laut.de-Kritik

Klammern am allerletzten Strohhalm.

Review von

Als Kürzel für "depressiv-suizidaler Emo-Punk-Rap" wünschte Private Paul den Titel seines (Experimente ausgenommen) letzten Albums zu lesen. Geändert hat sich leider wenig. Inzwischen fehlt - klar, handelt sich ja 'nur' um eine EP - auch noch das R.

Die Buchstabenspielereien wirken sich auf das Ergebnis nicht aus: Der Rap-Anteil bleibt ungebrochen hoch, das P für Punk hätte ohnehin schon beim letzten Mal gegen ein M für Metal getauscht gehört. Die Anteile mit hart sägenden Gitarren, Doublebass-Inferno und Geschrei nehmen mehr und mehr Raum ein.

Ob und wie diese Passagen, verglichen damit, was es im Genre sonst so gibt, unter technischen und handwerklichen Aspekten mithalten können, mögen Fachleute beurteilen, dazu trau' ich mir wirklich kein qualifiziertes Urteil zu. Für den Effekt jedoch funktioniert die Kombination tadellos: Die eruptiven Refrains wirken jedes Mal wie ein Dammbruch, bei dem sich die in die Verses gepresste, aufgestaute Seelenqual donnernd ihren Weg ins Tal bahnt und dabei mitreißt, was immer gerade das Pech hat, im Weg herumzustehen.

Mit einem Ausbruch von Lebensfreude hat vermutlich niemand gerechnet. Wie finster die Abgründe sind, aus denen heraus Private Paul sein jüngstes Lebenszeichen sendet, lässt allerdings wirklich einigermaßen ratlos und erheblich traurig zurück. In dieser Stockdüsternis - selbst auf dem Cover herrscht inzwischen die Nacht über dem nebligen Wald - registriert man dankbar noch den kleinsten Hoffnungsschimmer.

"Keine Angst, ich bleib' noch ein bisschen", beruhigt "Die Summe Verlorener Teile", das als letzte Zuflucht die Musik benennt. "Freunde gehen, Frauen gehen, Mucke bleibt." Für seine Verhältnisse: fast schon positiv - allerdings wirkt dieser Rettungsanker, an den sich Private Paul hier klammert, doch sehr viel mehr wie der allerletzte Strohhalm, und der wiederum wirkt inzwischen vom vielen Gebrauch und vom Zahn der Zeit schon reichlich morsch.

Dabei bewegt sich durchaus etwas, in diesem schwarzen Kosmos. Die rasenden Momente werden seltener, zumindest stellenweise weicht die allgegenwärtige Resignation etwas anderem, das minimal weniger deprimierend erscheint. "Der Scheiß wird ein Teil von mir sein bis zum Ende", klar, schön ist das nicht. Es bleibt aber die Hoffnung, dass dieses Umarmen des Elends, eine gewisse Akzeptanz, der erste Schritt heraus aus dem Sumpf, in Richtung Heilung sein könnte.

Ich möchte das wirklich gerne glauben. Ich möchte glauben, dass jemand, der die Hölle der Isolation, diese brutalstmögliche Selbstmordfantasie aus "Reich Aus Flammen" überleben konnte, sich wahrhaftig als "Unzerstörbar" erweist und vielleicht doch noch eine Chance bekommt, zu erfahren, dass Vertrauen nicht zwangsläufig jedes Mal aufs Neue in einer weiteren Enttäuschung verpuffen muss.

Eins muss man Private Paul lassen: Er hat für das Elend, in dem er sich seit Jahren im Kreis dreht, wahrhaftig eine angemessene Ausdrucksform gefunden. Körperlose Chöre sorgen für einen schon beinahe sakralen Vibe, der fortwährend mit mindestens einem Bein bereits im Jenseits steppt. Die stoisch, fast reglos vorgetragenen Rapparts spiegeln die Ausweglosigkeit einer verfahrenen Gedankenwelt.

Kein einziger der ruhigeren Momente verstreicht jedoch, ohne dass man jede Sekunde den wütenden, alles zermalmenden Ausbruch erwartet. Es gibt entsprechend in diesem "Reich, wo die Sonne nicht scheint", keine Ruhe, die nicht trügerisch wäre, keine Entspannung und noch immer keine Wärme. "Es endet immer gleich": in einem weiteren Hilfeschrei. Nix für zarte Seelen - oder gerade für die.

Trackliste

  1. 1. A Road Of Nothing
  2. 2. Die Summe Verlorener Teile
  3. 3. Reich Aus Flammen
  4. 4. Unzerstörbar
  5. 5. Ein Teil Von Mir
  6. 6. Exil feat. VALE
  7. 7. Durch Den Nebel

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