laut.de-Kritik

Der sarkastische Ex-Pistol zeigt sich erneut in Hochform.

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Mit dem groovy "This Is PIL" gab es 2012 bereits ein äußerst gelungenes Comeback von Public Image Limited. Getreu John Joseph Lydons musikalischer Philosophie (Keine Wiederholung, keine Platte gleicht der vorherigen!) geriet "What The World Needs..." trotz vorhandener Trademarks erneut ganz und gar anders. Und der sarkastische Ex-Pistol zeigt sich in Hochform wie eh und je.

Die große stilistische Bandbreite des Engländers spiegelt sich als Streifzug wieder, dessen Zeitstrahl von 1976 bis 2012 reicht. Das agitative Underground-Chamäleon der ersten Stunde sammelt alles auf, was der eigene Wegesrand bietet. Sein charismatischer Gesang bildet dabei eine Klammer für den musikalisch überbordenden Facettenreichtum.

Schon der Anfang lässt sogar bei PIL-Kennern die eine oder andere Augenbraue in die Höhe schnellen. Für "Double Trouble" und "Know How" legt John sein Lydon vorübergehend ab und knipst das rotzige Alter Ego Johnny Rotten an, als gelte es, die Nachfolgescheibe für "Never Mind The Bollocks" einzuspielen. Zum ersten Mal überhaupt öffnet der Engländer mit PIL dem Punkrock zumindest einen Spalt breit die Tür.

Doch dieser Sturm ist so schnell vorüber, wie er aufzog. Der Rest der zwölf Lieder geht deutlich subtiler zu Werke. Die ästhetische und virtuose Qualität aller Beteiligten ist bemerkenswert. Der bei Kritikern zu Recht hoch geschätzte Lydon verzichtet 2015 auf schillernde Gäste früherer Zeiten wie Steve Vai, Creams Ginger Baker oder Ryuichi Sakamoto (YMO). Die braucht er auch nicht. Seine seit mittlerweile sechs Jahren stabile Bandbesetzung - für PIL-Verhältnisse ein extrem langer Zeitraum - agiert wie aus einem Guss.

Besonders die vielseitige Gitarre Lu Edmondsons schießt den Vogel erneut ab. Seine Erfahrung reicht von ursteinigem Punk/Wave (mit The Damned) bis hin zu großem Pop (mit Shriekback). In fast jedem Lied spielt sie den kongenialen Sidekick Lydons und ist als Krönung der Songs unverzichtbar. Allein schon Edmondsons Eleganz, mit der er etwa "Bettie Page" oder "I'm Not Satisfied" ganz unspektakulär aus dem Hintergrund erobert, ist aller Ehren wert. Definitiv einer der interessantesten Saitenhexer seiner Generation.

Lydon hat sein großes Stimmentheater nicht erst seit gestern perfektioniert. Neben der hauseigenen Erfindung, die stets klingt als habe sich ein giftiger Kobold mit einer Alarmsirene gepaart, gibt er zwischendurch gern den groovy Sommersänger ("The One") oder den ausdrucksstarken, nuancierten Storyteller ("Big Blue Sky"). Welche Rolle er auch wählt - er füllt sie mit erstaunlicher Phrasierung aus, die immer so einmalig klingt wie vor 40 Jahren.

Musikalisch ragt das achtminütige "Big Blue Sky" als anmutig dunkler Turm heraus. Sanft und schneidend zugleich beginnt das Stück wie die Predigt eines Mannes, dessen entlarvender Zynismus lediglich die Waffe des enttäuschten Romantikers ist. Zwischendurch schaukelt sich der Rhythmusteppich samt Rasierklingengitarre und Lydons perfekt changierender Betonung immer wieder hoch. Gleichwohl verweigern PIL dem Hörer bewusst das Happy End oder den großen Orgasmus. Beides braucht dieser von Anfang bis Ende intensive Track auch nicht.

So erweist sich John Lydons zehnte Studioplatte als ein echtes Highlight des Katalogs von Public Image Ltd, das sich nicht hinter großen Platten wie "Flowers Of Romance" (1982) oder dem ewigen Meilenstein "Album" (1986) verstecken muss.

Trackliste

  1. 1. Double Trouble
  2. 2. Know Now
  3. 3. Betty Page
  4. 4. C'est La Vie
  5. 5. Spice Of Choice
  6. 6. The One
  7. 7. Big Blue Sky
  8. 8. Whole Life Time
  9. 9. I'm Not Satisfied
  10. 10. Corporate
  11. 11. Shoom

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