laut.de-Kritik

Mr. Bungle und Pu der Bär treffen sich zum musikalischen Amoklauf.

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Dass ich so was noch erleben darf. "We Love You All" ist zwar schon das dritte offizielle Langeisen der Franzosen von Psykup, doch das erste, das auch außerhalb Frankreichs anständig vertrieben und beworben wird. Dank Season Of Mist rotiert gerade so was wie der offizielle Nachfolger von "Outer Space Is Just A Martini Away" in meinen Player.

Bei besagtem Space-Gesöff handelte es sich um das ebenfalls dritte Album der leider absolut unterbewerteten Thought Industry aus Kalamazoo, die in den 90ern ein paar absolute Hirnfick-Klassiker veröffentlicht haben, nach besagtem Album aber etwas zu sehr in alternative Regionen abgedriftet sind. Ihre ersten drei Scheiben sind jedenfalls Klassiker mit einem genresprengenden Mix aus Metal, Jazz und allerlei anderen Zutaten, die mit einem technischen Know How dargeboten wurden, der seinesgleichen suchte.

Ähnlich liegt der Fall mit Psykup, deren Mischung aus Stilen und Tempiwechseln fast noch wahnsinniger und vielleicht etwas humoriger ausfällt, während Thought Industry (ihrem Namen gemäß) anfangs vielleicht ein wenig zu verkopft und philosophisch vorgegangen sind. "We Love You All" ist für alle, die sich eine Mischung aus Strapping Young Lad, Mr. Bungle, System Of A Down und Pu dem Bär vorstellen können, die absolute Erfüllung. Alle anderen sollten hier die Reißleine ziehen und sich umgehend ausklinken.

Sechs Stücke, die bis auf eines alle die Acht-Minuten-Marke knacken und auf so überflüssige Dinge wie Refrain, oder eine griffige Hookline vollkommen verzichten. Das erfordert sowohl von den Musikern, als auch dem Konsumenten einigen Einsatz. Den ist es aber durch die Bank wert, denn egal ob die Jungs wie Meshuggah durch die Botanik fräsen, mit Filmzitaten aus "Dogma" um sich werfen, Trip Hop-Beats auffahren oder gemütlich durch die Gegend schwofen - dieser musikalische Amoklauf hat jederzeit Hand und Fuß. Im Gegensatz zu den Landsmännern von Carnival In Coil driften sie aber zu keiner Zeit ins Alberne ab.

Wer ein paar Kröten mehr investiert, wird - neben der Doppel-CD-Version mit zwei zusätzlichen, französischen Songs in ebenfalls epischer Länge - auch noch mit einer dreistündigen DVD belohnt, auf der es einen Liveauftritt und eine Dokumentation über die Band zu bestaunen gibt. Das könnte sich also wirklich lohnen.

Trackliste

  1. 1. Color Me Blood Red
  2. 2. Birdy
  3. 3. My Toy, My Satan
  4. 4. The Choice Of Modern Men
  5. 5. Rétroaction
  6. 6. Here Come The Waves

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