laut.de-Kritik

Velvet Underground auf Schlafmitteln.

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Drei gezupfte Gitarrennoten, ein langsames, atonales Cello, ein kaum dazu passendes, gedämpftes Schlagzeug und eine gespenstische Stimme, die aus den Tiefen des Jenseits zu wehen scheint. So beginnt "Winter Notes", das Eröffnungsstück dieser CD. Es legt einen Stil an den Tag, der in seinem Minimalismus Lou Reed kaum nachsteht.

Gerade Velvet Underground scheinen auf die Band aus Kanada großen Einfluss gehabt zu haben. Die Stimme Liz Hysens erinnert an Nico, die einfache Gitarrenführung an Lou Reed und Sterling Morrison, das im Hintergrund vor sich hin trommelnde Schlagzeug an Moe Tucker und das eher stimmungs- als Noten erzeugende Cello an John Cale. Gemeinsam haben sie auch einen kunstbezogenen Zugang zur Musik; bei Velvet Underground steuerte Andy Warhol seine berühmte gelbe Banane zum ersten Cover bei, hier bemüht sich die Band mit zwei handgemalten Rechtecken. Bei Picastro fehlen aber die einprägsamen Melodien und Texte Reeds. Die Stimme dient eher als Instrument und weniger als Mitteilungselement.

Im Vordergrund stehen also die Atmosphären. Zwar sind sie recht düster, vermitteln in ihrer Deprimiertheit jedoch einen gewissen Trost: Das Ziel ist nicht destruktiver Nihilismus, sondern die Erkenntnis, dass man das Leben nicht ergründen kann. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sozusagen, und so sind Band und Zuhörer in ihrem Unwissen vereint.

"Red Your Blues" nimmt seinen Lauf, ohne vom Anfangsschema abzukommen; lediglich "Night of Long Knives" fällt mit einer besonders verstörenden Intensität aus dem Rahmen. Dabei scheinen Picastro und ihre Feder führende Frontfrau Hysen trotz der offensichtlichen Distanz zu allem Majortum einen wunden Punkt zu treffen, was ihnen eine ungeahnte Aufmerksamkeit sichert. Nicht nur können sie in den USA und Kanada auf beachtliche Unterstützung zählen; "Winter Notes" begleitete musikalisch eine Episode der Fersehserie "24 Stunden". So kam eine durchaus interessante Verbindung zwischen Mainstream und obskurem Indietum zustande.

Trackliste

  1. 1. Winter Notes
  2. 2. Fifth Wall
  3. 3. Mine
  4. 4. No Name
  5. 5. 5¢ Church
  6. 6. Night of Long Knives
  7. 7. Meat
  8. 8. The Sea Will Kill You
  9. 9. Dakar Relay

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