laut.de-Kritik
Haltung, Humor und eine spürbare Wut.
Review von Lisa RupprechtPresslufthanna bleibt ihrem Namen treu. Sie bringt Haltung, Humor und eine spürbare Wut mit und bewegt sich irgendwo zwischen Schwesta Ewa-Sample, Boom-Bap-Nostalgie, Memphis-Sound und Memes. Persönliche Themen treffen auf gesellschaftliche Kritik, verpackt in einen rohen, kantigen Sound.
Das Album startet mit dem Intro "I Vs Me", das auf einem Interview-Ausschnitt von Celo & Abdi basiert. Abdi erklärt darin, dass er keinen Beef mit anderen, sondern nur mit sich selbst habe und fügt trocken hinzu: "Aber Baklavas gehen rein wie Butter." Im Netz längst ein Meme, wird daraus bei PLH mehr als ein Gag. Sie nimmt den inneren Zwiespalt ernst und greift ihn im abschließenden Track "Arcteryx" wieder auf. Dort geht es um Selbsthass, emotionale Leere und das Gefühl, sich im Weg zu stehen.
Nach dem ironischen Einstieg wird es schnell ernster. "20 Karat" verbindet Härte mit Verletzlichkeit. PLH spricht über Depressionen, Therapie und Suizidgedanken: "Der Teufel in meinem Kopf erzählte mir nur Lügen / so wie Täter in meinem Kreis, von denen ich dachte, sie wären Brüder." Die Botschaft ist klar: Ihr Herz ist heute mindestens 20 Karat wert, nicht trotz, sondern wegen all der Brüche.
Auch "Trage Schwarz feat. MOUSSA" bleibt dunkel. PLH klingt distanziert, fast gelangweilt, aber bewusst. Der Beat baut sich langsam auf, der Einstieg zieht sich etwas, dann entfaltet der Song seine Wirkung. Moussas Part passt gut dazu. Keine leichte Nummer, aber eine wirkungsvolle.
Der Titeltrack "PLH" ist eine Art Selbstbeschreibung oder eine Vorstellung, über klassischen Boom-Bap. Feministische Statements treffen auf Straßenattitüde. Ohne Umwege macht die Künstlerin klar, worum es ihr geht: "Ich hab ne hohe Stimme, zieh mich an wie eine Barbie / und rotz trotzdem Typen ins Gesicht, die ein Frauenbild haben wie Nazis." oder "Nenne Hater Hurensöhne, aber eigentlich mein ich Freier."
In der Hook von "Eier" sampelt PLH Zeilen aus Schwesta Ewas Song "Peepshow 2", erschienen auf ihrem Debütalbum KURWA. Inhaltlich richtet sich das Stück gegen Missstände im Deutschrap-Kosmos: Sie kritisiert übergriffige Künstler, die trotz Vorwürfen weiterhin in Playlists landen, und begibt sich dabei auf die Suche nach "Eiern", also Haltung und Verantwortung in der Szene: "Rapper vergewaltigen und benehmen sich wie Säue / trotzdem findest du sie weekly bei Deutschrap Brandneu."
Es folgt ein kurzer Meme-Skit mit unter anderem Oliver Kahns legendärem "Eier! Wir brauchen Eier!". Ein netter Gag aber auf einem ohnehin kurzen Album vielleicht verschenkter Platz.
"Marvin" nutzt das Instrumental von Sidos Klassiker "Carmen", dreht die Perspektive dabei jedoch komplett um. Statt der Geschichte eines Mannes, der sich in eine Frau aus dem Rotlichtmilieu verliebt, rückt hier das Schicksal eines Opfers häuslicher Gewalt in den Mittelpunkt. PLH erzählt eindringlich von Gewalt in Beziehungen und davon, wie es sich anfühlt, die eigene Macht zurückzugewinnen. Dabei behandelt sie das Thema mit demselben beißenden Humor wie Sido. Es geht um Selbstverteidigung, ums Überleben und ums Zurückschlagen.
Weniger überzeugend ist "Zähne Glitzern Feat. Sarah4k": Trotz treibendem Beat mit dem Sample: "Whatz Up Playa" von Playa Poncho wirkt der Titel wie eine Art SXTN-Hommage ohne klare Richtung.
Dafür ist "Juckt Nicht" wieder ein Volltreffer, er ist kurz, frech, ungefiltert. Mit Notorious B.I.G. "Hypnotize"-Sample serviert die Rapperin einen kleinen, rotzigen Rauschmoment leider ist dieser auch: viel zu kurz.
Es ist ein starkes, aber kurzes Album. Es ist wütend, traurig, laut, bissig und selbstironisch. Mit nur zehn Tracks bleibt das Gefühl, dass da noch mehr gegangen wäre. Aber die Umsetzung ist stark: ein Mix aus feministischer Ansage, Meme-Kultur, Oldschool-Referenzen und persönlichem Schmerz.
7 Kommentare mit 2 Antworten
Die Vorabsingles fand ich sehr stark, Album wird bald gehört werden.
Konnte mit "Presslufthanna" nie was anfangen... Stimme zu dünn, Produktion ebenfalls, Künstlername zu hohl... aber ALTER, was sie an Buchstaben über Bord geworfen hat, hat sie doppelt und dreifach an Skills dazu geholt. Überaschend dope! Bin auch froh, dass das Album so kurz und kompakt geworden ist. Besser so als endlos Ausschussware.
Äußerst dope. Alles Banger. Der Track mit Sarah4k ist auch meiner Meinung nach der Schwächste, leidet aber am meisten darunter, dass der Rest so gut ist. So gut.
Die Tendenz geht ja allgemein zu kürzeren Releases, was ich ja eigentlich gar nicht so schlecht finde, aber in dem Fall hätte ich mir echt ein bißchen mehr gewünscht als 25 min Spielzeit mit 2 Skits.
Weil halt das, was da ist, so bombe geworden ist. Ich mochte ja So Nämlich schon sehr gerne, aber das hier legt echt nochmal ne Schippe drauf: wütender, fokussierter und in Teilen echt ganz schön Schmerzhaft.
Selten ist deutscher HipHop schöner zerlegt worden als auf Eier, im Gegensatz zu Caps und der Rezentin kann ich den Miami Bass Vibe von Zähne Glitzern ziemlich feiern, und Arcteryx erwischt mich aus persönlichen Gründen echt sehr doll. Puh. Die neue Beat-Ausrichtung passt tiptop, ich hätte nicht damit gerechnet, dass mich die Abkehr von der BoomBap-Schiene so wenig stört, finde das durch die Bank auch richtig geil produziert.
Einzig Marvin holt mich überhaupt nicht ab, ich habe keinen blassen Schimmer, was der Track mit einem machen soll. Leider finde ich ihn auch musikalisch mit Abstand am schwächsten, so dass ich auch nicht so richtig Bock habe, es herauszufinden. Naja, vielleicht growt der ja noch.
2 - 3 Tracks mehr hätten mich schon sehr gefreut, 4/5 aber auf jeden!
Zähne glitzern stinkt leider ab gegenüber Untenrum frisiert:
https://youtu.be/Q9au5I_m_4M
Yüah! Läuft in meiner Album-Playlist anstelle von Marvin.
Macht Bock.
"Dicker, du brauchst keine Gummis,
du verhütest mit deim' Mindset!"
fasst in "Eier" den Denkfehler großer Teile der Incel-Gemeinschaft fast schon lakonisch und jedenfalls besser zusammen, als es dem gesamten Muppet-Ensemble in der aktuellen Staffel gelungen ist.
4/5 geht absolut klar. Die Länge bzw. Kürze ist kein Minuspunkt.