungsphase.

Wenn du beginnst, das Leben wirklich und wahrhaftig zu schmecken, ist das einfach fantastisch. All diese Dinge, die man neu entdeckt, und von denen man vorher keine Ahnung hatte. Und dann natürlich die Möglichkeiten, Musik zu entdecken! Es war kein Vergleich zu vorher in Norwegen. Ich konnte hingehen, wohin ich wollte, und überall geschah etwas, waren Künstler, war Musik um mich herum. Ich habe diese Sachen förmlich in mich aufgesogen, ich war hungrig, und hier bekam ich das erste Mal in meinem Leben im übertragenen Sinne genug zu essen. (schmunzelt)

Gab es einen speziellen Grund, warum du danach nach Wien übergesiedelt bist?

Nein. Das war mehr eine Sache des Fühlens - ich entscheide nicht unbedingt nach rationalen Gesichtspunkten. Ich bin ein Mensch, der in sich hinein hört und sich vor allem von seinen Emotionen und Empfindungen leiten lässt. Etwas in mir sagte, die Zeit wäre reif für eine Veränderung und Wien schien der geeignete Ort! Mehr noch: Der perfekte Ort für meine Weiterentwicklung. Ich mache einfach etwas, und ich hinterfrage die Entscheidungen nicht, egal, was es bringen mag. Wichtig ist: tue etwas! Es war ein wenig wie Heimkommen, diese Rückkehr nach Europa, was ich nach der Zeit in New York sehr brauchte.

Du flechtest in deine Antworten gern mal einen deutschen Begriff ein. Wie ist das überhaupt, in Norwegen sprichst du norwegisch, in den USA englisch, wie ist es in Österreich? Da sprichst du deutsch?

Nein. Ich verfüge nur über ein schlichtes Einkaufsdeutsch, das ich dort benutze! (lacht) Aber Deutsch, auch wenn ich es so gut wie gar nicht beherrsche, fasziniert mich. Es ist eine sehr poetische und auch prosaische Sprache, voll von Emotionen und Gefühlen, da weckt der Klang viele aufregende Assoziationen in mir. Es erscheint mir oft auch sehr elegant, was Satzkonstruktionen und Aufbau angeht. Aber auch das ist eine Entdeckungsreise, die noch lange nicht zu Ende ist.

"Ich bin keine Jazzerin"

Skandinavische Sängerinnen besäßen, so eine vorherrschende Auffassung, eine besondere Art, einen besonderen Zauber, was ihre Kunst angeht, Künstlerinnen wie etwa Björk oder Sophie Zelmani. Woran, meinst du, liegt das? Gibt es überhaupt einen speziellen Skandinavien-Touch?

Ich glaube, der existiert gar nicht! Woher und warum auch? Warum soll diese Region etwas besonders Ungewöhnliches hervorbringen? Das findest du auch in sämtlichen anderen Ländern, ob in den USA, Brasilien, Deutschland, Griechenland und so weiter. Das wohl eher eine Erfindung der Medien. Gehe wohin du willst: überall entdeckst du großartige Sänger und Sängerinnen, und das ist nie an ein Land oder eine Region gebunden. Entscheidend ist, ob es gut ist, die Menschen berührt und bewegt. Und das findest du in den großen Schmelztiegeln der Kontinente ebenso wie wie in einem kleinen, vergessenen Ort am Rande der Welt.

In der Künstler-Biographie auf unserer Website zu dir steht - in Hinblick auf deine Entscheidung, in die Staaten zu gehen - der Satz: "Was für ein Schock war es, als niemand anrief, um mich zum Star zu machen". Ist das richtig recherchiert, und stimmt diese Aussage?

(schmunzelt) Nun, es nicht gänzlich aus dem Kontext gerissen. "Don't promote yourself!", das war eine Weisheit, der ich damals nachhing. Ich habe das also nicht getan, und so kam natürlich auch nie ein Anruf. Das Ganze muss man aber nicht ganz ernst nehmen, doch beim Lesen des Satzes sieht man nicht das begleitende Lächeln und so kann es zu Irritationen oder falschen Eindrücken kommen. Es läuft in den Staaten einfach anders als hier. Hier kann ich mich melden und sagen: "Hey, ich singe!" Doch drüben bist du zunächst einmal wirklich darauf angewiesen, Kontakte aufzubauen und dich auch in die Hände von erfahreneren Menschen zu begeben, die dir besser weiterhelfen können, als wenn man ganz allein den Promotion-Lautsprecher bedient.

Es gibt in Deutschland den Begriff der Jazz-Polizei. Nun war es so, dass dein Debüt sehr dem Jazz entsprach und in diesem Lager entsprechend positiv aufgenommen wurde. In der Folge kamen dann Pop-Elemente hinzu, auf deinem neuen Album Blues und Country. Was denkst du über Puristen, für die es nur den einen, den wahren Jazz-Weg gibt?

Das ist höchst amüsant, wie so mancher Kritiker darüber urteilt. Zunächst einmal sehe ich mich auch gar nicht als Jazzerin. Ich arbeitete mit Jazz-Musikern zusammen, aber ich selbst bin es nicht! Das wollte ich auch nie sein. Schon gar nicht besitzt es eine Art Wertigkeit, was du eigentlich überhaupt machst. Als ich mich fürs Musikmachen interessierte, war es das Spannendste, all diese unterschiedlichen Strömungen und Genres an mich heranzulassen, nach Inspiration zu suchen. Und es ergibt doch keinen Sinn, einen Künstler zu diskreditieren, nur weil er nicht diese oder jene als 'hoch' angesehene Stilrichtung bearbeitet.

Wenn man mit Scheuklappen herumläuft, entgeht einem doch eine Menge. Entscheidend ist doch, das du voll hinter dem stehst, was du machst, und wenn das der Fall ist, dann entsteht gute Arbeit! Du musst deinen eigenen Instinkten folgen, deine eigenen Ecken und Nischen finden. Und da ist es doch wirklich egal, welchem Genre du zugeordnet wirst. Mir ist dieses Schubladendenken einfach zu hochgestochen. Ich mag es nicht, wenn aus solchen Gründen auf andere Künstler herabgesehen wird. Ich mag einfach Leute mit erhobenen Nasen nicht. Leben ist Bewegung und Veränderung, Hoffnung und auch Traum - ich möchte all diese Möglichkeiten, die mir offen stehen, nicht durch eine Einbahnstraße verbauen.

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