laut.de-Kritik

Entspannte Raps, flockige Beats, lockere Reggae-Grooves.

Review von

Manche Dinge, eigentlich die meisten, brauchen wesentlich länger als vorgesehen. Eigentlich nahmen Postman ihr viertes Album bereits 2005 in Angriff, als "Era" gerade einmal zwei Jahre zurück lag. Bis zur Fertigstellung wird es 2006. Der Longplayer übersteht die Trennung der Crew unbeschadet, da der größte Teil ohnehin auf dem fruchtbaren Mist des Masterminds The Anonymous Mis gewachsen ist, der mittlerweile als Solo-Briefträger an den Start geht. Warum allerdings ein weiteres Jahr ins Land gehen musste, bis "Green" auch bei uns in den Läden steht, wissen die Götter.

Angesichts der zeitlosen Schönheit, die Postman aus entspannten Raps, flockigen Beats, lockeren Reggae-Grooves und einem großzügigen Schuss Soul in bester Singer/Songwriter-Manier zusammenflicht, bleibt einem allerdings die Nörgelei im Halse stecken. Wie angenehm darf eine Platte geraten? "Green" scheint einzig dafür gestrickt worden zu sein, diese Grenze auszuloten.

Satte Bässe, fröhliche, mit- und ineinander verwobene Gitarren- und Piano-Melodien sowie gut gelaunter Backgroundgesang, für den Postmans Gattin Anouk zu danken ist, verleihen "One More Stone" eine positive Atmosphäre. Die wird auch an Stellen aufrecht erhalten, an denen es deutlich nachdenklicher zur Sache geht. Für Verbitterung scheint in der Welt von The Anonymous Mis nirgends Platz zu sein, und das, obwohl er sein Gefühlsleben durchaus akribisch seziert und dabei auch die weniger angenehmen Seiten der Existenz nicht ausspart.

"I'm not a rapper, I just rhyme a lot." Postmans unaufgeregter Flow straft seine eigenen Worte Lügen. Wenn dieser Kerl kein Rapper ist, hat der Hackl Schorsch noch nie auf einem Schlitten gesessen. "We stay on top with the sound that we bring / Some want us out but we're not leaving / We still riding, we still rhyming, not retiring, keep firing." Pausen- und mühelos serviert der Mann am Mikrofon seine Zeilen und produziert sich den jeweils passenden Rahmen auch gleich selbst: "Let me do things right."

Hierbei beweist Postman neben einem erlesenen Gespür fürs Handgemachte (mal ehrlich: auf wie vielen Hip Hop-Platten erhalten Instrumentalisten schon Gelegenheit, sich beim ein oder anderen Solo in Szene zu setzen?) Zugänglichkeit für breit gefächerte musikalische Einflüsse. Erinnert "Downhill" mit einer Gesangseinlage von Anouk an Klassiker aus der Hochphase des Soul, kommen anderenorts Bluesgitarren oder überaus funky pluckernde Basslinien zum Zuge. Curtis Mayfield grüßt aus "You Make Me Feel", während die Scratches aus "Dutch" auch den stursten Hip Hop-Head versöhnen sollten.

Allem voran durchziehen jedoch die Klänge Jamaikas das niederländische Qualitätsprodukt wie ein roter Faden. Zuweilen nur angedeutet, schlägt der Reggae-Rhythmus stellenweise mächtig durch und manifestiert sich in warmen, volltönenden Bässen. Ein wenig zu happyhappy-joyjoy gerät für meinen Geschmack einzig das abschließende "Fine". Perlen wie das etwas schärfere "Showdown" oder "Conflict" sind ein Beleg dafür, dass nicht jede Schnulze zwingend zum triefenden Schmachtfetzen ausarten muss.

Um den überaus gediegenen Eindruck abzurunden, liegen "Green" sämtliche Texte in Form eines selbstverständlich in Grüntönen gehaltenen, exquisit gestalteten Booklets bei. Am Aroma desselben darf man zwar gerne noch arbeiten: Selten wurde ich mit erstickenderen Ausdünstungen eines Druckerzeugnisses behelligt. Den Genuss freilich trübt dieser Umstand nicht wesentlich.

Trackliste

  1. 1. One More Stone
  2. 2. Downhill
  3. 3. They Know
  4. 4. Worry
  5. 5. Insight
  6. 6. Dutch
  7. 7. You Make Me Feel
  8. 8. Firing
  9. 9. All Gone
  10. 10. Rendezvous Point
  11. 11. Conflict
  12. 12. Confrontation
  13. 13. Showdown
  14. 14. Fine

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