24. Juli 2019

"Rap mit Inhalt fühlt sich wie ein gallisches Dorf an"

Interview geführt von

PTK fällt mit seinen eindringlichen, explizit politischen Songs aus dem Deutschrap-Rahmen. Auf "Kein Mensch Ist Digital" richtet er sich gegen die geldfixierte Gesellschaft und die ihr folgende meist oberflächliche Rap-Szene.

Schon auf seinem Debüt "Typisch Deutsch" prangerte PTK die steigenden Mieten Berlins an. Unterlegt mit dramatischer Musik skizzierte er in "Anti Turista" die Effekte der Gentrifizierung: "Der Senat beschließt die Säuberung vom Szenekiez/Von Leuten, die dort leben, durch neue, die in die Gegend zieh'n/Und es wird wieder aussortiert, immer wenn sie ein Haus sanieren/Kannst du dir die Wohnung dann nicht kaufen, musst du raus aus ihr." Mehr als sechs Jahre später bestimmt das Thema nicht nur die öffentlichen Debatten, sondern hat sich zur neuen sozialen Frage entwickelt.

Mit "Kein Mensch Ist Digital" folgte diesen Sommer eine weitere Veröffentlichung voller Kampfansagen an die kapitalistischen Auswüchse und die systemstützenden Rapper. Als Anfang Juli der Anruf für ein Telefoninterview bei ihm eingeht, befindet sich PTK schon wieder im Studio. Im Gespräch erweckt der Berliner im Gegensatz zu seiner Rap-Persona einen ausgeglichenen Eindruck. Bereitwillig spricht er über die schwelende Enteignungsdebatte, politisches Engagement, die Unzulänglichkeiten der Rap-Szene, Ähnlichkeiten zu K.I.Z. und Shoutouts von Donald Trump.

Fangen wir mit einem Zitat aus deinem letzten Album "Ungerächte Welt" an. Da heißt es in "Das Haus wird besetzt": "Der gefährlichste Rapper, denn der ehrlichste Rapper." Weshalb ist Ehrlichkeit so gefährlich?

Im Kontext dieses Lieds sage ich später auch noch: "Der gefährlichste Rapper für den Staatsapparat, denn ein paar machen nach, was ich sag'." Ich stelle mich als Rapper mit Message dar und das ist für den Staatsapparat, den ich kritisiere, gefährlicher, als ein anderer Rapper, der Banken ausraubt oder was auch immer angeblich Krasses macht. Insofern ist die vielleicht etwas utopische Wunschvorstellung: Wenn ich auf Dinge aufmerksam mache, schaffe ich bei anderen, mir fremden Leuten ein Bewusstsein. Revolution ist vielleicht etwas krass hochgestochen, aber das kann mehr auslösen, als bei anderen Rappern. Ein gefährlicher Rapper ist ja sonst ein Muskelprotz mit Waffen. Tatsächlich gab es damals darauf einige Nachrichten: 'Was für gefährlich? Was denkst du, wer du bist?' Da habe ich auch geschrieben: 'Hast du mal zugehört, Alter? Ich rappe in dem Song doch darüber, dass es bei mir nicht darum geht, dass ich der Krasseste bin.'

Kann die Ehrlichkeit denn auch für dich selbst zur Gefahr werden?

Auf jeden Fall, denn dadurch, dass man viel von sich preisgibt, macht man sich automatisch angreifbar. Die Frage ist, was macht mich für mich persönlich angreifbar? Ich kann von mir aus persönliche Musik machen, meine Meinung sagen, auch Sachen erzählen, die nicht so schön sind oder für andere vielleicht viel zu privat wären. Ich kotze das nach außen aus, weil ich das alles für mich reflektiert und eingeordnet habe. In dem Moment macht es mich gar nicht mehr angreifbar, wenn ich nach außen sage: 'Guck mal, das gehört alles zu mir.' Dennoch macht Ehrlichkeit grundsätzlich angreifbar, weil die Leute viel über dich erfahren, während du von den Leuten nichts weißt. Gerade als Künstler ist das voll die Einbahnstraße. Die Leute sehen dich auf der Straße, kennen deine fünf CDs und haben ein relativ gutes Bild von dir. Das trifft gerade auf jemanden wie mich zu, der in dem Sinne keine Kunstfigur ist.

Wobei ich behaupten würde, dass der private Anteil verglichen mit dem politischen bei dir eher kleiner ist.

Das würde ich persönlich nicht sagen. Ich glaube, man nimmt mich oft so wahr. Aus dem Persönlichen leiten sich die Sachen ab, die mir auf den Sack gehen. Selbst die politischen Themen wie Gentrifizierung, Rassismus oder Flüchtlinge finden alle in meinem persönlichen Umfeld statt. Vielleicht ist es bei dem letzten Release etwas weniger persönlich, aber auf "Ungerächte Welt" und auch vorher sind viele persönliche Songs gewesen. Es macht auch insofern angreifbar: Wenn hier alles Scheiße läuft und irgendwann die AfD oder noch schlimmere Rechte an der Macht sind, war ich der Rapper, der die ganze Zeit gegen die geschossen hat. Dann habe ich vielleicht auch mehr Probleme als vorher. Klar, mich zu positionieren, schafft in dem Kontext auch viele Feinde.

Wenn du aktueller Rap-Musik vorwirfst oberflächlich und gewinnorientiert zu sein, stellt sich durchaus die Frage, ob diese Rapper nicht durchaus ehrlich auftreten. Nimo sagte mir zum Beispiel im Interview: "Ich hab' die Welt nicht gerettet, ich habe keinen Krieg verhindert, ich mach' nur Musik."

Was die Leute rappen, die ich kritisiere, ist ja nicht alles ehrlich. Die ganzen Autos, die sie angeblich fahren, die ganzen Waffen, die sie haben, die Kilos, die sie ticken – das stimmt alles immer nur in geringen Teilen. Nicht mal die ganzen Marken, die sie aufzählen, tragen sie wirklich alle. Man muss natürlich immer mit diesen Pauschalisierungen aufpassen. Es gibt bestimmt welche, bei denen das alles stimmt. Gerade bei so einem Song geht es aber nicht anders, dass ich von allen rede, weil ich nur ein paar Minuten Zeit habe. Wenn die so eine Einstellung wie Nimo haben, und das auch offen sagen, sind sie auf jeden Fall ehrlich. Man kann ihm nicht ankreiden, dass er nicht ehrlich reflektiert. Aber wenn du dir diese Art Rap anguckst, wird schon in den Texten gelogen, indem sie das, was sie erzählen, einfach erfinden. Nur weil du den Ansatz hast, nur Musik zu machen, heißt es nicht, dass die dann wahr ist. Man muss nicht alles auf die Goldwaage legen, aber wenn man es machen würde, ist bei Rap viel Lüge dabei.

Warum war es dir wichtig, mit "Hip-Hop war mal was mit Message" eine Branchen-Kritik zu veröffentlichen?

Rap über Rap juckt mich eigentlich nicht mehr so. Battle- und Berlin-Rap habe ich früher auch gepumpt, aber generell finde ich es nicht mehr so interessant. Rapper, die über die Rap-Szene haten, machen das immer gleich: Ein bisschen herumheulen, ein bisschen berechtigte Kritik ohne Tiefe. Man kann mir natürlich auch vorwerfen, voll verbittert zu sein. Wenn ich die Journalisten oder die Battle-Formate kritisiere, spreche ich gezielt Sachen an und sage nicht einfach: 'Ihr seid Scheiße, früher war besser'. Es ist ein Brei von Themen – Moden, Trends, Digitalisierung, Geld – auf meinem aktuellen Release. Das findest du alles in der Gesellschaft, aber das findest du auch in der Rap-Szene, die wiederum nur ein Teil der Gesellschaft ist. Die Songs der EP sind größtenteils Beobachtungen, die sich in den letzten ein, zwei Jahren angesammelt haben. Dann hat die Rap-Szene einen eigenen Track bekommen.

"Es ist nur logisch, dass das Feuer von jungen Leuten kommt"

Ein User kommentierte den Song folgendermaßen: "Diese Inhalte, von denen geschwärmt wird: War das in den 90ern? In den 80ern? KKS?" Von welcher Zeit sprichst du?

Wenn du die Aussage wortwörtlich nimmst, kannst du sie an keiner Zeit fest machen. In dem Moment, in dem ich versuche, etwas mit Message dazustellen, ist der Satz "Hip-Hop war mal was mit Message" schon nicht mehr richtig. Ich gehöre ja zu Hip Hop, also ist ein Mini-Teil immer noch was mit Message. Wenn ich an den Mainstream denke, handelte Rap oft von Bling Bling und Belanglosigkeiten. In meiner Wahrnehmung hat es sich aber mittlerweile vom ausgedachten Fantasie-Battle-Rap in die Realität verschoben. Die Rapper haben jetzt wirklich viel Geld und rappen einfach nur noch darüber. Wenn früher einer in einem Battle-Text von seinem Ferrari gerappt hat, war das Fantasie-Scheiße. Das konnte man anders einordnen. Wenn ich andererseits an den Ami-Rap denke, den ich gehört habe, war das immer eine Mischung aus Conscious- und Gangster-Rap. Rap ist so groß geworden, aber die Sparte Message ist nach wie vor ein kleiner Teil. Klar, wir haben jetzt mit Kendrick Lamar auch Superstars, die über Missstände rappen. Rap mit Inhalt fühlt sich dennoch wie ein gallisches Dorf an.

Ich habe in meiner Review ein bisschen provokant diese Aufzählung gebracht. Wenn du im Song rhetorisch fragst "Solltet ihr nicht auch in der Mucke Stellung beziehen?", fallen mir Ebow, Zugezogen Maskulin, Neonschwarz oder Audio88 ein.

Natürlich gibt es Rapper, die in der Musik Stellung beziehen. Es gibt aber auch ganz bekannte Größen, die, wenn etwas gesellschaftlich passiert, höchstens mal einen Post absetzen. Dann gibt es eine Chemnitz-Veranstaltung, auf der alle gegen rechts auftreten, aber wenn du dir einige der Acts von dort anguckst, sind deren Lieder fernab von solchen Themen. Dann geht es wieder nur darum, Party zu machen. In dem Moment, in dem alle die AfD bashen, posten es alle, aber in der Musik passieren ganz andere Sachen. Es wird immer nur Stellung bezogen, wenn es gerade angesagt ist.

Auf der anderen Seite wird bei Leuten wie Helene Fischer immer bemängelt, dass sie sich abseits der Musik nicht positionieren, weil sie keine Käuferschichten vergraulen möchten, die rechts stehen.

Ja, das ist noch schlechter. Es ist natürlich wünschenswert, dass man sich mal positioniert. Das ist gar nicht das Thema. Aber ich wünsche mir, dass es auch in der Musik passiert. Wenn du dich nur positionierst, weil es ohnehin alle machen, ist es schon wieder weniger Wert. Es ist auffällig, dass es oft passiert, wenn gerade etwas viral gegangen ist. Die Leute, die du aufgezählt hast, beschäftigen sich wahrscheinlich rund um die Uhr damit. Deswegen passiert es bei denen auch in der Musik. Das machen meiner Meinung nach nicht so viele.

In "Einigkeit, Rap und Freiheit" hast du die "lethargische Grundhaltung" der Gesellschaft insgesamt bemängelt. Findet nicht eine neue Politisierung statt, wenn selbst Joko und Klaas immer wieder Sendezeit der Seenotrettung widmen?

Kann sein, aber ich weiß nicht, wie repräsentativ das für die ganze Masse ist. Bei "Fridays for Future" habe ich etwa das Gefühl, dass gerade auch Jugendliche im Vergleich zu mir, als ich in dem Alter war, viel aktiver sind. Eine Politisierung ist gesellschaftlich schon zu beobachten, aber umso mehr wundert es mich, dass ganz viele Leute immer noch nichts ändern. Ich weiß nicht, ob die Demonstrationen, außer einiger riesen Events, wirklich größer oder ob die Petitionen mehr werden. Mir kommt es so vor, als ob in gewissen Kreisen, Schichten oder Altersgruppen mehr Bewusstsein für bestimmte Dinge entsteht, aber im Großen und Ganzen müsste hier schon längst sowas passieren wie in Frankreich mit den Gelbwesten. Dass die Leute die Dinge wirklich in die Hand nehmen und dafür jede Woche auf die Straße gehen. Anscheinend geht es den Leuten noch zu gut. Du kannst viel meckern und dich über viel aufregen, aber das passiert am Stammtisch. Wirklich versuchen, etwas zu ändern, machen ja nicht alle. Die Leute sind immer noch in ihren Mustern gefangen: Zur Arbeit gehen, den ganzen Tag ackern, nach Hause kommen, Fernsehen gucken, fertig. Das ist die Lethargie.

"Fridays for future" setzt sich für Umweltschutz ein, "March for our Lives" gegen die Waffengewalt in den USA, Malala für Bildungschancen. Woran liegt es, dass der Protest vor allem von jungen Menschen und häufig weiblichen Symbolfiguren ausgeht?

Warum sie weiblich sind, weiß ich nicht, aber es liegt auf der Hand, dass es von jungen Menschen ausgeht. Man wird in eine Welt hineingeboren und ist erst mal mit den Umständen konfrontiert. Wenn man für gewisse Ungerechtigkeiten oder Missstände ein Bewusstsein entwickelt, will man erst recht rebellieren. Die Kids denken sich: 'Irgendwann seid ihr alle weg, und wir müssen dann mit eurer Scheiße leben'. Es ist aber auch schwer, eine allgemeine Aussage zu treffen. Das wird bei "Black Lives Matter" deutlich. Schwarz zu sein in Amerika und täglich zu sehen, dass schwarze Jugendliche von weißen Bullen erschossen werden, ist einfach krass existenzbedrohend und wirkt sich auf deren Alltag unvorstellbar für uns aus. Ich kriege schon ein ungutes Gefühl, wenn ich Bullen sehe, aber was müssen die denken? Das ist ein viel krasserer Missstand. Gerade wenn du jung bist, hast du vielleicht keinen Bock immer nur zu reden, weil auch die Politiker die ganze Zeit reden. Dann denkt man sich: 'Komm wir gehen auf die Straße und machen Action.' Da ist die Wut so riesig. Wenn man erwachsen und gefestigt in seinem Leben ist, wird man auch müder und satter. Es ist nur logisch, dass das Feuer von jungen Leuten kommt.

So wie ich "Black Lives Matter" wahrnehme, sind sie bezüglich der Altersgruppen breit aufgestellt. Sind die Proteste, die von jungen Leuten ausgehen, nicht gerade deshalb so entwaffnend, weil sie so gesittet sind statt auf Action aus zu sein?

"Black Lives Matter" haben ganz viele friedliche Demos, aber mir fallen schon Bilder ein, wo die komplett frei gedreht sind. Deswegen ist es schwer, das zu verallgemeinern. Wenn du nach Frankreich zu den Gelbwesten guckst, findest du richtig viele, teilweise unpolitisierte Jugendliche, die einfach nur Bock haben, richtig Action zu machen. Da gehen ganz viele auf die Straße, die ihr eigenes Leben so krass ankotzt. Die haben aber keine politische Meinung, außer alles ist Scheiße. Friedlicher Protest ist natürlich extrem entwaffnend, wenn es eine riesen Masse ist. Andererseits gab es eine Demo in Frankreich im Stil von "Fridays for Future". Da saßen ganz viele Jugendliche einfach auf dem Boden. Das hat die Bullen trotzdem nicht davon abgehalten, allen aus wenigen Zentimetern Entfernung die Augen mit Tränengas vollzuballern. Es wirkt anscheinend nicht immer so entwaffnend, auch wenn es friedlich gemeint ist.

Hast du den Eindruck, dass sich die Franzosen leichter mobilisieren lassen?

Im Vergleich lassen sie sich anscheinend leichter dazu mobilisieren, richtig abzugehen. Ohne in all diesen Ländern gewesen zu sein oder Sozialstudien gemacht zu haben, würde ich generell behaupten, je mehr Missstände in der Gesellschaft vorliegen, desto mehr knallt es. Ich glaube, da sind andere Länder einfach viel krasser dran als Deutschland. Hier passiert auch viel Scheiße, aber den Leuten geht es im Grunde genommen ganz gut.

"Mittlerweile gibt es niemanden mehr, der das Wort Gentrifizierung nicht kennt"

Du bist ja Berliner. Seit einiger Zeit steht die Stadt wegen der massiv steigenden Mietpreise im Fokus. Als Lösung fordert eine Initiative die Enteignung der Wohnungsgesellschaft "Deutsche Wohnen". Wie stehst du dazu?

Grundsätzlich finde ich das ziemlich interessant und cool, dass über so etwas überhaupt nachgedacht wird. Ich habe noch ein Bandprojekt, und wir sind letztens für ein Haus aufgetreten. In Berlin sollten dreizehn stinknormale Wohnhäuser verkauft werden. Die Bewohner hatten erst mal Schiss, weil nicht gesagt wurde, wer die gekauft hat. Dann kam raus, dass zumindest dieses Haus an die drei Brüder gehen sollte, denen Zalando gehört. Zalando ist ein riesiger Konzern, der sich ohnehin schon in die ganze Stadt einkauft. Die bauen gerade in Kreuzberg an der ehemaligen Cuvry-Brache ein neues riesen Haus. Alleine nach den Quadratmetern sind sie nach der Bundesregierung der zweitgrößte Vermieter in Berlin. Denen gehört schon richtig viel Fläche, und die verändern damit notgedrungen die Stadt. Und dann wollen die auch noch andere Immobilien kaufen. Selbst wenn sie nur machen, was alle machen – Haus kaufen, schick machen, teurer verkaufen – und die Leute mussten in der Zwischenzeit alle raus, passiert so viel, was die Stadt verändert auf dem Nacken der Leute, die hier wohnen. Warum? Denen geht es doch schon gut. Da geht es nur darum, noch mehr Geld zu machen. Insofern finde ich es voll Okay, dass man darüber nachdenkt. Ich kenne auch Leute, die von heute auf morgen Mieterhöhungen bekommen haben und teilweise raus mussten. Ich bin selbst betroffen und habe – auch wenn es nicht die Welt ist – wieder eine Mieterhöhung gekriegt. Das ist schon die letzten Jahre immer mal wieder passiert. Und irgendwann wird es dann einfach zu viel. Die Vermieter waren auch früher schon nicht arm, sondern haben Geld gemacht und davon gelebt. Jetzt machen sie es alle nur teurer, weil die Gegend oder die Stadt angesagt ist. Die Leute leben in den wenigsten Fällen in dieser Stadt, sondern gehören zum Teil zu Firmen in Skandinavien oder London. Wem gehört die Stadt? Die Häuser können von mir aus denen gehören, aber die Stadt gehört den Menschen, die hier wohnen. Die machen die Stadt zur Stadt. Deswegen können die meiner Meinung nach auch entscheiden, was mit der Stadt passiert.

Wie nimmst du denn die Stimmung vor Ort wahr? Hat die Initiative Aussicht auf Erfolg?

Die "Deutsche Wohnen" zu enteignen? Ich weiß es nicht. 2013 habe ich "Anti Turista" gemacht. Da haben selbst in Berlin Leute noch gar nicht gewusst, worüber ich da rappe. Mittlerweile gibt es niemanden mehr, der das Wort Gentrifizierung nicht kennt. Es sind noch viel mehr Leute in meinem Umfeld betroffen als vor fünf, sechs Jahren. Generell wächst das Bewusstsein, weil es geisteskranke Ausmaße annimmt. Wenn etwas gebaut wird, dann immer nur neue Luxushäuser und keine Sozialwohnungen, die sich die meisten leisten können. Du siehst überall Baustellen, du siehst überall Leute, die Sachen aus dem Fenster hängen, auf denen steht, dass sie rausgeschmissen werden, weil das Haus aufgekauft wurde. Überall kommst du in Berührung damit. Die Menschen kriegen viel mehr ein Bewusstsein dafür.

Kevin Kühnert hat sich vor einigen Wochen in die Debatte eingeschaltet, sich prinzipiell für Kollektivierung ausgesprochen und die Ausbreitung des Kapitalismus in den meisten Lebensbereichen kritisiert. Hat dich überrascht, dass sich ein prominenter Politiker derart äußert?

Viele Leute haben mir das geschickt und gefragt, wie ich das finde. Ich habe bis heute einen Tab in meinem Browser offen, damit ich mir das noch reinziehe. Zu dem Zeitpunkt habe ich es nicht verfolgt, weil ich krassen Release-Stress hatte. Es fiel in die Zeit, als ich den Mix und das Master fertig machen musste. Deswegen ist es ein bisschen an mir vorbeigegangen. Ich habe es aber mitbekommen und generell überrascht es mich nicht, auch wenn ich den Typen nicht krass auf dem Schirm habe. Es ist ja nur logisch. Wenn es eine Politisierung gibt, von der wir gesprochen haben, dann kann es auch mal einen bei der SPD geben, der was Cooles sagt. Mich hat eher überrascht, dass mir so viele Leute das geschickt haben. Entweder hat er etwas krass Schlaues gesagt, oder er hat einfach nur etwas gesagt, was die Leute zum ersten Mal gehört haben.

Gibt es denn Politiker in Deutschland, in die du Hoffnungen setzt?

Selbst wenn es diesen einen geben würde, den es meines Wissens nach nicht gibt, würde ich mich schwer tun, das hervorzuheben. In dem Moment würde ich Werbung für ihn machen. Damit würde ich wieder alles andere legitimieren, was in seiner Partei abläuft. Generell setze ich mich nicht krass mit Personalien auseinander. Nur weil jemand etwas Cooles sagt, heißt das nicht, dass er auf anderen Ebenen nicht trotzdem ein Arschloch ist. Ich traue erst mal gar keinem Politiker, weil das am Ende einfach ein gut bezahlter Job ist, und ich den meisten unterstelle, dass es einer der Hauptgründe ist, warum sie den Kack machen. Ich finde ein paar Ansätze ganz witzig. Zum Beispiel, dass es mittlerweile Satireparteien gibt, die die Themen mit Humor auf eine ernste Ebene bringen. Zur Europawahl habe ich einen Post nach dem Motto gemacht: Müsst ihr alle selber wissen, aber wenn ihr nicht hingeht, kann es auch nicht wirklich besser werden, sondern im schlimmsten Fall einfach nur schlimmer. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.

Ist für dich ein verstärktes Engagement außerhalb der Musik vorstellbar?

Ich mache neben meiner Musik schon in vielen Bereichen echt viel. Wenn die Frage aber in die Richtung zielt, ob ich mir etwas in der Politik vorstellen könne, dann hätte ich darauf gar keinen Bock. Ich will gar nicht über andere Leute Macht haben oder Dinge entscheiden, die andere ausbaden müssen. Zumal du dich mit allem möglichen Scheiß beschäftigen musst. Ich habe zum Beispiel keine Meinung zur LKW-Maut. Ich kann nicht zu allem eine Meinung haben, was nichts mit meinem Leben zu tun hat. Von der Politik erwartet man schon, dass sie zu allem was zu sagen haben. Ich sage immer zum Spaß: Vielleicht werde ich irgendwann Bürgermeister von Kreuzberg. Das wäre der Mikrokosmos, in dem ich mich mehr oder weniger auskenne. Aber auf jeden Fall nicht jetzt, und wenn ich ein alter Sack bin, ist wahrscheinlich wieder alles anders. [lacht]

Würdest du es als Parteiloser versuchen?

Das wäre wahrscheinlich interessanter. Ich höre auch oft von Fans, ich solle eine Partei gründen. Ganz ehrlich: Das könnte jeder Rapper machen, der eine große Base hat. Wahrscheinlich würde der alleine aufgrund seiner großen Base schon erfolgreicher werden, als ich mit meinen Inhalten. Es gibt aber keine Ambitionen von mir. Ich habe einfach Bock, Mucke zu machen und mich auf anderen Ebenen für meine Themen zu engagieren. Auch wenn ich Mucke mache, auf Bühnen stehe und meine Fresse in Videos zu sehen ist, bin ich nicht so der Typ, der unbedingt immer in der Zeitung stehen, im Fernsehen zu sehen sein oder im Mittelpunkt stehen muss. So eine Machtposition ist gar nicht mein Antrieb.

Ich befürchte ja zunehmend, dass Kollegah bald den deutschen Trump gibt.

Jetzt, wo du es sagst, kann sein. Wie gesagt, das ist vorstellbar bei einem Rapper mit einer großen Base. Irgendwann bist du durch deine erfolgreiche Karriere wahrscheinlich total abgehoben und driftest ein bisschen ab. Amerika macht ohnehin immer alles vor, was dann später hier passiert. Donald Trump war übrigens auf einem Lloyd-Banks-Mixtape. ["Mo Money In The Bank 4 – Gang Green Season"] Das hat mich letztens beschäftigt. Ich habe früher viel G-Unit gehört. Jemand hat mir jetzt mal empfohlen, mir das fünfzehn Jahre alte Tape zu geben, auf dem Lloyd Banks ein Shoutout von Donald Trump drauf hat. Ich frage mich, wie der jetzt dazu steht.

50 Cent wurde auch angesprochen, ob er bei der Vereidigung vorbeikommen und Trump unterstützen wolle. Das hat er aber abgelehnt.

Kanye West hat die Mütze getragen und es so dargestellt, als ob es cool wäre. Es gibt viele verwirrte Menschen, die erfolgreich sind.

Das waren jetzt viele ernste Themen, deswegen zum Abschluss noch eine vergleichsweise leichte Frage: Ich habe dir in meiner Review eine gewisse Humorlosigkeit attestiert. Worüber kannst du lachen?

Viele Leute können dir bestätigen, dass ich schon zur Schulzeit immer eher ein lustiger Typ war. Ich will jetzt nicht Pausenclown sagen. Privat kann ich über alles Mögliche lachen. In meiner Musik zeige ich viel von mir, aber ich zeige nicht alle Seiten. Da kanalisiere ich alles und kotze mich aus. Wenn es mir gut geht, habe ich nicht den Drang, kreativ zu sein. Das passiert schon eher, wenn mich etwas beschäftigt. Deswegen kennt man eher die Seite, die humorlos wirkt. Ich bin wie K.I.Z. ohne lustig zu sein. Ich lege einfach den Finger in die Wunde, während die Jungs es in Ironie verpacken. Bei K.I.Z. lachst du erst und peilst danach, worum es geht. Das ist auch ein Weg. Ich kann aber über vieles lachen und habe tatsächlich viel Spaß in meinem Leben. [lacht]

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