laut.de-Kritik

Bodenständiger Indierock vs. Alternative für Depressive.

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Normalerweise bedeutet ein Bandentreffen nichts Gutes. Entweder bezeichnet dies einen Stammtisch von zwielichtigen Gestalten, die üblicherweise Pferdeköpfe als Grußbotschaften versenden und ihr Geld mit zerstampften Cocablättern verdienen. Auch eine mehr oder weniger arrangierte Schlägerei von affektierten Elvistollenträgern und versifften Punks in den 80ern fällt unter diesen Begriff.

Etwa zwanzig Jahre später und meilenweit von grünen Hängen Südamerikas entfernt geistert den beiden Bands Peter Coretto und Verstärker etwas weniger Unmoralisches durch die Köpfe. Sie setzen sich im Studio zusammen und später ein gemeinsames Album in die Welt - Arbeitstitel "Bandentreffen".

Der Fünfer aus München namens Peter Coretto lässt sich gemütlich auf der A-Seite nieder. Ganz richtig, denn beide Bands veröffentlichen das Treffen auf Vinyl, für weniger nostalgische Typen gibt es die CD aber praktischerweise dazu. Der Vorhang hebt sich mit "Alle Mit Sich In Den Abgrund Ziehen".

Die Melodie klingt sympathisch, bodenständiger Indierock eben, und thematisch geht es wohl um Abschied. Darauf lässt jedenfalls Sänger Marco Engelhard schließen, wenn er das betreffende Wort aufgebracht gen Mikro brüllt. Der restliche Text bildet einen Phrasenflickenteppich mit einer narrativen Ordnung gleich dem Tagebuch eines Expressionisten.

Ebenso verhält sich "Die Motoren Aufgedreht", bei dem verstärkt Engelhards Vorliebe ins Ohr springt, sein Anliegen lautstark vorzutragen. Allerdings presst er sich dabei häufig an gewöhnungsbedürftigen Stellen die Lunge aus dem Leib. In die gute Mitte schieben Peter Coretto ein ruhiges Stück namens "Alles Jubelt Dir Zu (Steine Gegen Kugeln)", um dann mit einem Techno-Beat zu "In Dem Club Bin Ich Selten - Zu Recht!" hinüberzugleiten.

Die Zeilen "Irgendwann ist überschritten, ist es die Angst vor Morgen oder um das Heute zu vergessen." und "Immer wieder warst du da, nie nüchterner (nie weiter) als jetzt / Reden zerlegen ..." vermitteln eine verkopfte Ahnung vom verhassten Samstagabend-Ritual.

In ähnlicher Manier verklingt "Waffen Für Nimmerland", ein Schubs in Richtung Meinungsbewusstsein und setzt damit sowohl der verworrenen Quertexterei ein Ende, als auch die Plattenspielernadel an den Rand. Nach einer galanten Drehung des glänzenden Vinyls rauschen verzerrte Gitarren und Synthesizerklänge durch den Raum.

Verfrickelt, filigran und wütend präsentieren sich auf der B-Seite Verstärker mit "Naurog", die gekonnt Emo-Lyrics mit progressivem Rock in einen Topf werfen. Das "Mogwaii Downer Syndrom" stellt sich als passender Titel für das folgenden Instrumental-Experiment heraus. Mit einem Hang zum zerbrechlichen Minimalismus basteln Verstärker an einem weniger alltagstauglichen Soundgerüst. Regenwaldklänge für Depressive.

Beim "Bandentreffen" liefern sowohl Peter Coretto als auch Verstärker in verschiedener Hinsicht schwere Kost ab. Die einen treiben den Zuhörer in den Interpretationswahnsinn, die anderen spielen sich an den Rand der Aufmerksamkeit. Die Gegenüberstellung von deutschem Indierock und technisch versiertem Alternative erweist sich trotzdem als interessant und das Set aus beiden Formaten lohnt sich allemal.

Trackliste

  1. 1. Alle Mit Sich In Den Abgrund Ziehen
  2. 2. Die Motoren Aufgedreht
  3. 3. Alles Jubelt Dir Zu (Steine Gegen Kugeln)
  4. 4. In Dem Club Bin Ich Selten - Zurecht!
  5. 5. Waffen Für Nimmerland
  6. 6. Naurog
  7. 7. Moqwaii Downer Syndrom VII
  8. 8. Moqwaii Downer Syndrom VIII
  9. 9. Moqwaii Downer Syndrom IX
  10. 10. Moqwaii Downer Syndrom X

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