laut.de-Kritik

Jazziger Post-Punk als gesellschaftlicher Pranger.

Review von

"A foreign disease washed upon our beach / Against all believe riots in the street", singt Frontmann Joe Casey in der Single "Processed By The Boys". Protomartyrs fünfte Platte "Ultimate Success Today" lässt sich problemlos mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen verbinden. Komisch, hat die Band doch die meisten Texte bereits 2019, und damit lange vor der Corona-Krise und den Black-Lives-Matter-Demos geschrieben.

So zwang wohl die angespannte Lage in den Staaten das Detroiter Quartett, sich zu politischen Themen zu äußern. Die sonst so Social Media scheuen Männer teilten fleißig Fotos mit Politiker Bernie Sanders, unterstützten dessen Wahlkampf und spielten sogar Konzerte auf Veranstaltungen des Demokraten.

Musikalisch wagt sich die Band auf "Ultimate Success Today" erstmals etwas weiter aus ihrem so geliebten Post-Punk-Fuchsbau und mischt den rauen, tanzbaren Rock mit Altsaxophon und Klarinette der Jazz-Musiker Jemeel Moondoc und Izaak Mills. Ein Risiko, das sich gelohnt hat.

Als exemplarisches Beispiel dient der Track "Processed By The Boys": Wütend und direkt stampfen Bass, Gitarre und Drums von Beginn an voraus. Sie spielen so perfekt zusammen, dass Joe Casey eigentlich nichts mehr falsch machen kann - und trotzdem ist es ein klangliches Spiel mit dem Feuer. Seine Stimme wandert irgendwo zwischen lautem Hundegebell, mahnendem, rauen Gewinsel und Herbert Grönemeyer-Shouts hin und her. Man versteht, warum Joe Talbot, Frontmann der Idles, Casey als ein großes musikalisches Vorbild bezeichnet und die Medien immer wieder Vergleiche mit Ian Curtis herbeiziehen.

Das Alt-Saxophon scheint auf den ersten Blick fehl am Platz und dudelt zu Beginn leise und unkontrolliert im Hintergrund herum. In der Hook jedoch spielt sich Moondoc in den Vordergrund und in die Herzen aller klarinettespielenden Punk-Fans, denen bislang schleierhaft war, wie sie ihr Instrument in Musik außerhalb der Schul-Bigband einbauen könnten. Auffallend ist der minimalistische Mix: Mit wenigen Spuren rückt der Fokus klar auf die Instrumente. Abenteuerliche, blecherne Drums treffen immer wieder auf verzerrte, eingängige Bass-Patterns und hallige Gitarren.

In den Texten kritisieren Casey und Co. kaum, sie zählen einfach nur offensichtliche gesellschaftliche Missstände auf: Krankheiten, Krawalle, Gewalt, Tod, Umweltzerstörung und staatliche Kontrolle. Ihr wütender Punk ist Pranger genug. Der Hit "Michigan Hammers", dessen Beat vom perfekten Zusammenspiel der Rhythmus-Gruppe und dem wunderschönen Klang der leicht angezerrten Klampfe von Gitarrist Greg Ahee lebt, handelt vom Modernisierungs- und Industrialisierungsdrang, "Modern Business Hymns" beschreibt die immer größer werdende Schere zwischen arm und reich, in "Tranquilizer" singt Casey von unkontrolliertem Schmerzmittelverbrauch.

Angesichts der etwas unheimlichen Verbindung vieler Texte zu aktuellen Weltereignissen, belegen Protomartyr einmal mehr, wie zeitlos, ehrlich, aber auch wahnsinnig deprimierend ihre Kunst ist. Dazu passt der rotzig-ehrliche Gesang sowie Beckensounds, die Amateur-Vibes in die Boxen drücken, einfach perfekt.

Trackliste

  1. 1. Day Wthout End
  2. 2. Processed By The Boys
  3. 3. I Am You Now
  4. 4. The Aphorist
  5. 5. June 21
  6. 6. Michigan Hammers
  7. 7. Tranquilizer
  8. 8. Modern Business Hymns
  9. 9. Bridge & Crown
  10. 10. Worm In Heaven

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