laut.de-Kritik

Weil das Leben in der Pandemie noch nicht deprimierend genug ist.

Review von

Na toll. Gerade zu einer Zeit, in der die meisten von uns ihren Alltag ohnehin in trauter Einsamkeit bestreiten, das allmorgendliche Aufstehen mehr und mehr zum Hochleistungssport wird und hinter jedem Bildschirm eine neue Hiobsbotschaft lauert, liefern die Schreihälse von Portrayal Of Guilt mit ihrem zweiten Album "We Are Always Alone" einen weiteren Grund, sich dem Nihilismus hinzugeben.

"Birth, awakening / A life spent suffering" sind die ersten Worte, die uns Frontmann Matt King nach wenigen Sekunden auf "The Second Coming" mit gefolterter Stimme über donnernden Blast-Beats entgegen kreischt. Schon seit "Let Pain Be Your Guide", dem Debüt der vier Texaner, zählen Portrayal Of Guilt zu den aggressivsten und experimentierfreudigsten Krachmachern, die der amerikanische Underground in den letzten Jahren ausspuckte. Ihr Zweitling setzt im direkten Vergleich jedoch noch mal in fast allen Belangen einen drauf.

Der kompetent vorgetrage, hin und wieder melodische Screamo des Vorgängers wird auf "We Are Always Alone" von einer pechschwarzen Wolke verschlungen, die ein grauenerregendes Monster aus Black Metal, Grindcore, Post-Hardcore und Emoviolence gebiert, dem 30 Minuten vollends genügen, um dem Hörer die Schädeldecke einzutreten. Einzig die verheißungsvollen, ambient-artigen Interludes, die manche Songs beenden oder einleiten, erlauben kurzes Durchschnaufen, was dem Flow des sonst unablässigen Chaoses tatsächlich leider etwas im Weg steht.

Neben Kings gequälten Stimmbändern, die der Mann mit einer solchen Aggression malträtiert, dass man ihm auf der Stelle abkauft, von der Sonnenseite des Lebens die Schnauze voll zu haben, ist es vor allem James Beveridges Arbeit an den Drums, die diesem albumlangen Vortrag über die Sinnlosigkeit des Seins Nachdruck verleiht und interessant macht. Wenn sein Schlagzeug im Finale von "Masochistic Oath" zu explodieren droht oder er mit dem ersten Ton auf "They Want Us All To Suffer" den Rhythmus eines Presslufthammers anstimmt, will man nicht nur blindlings alles um sich herum kurz und klein schlagen. Man fühlt sich auch sofort auch dem seelenverschlingenden, apokalyptischen Kern der neun Kompositionen näher verbunden.

Portrayal Of Guilt träumen nicht zwangsweise von den Endzeiten, sie sehen sie vielmehr bereits als allgegenwärtig, in Form von Depressionen, Suizid oder einer stillen Ohnmacht der Welt gegenüber. Das schlägt sich in Texten nieder, die mal mehr mal weniger geschickt den Spagat zwischen Black Metal-Edginess und nihilistischer Prosa schaffen. In seinen Besten Moment evoziert "We Are Always Alone" niederschlagende Bilder totaler Leere und Verlorenheit ("As I wander through the bitter cold / My memories return for the last time / I've lost myself in solitude"). An anderer Stelle will man angesichts der bemühten Lyrik die Augen verdrehen ("I am a masochist, in my blood I bathe / Drowning in my own self-hatred").

Die Clean Vocals, die hier und da im Hintergrund aufblitzen und eher einem schmerzlichen Krächzen als wirklichem Gesang ähneln, geben Songs wie "It's Already Over", "Garden Of Despair" oder dem schließenden "We Are Always Alone" eine zusätzlich melancholische Note, die neben dem unbändigen Hass auf alles und jeden auch einen letzten Rest Menschlichkeit durchblitzen lassen. Am offensichtlichsten wird das auf "My Immolation", dem wohl ruhigsten Song der LP. King, dessen Stimme hier erstmals als wirklicher Gesang auszumachen ist (wenn auch als etwas durchwachsener), besingt eine Selbstverbrennung auf solch emotionslose und stoische Art, dass man plötzlich die zuvor omnipräsente blinde Rage vergisst und ihn lieber einfach in den Arm nehmen will.

Die finalen Momente des darauf folgenden Closers bauen auf dieser Emotionalität auf, wenn auch mit erwartbaren Ende. Denn eine Erlösung, selbst nach dem Tod, verwehren uns Portrayal Of Guilt. Auf die Zeilen "I begin to feel the earth collapse / What comes next feels aimless / Everything turns white" folgt der schmerzverzerrte Aufschrei des Album-Titels. Dann hält eine fast schon beängstigende, schwerwiegende Stille Einzug. Selten wollte man diesen Worte weniger Glauben schenken.

Trackliste

  1. 1. The Second Coming
  2. 2. Anesthetized
  3. 3. A Tempting Pain
  4. 4. It's Already Over
  5. 5. Masochistic Oath
  6. 6. They Want Us All To Suffer
  7. 7. Garden Of Despair
  8. 8. My Immolation
  9. 9. We Are Always Alone

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