laut.de-Kritik

Sein Jazz-House hat Seele.

Review von

Meine Freundin spinnt! Sie fährt auf einem unbeweglichen Fahrrad. In Sportstudios. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter und ist Spinning-Trainerin. Und dafür braucht sie aufpeitschende Musik, um die Strampelwilligen so richtig anzuheizen. Ständig lechzt sie nach Mucke, die ähnlich aufputscht wie Underworld, Fluke, Magnus, Feuerhake und Klangstrahler.

Als sie Raw Artistic Soul erstmals hörte, sprang sie begeistert durchs Wohnzimmer und fing sofort an zu tanzen. "Was für ein geiler Groove" schreit sie die ganze Zeit und freut sich den Arsch ab. Warum? Weil Phil Kullmann, der Mann hinter RAS, mit "Miami Theme" unfassbar druckvoll in "You Got Rhythm Too" einsteigt.

Jazz-Housig, mit leichter Anlehnung an das bis heute unerreichte "Tourist" von St. Germain, geht es auf "Zaab" weiter. Locker schnuffelt sich der unbeschwerte Groove an die sorgsam ausgewählten Hooks und liefert dem Gitarrero, der sich die Finger blutig improvisiert, eine gute Basis.

Vielleicht etwas zu unbekümmert tänzelt "Keep On Shining" mit seinem Singsang durchs Gebüsch. Die süßliche Stimme von John Gibbons raubt dem Song etwas die Tiefe, die das hervorragende Playback durchaus besitzt. Dennoch: Die an 4 Hero erinnernden Streicher-Arrangements und der Gesamtaufbau lassen über die aufgesetzte Fröchlichkeits-Schwäche hinwegsehen.

Mit tollen Cinematic Orchestra-Bläsern empfiehlt sich "The Light". Der smoothe Bass und das jazzig und abwechslungsreich arrangierte Drum- und Percussionarrangement machen den Track zu einer flotten Angelegenheit mit Tiefgang. Ursula Rucker, die den stimmlichen Part von "The Light" inne hat, und ihre immer bezaubernden Spoken Word-Narrationen erzeugen das Gegenteil von John Gibbons' musikalischer Aussage: Sie generieren Tiefe und Wärme. "The Light" überzeugt mit seinem jazzigen Trompetensolo ebenso wie das mit Weltmusik sympathisierende "Oya O".

Darauf übernimmt Wunmi (Zap Mama, Masters At Work) den Gesangspart und überzeugt mit traditionell-afrikanischer Melodieführung und starker Stimme. Toller Song mit klasse Refrain, inclusive jazzigen Sax- und Flötensoli, eingerahmt von dezent-funkigen Bläsern. Das Rhodes tut sein übriges für den sanften Jazz-House, der, wie auf dem gesamten Album, bis in jede Einzelheit sauber ausproduziert ist.

Ideenreich, differenziert und klug gestaltet Kullmann seine 4-to-the-Floor-Playbacks, auf denen sich die Protagonisten austoben dürfen. Das gilt auch für "Abanico" (feat. Rafael Cortes) und "Pa La Loma" (feat. Edisney Portales Vega). Super angenehm fällt Kullmanns Händchen für kluge Basslinien auf. Zu keinem Zeitpunkt verfällt er der Versuchung, mit dümmlich-klischierten Off Beat-Bässen die Hörenden zu ärgern. Er arbeitet stattdessen mit echten, lebenden und pulsierenden Basslinien, die er dem Soul entlehnt.

Mit filmreifen Streichern, hüpfenden Bläsern, funky Gitarre, sanftem Rhodes und Flötensolo schmeißt uns "In Their Eyes" (feat. John Gibbons) aus Raw Artistic Souls Welt. Der etwas zu unbekümmerte Soul-Gesang und der sehr discoide Groove generieren zwar kein Highlight, aber eine angenehme Nummer ist es allemal.

Es gibt nicht wirklich viele glückliche Ehen zwischen Jazz und House. Wie im richtigen Leben bemühen sich die meisten zwar redlich, bekommen aber wenig zu Stande. Anders bei Phil Kullmanns "You Got Rhythm Too". Hier springt der Verliebtheitsfunke auch nach vielen gemeinsamen Jahren noch über und man fühlt sich zusammen auf dem Dancefloor ebenso wohl wie in der Lounge-Bar.

Trackliste

  1. 1. Miami Theme
  2. 2. Zaab
  3. 3. Keep On Shining (feat. John Gibbons)
  4. 4. The Light (feat. Ursula Rucker)
  5. 5. Oya O (feat. Wunmi)
  6. 6. Bayahibe
  7. 7. Abanico (feat. Rafael Cortes)
  8. 8. Pa La Loma (feat. Edisney Portales Vega)
  9. 9. In Their Eyes (feat. John Gibbons)

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