laut.de-Kritik

Singer/Songwriter-Perlen mit fabelhafter Duettpartnerin.

Review von

"Need you on my side, girl. Let's shoot these fuckers down./ Keep it in your mind, girl. We shoot these fuckers down." Seine Worte rufen die Angebetete zum finalen Showdown herbei. High Noon, Baby! Eine trockene Präriegitarre lädt zum letzten Stündlein. Tarantino und Leone sind längst da. Mit der richtigen Frau an der Seite läuft ohnehin alles auf Bonnie & Clyde hinaus. So auch bei Poems For Laila. In der grandiosen Joanna Gemma Auguri findet die Band auf "Tiktak" die perfekte Partnerin.

Fast zehn Jahre sind seit der letzten Poems For Laila-Platte vergangen. Trotz "Live In Berlin"-DVD plus Soloaktivität von Nikolai Tomás gab es lange Zeit keinen Grund für den Glauben an eine Rückkehr. "Tiktak" ist auch wesentlich mehr als das. Elf Songs lang erfindet die Band sich als Duo neu und bietet intensive Singer/Songwriter-Nuggets.

Ein herausragender Songwriter ist Tomás seit jeher. Bereits frühe Höhepunkte wie "Yearning For The Day" ("Katamandu", 1992) zeugen davon, wie weit der PFL-Kopf den meisten heimischen Kollegen voraus ist. "Tiktak" offenbart künstlerische Reife, eigene Identität und klopft zaghaft - wiewohl mit Berechtigung - an jene Tür, hinter der die Giganten Cohen, Waits, Cave, Walker oder Brel residieren. Dazu volle Möhre Osteuropa-Spirit samt typischer Gefühlsachterbahn und scharfsinnigem Sarkasmus. "Come on smile to me and lie to me."

Poesie, das Aufbegehren gegen abgefuckte Zeiten und liebestrunkener Schmerz: Das alles verrühren Nik und Jo mit ungebrochenem Stolz. Gelegentliche Ausflüge in Ausgelassenheit und der puren Lebensfreude des Überlebenden, der bislang noch alles überstand. Kombiniert mit den sinnlichen, einander ergänzenden Stimmen und schwarztraubigen Melodien wirkt das Gebräu wie eine Droge. "The smell of firewood, a smile everyday./ I do wish he'd never go away."

Ihre Ausstrahlung kann sich über die Gesamtdistanz aller elf Lieder mit anderen großen Paaren wie Hazlewood & Sinatra oder Gainsbourg & Birkin messen. Die Magie von "Tiktak" entspringt gleichmäßig fließender Entspanntheit, die sich der eigenen Stärken jederzeit gewiss ist ("The Water"). Die unwiderstehliche Macht des Unspektakulären!

Den größten Teil der Begleitung erledigt Tomás auf der Gitarre. Im reduzierten Klangbild kommen zahlreiche verschiedenen Sounds seiner Sechssaitigen angenehm zur Geltung. Auguris Gesang webt darin schattenhafte Fetzen tiefer Nacht ein. Sobald sie auftaucht, erobert ihre Stimme jeden Track mühelos. Als Anspieltipp hierzu empfehle ich den Opener "Dreams".

So erschaffen Poems For Laila besondere musikalische Augenblicke und hauen diese in Note wie Zeile. Neben dem eingangs erwähnten "Fuckers" sowie "Terrible Guy" kristallisiert sich besonders das beschwingte Titelstück als Hit heraus. Ob Leben oder Tod; alles zelebrieren diese beiden Vollblutmusiker inbrünstig. Sie packen es bei den Hörnern und kosten es bis zur Neige aus. "...in the shadow of an apple tree."

Mit dem selbst verfassten "The Wood Man Song" erhält die Zauberin Auguri ihr verdientes Solo. Der erste Poems For Laila-Song überhaupt, bei dem Tomás weder komponiert noch singt. Während man schon glaubt, das alles wäre nicht steigerbar, setzen sie mit dem Lied gewordenen Augenzwinkern "Broken Chimney" noch einen drauf.

"God sits on a broken chimney, longing for a greencard./ Nobody wants to marry him. So he is getting none. That's why he's so sad, oh, oh, oh." Das Stück spielt dermaßen schelmisch mit den menschlichen Tücken göttlicher Schöpfung. Man möchte dem warmherzigen Liedchen umgehend einen "Life Of Brian"-Orden verleihen.

Ist die ergreifende Platte dann zu Ende, bleibt die Gewissheit: Poems For Laila haben mehr vollbracht als nur ein simples Comeback. Es ist die Wiedergeburt eines Bandprojekts auf höchstem internationalen Niveau.

Trackliste

  1. 1. Dream
  2. 2. TikTak
  3. 3. The Water
  4. 4. Spaceship
  5. 5. The Wood Man Song
  6. 6. Kisse Me
  7. 7. Remember Me
  8. 8. Fuckers
  9. 9. Broken Chimney
  10. 10. Love Has Gone
  11. 11. Terrible Guy

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