laut.de-Kritik

Black, Psych, Prog, Romantik.

Review von

Im Grunde ist es ein verdammter Jammer. Während in Schweden einst Opeth und in Frankreich inzwischen Gojira zu den Lichtgestalten progressiven Extreme Metals gekürt werden, schlummert Deutschlands vielversprechendster Export dieser Gangart schon seit stolzen 23 Jahren im Untergrund. Schwer nachzuvollziehen, insbesondere nachdem Nocte Obducta mit ihrem "Nektar"-Zweiteiler vor zehn Jahren ihr Fähnchen auf dem Gipfel des Progressive Black Metal hinterlassen haben.

Nach zwischenzeitlicher Umbenennungsmisere und weniger am Metal orientierten Alben, von expressionistischer Soundscape-Kunst ("Sequenzen Einer Wanderung") hin zu eigenwilligem Progressive Rock ("Umbriel"), vertont das Mainzer Sextett nun Material, das ursprünglich jenen beiden wohl populärsten Platten aus den Jahren 2004 und 2005 folgen sollte. Die Mixtur interstilistischer Pinselstriche, mit der sich Nocte Obducta schon in den Neunzigern das Etikett "Avantgarde Black Metal" einhandelten, gehört nach wie vor zum Selbstbild der Band. Neu ist seit dem Reunion-Album "Verderbnis" (2011) der beharrliche, ständige Wille zur Eigenproduktion – die dem vielfältigen Songwriting auf "Mogontiacum" nicht gleich auf Anhieb das ganz große Hörvergnügen entlockt.

Der etwas knarzige Gitarren- und Drums-Mix erinnert in zwei wüsten Neunzigsekündern einerseits an Darkthrone-artige Knüppelorgien ("Löschkommando Walpurgisnacht", "Am Waldrand"), sorgt in doomigen, vermehrt auch psychedelischen Momenten aber auch für urigen Analog-Charme ("Die Pfähler", "Im Dunst Am Ewigen Grab Der Sonne"). Druck geht dadurch zu keiner Zeit verloren, Detailreichtum zuweilen schon. Wo "Nektar" im diskografischen Bezug fast schon als "überproduziert" tituliert werden darf, gelangt der hier womöglich Nocte-typischste (und stärkste) Song "Glückliche Kinder" zwischen Double-Bass-Inferno und Taktwechseln auch schon einmal ins Schleudern – und wird dem auf dem Papier über jeden Zweifel erhabenen Songwriting dank eigenbrötlerischer Produktion nicht immer ganz gerecht.

Musikalisch explorative Ausgrabungen scheuen Nocte Obducta allerdings auch auf Album Nummer elf zu keiner Zeit – trotz zahlreicher, längst etablierter Trademarks. Die schon auf "Umbriel" regelmäßig umherschwirrenden Synthesizer rollen immer wieder in Form verwaschener Strudelklänge über das Rockinstrumentarium hinweg ("Die Pfähler", "Desîhra Mogontiacum"), lassen dann aber auch wieder Platz für Gilmour-inspirierte Bending-Soli ("Im Dunst Am Ewigen Grab der Sonne") – oder eben die nötige Portion Geknüppel.

Zusätzlich schmiegt sich dann noch noch teils vierstimmiger Klargesang um einzelne Kompositionen ("Glückliche Kinder", "Die Pfähler", "Am Waldrand"), mal dezent gehaucht, mal mit dem Tiefgang gregorianischer Mönchschöre, doch immer unterstreichend, wofür Nocte Obducta seit ihrer Gründung stehen: Für den ewigen Wandel.

Ein Prozess des Wandels, der sich übrigens auch textlich niederschlägt. Denn im Gegensatz zum großen deutschen Poetry-Slam-Resteessen, dessen Keime sich inzwischen in jedem Genre von Metal bis Pop zeckenartig festzubeißen scheinen, bewegen sich Nocte Obducta mit ihren ureigenen Melange aus schwarzer Romantik und griechischer Mythologie längst auf eigenem Level. Ausnahmestücke wie "Glückliche Kinder" oder "Desîhra Mogontiacum" bersten voller Metaphern auf die eigene Historie und fassen die Vergangenheit mit all dem Warten, dem Zetern und dem Umdenken einer Band zusammen, die zu Lebzeiten wohl nie auch nur annähernd die verdiente Aufmerksamkeit erfahren wird.

Trackliste

  1. 1. Am Ende Des Sommers
  2. 2. Glückliche Kinder
  3. 3. Ein Ouzo Auf Den Nordwind
  4. 4. Lethe, Stein Und See – Teil I
  5. 5. Löschkommando Walpurgisnacht
  6. 6. Desîhra Mogontiacum
  7. 7. Die Pfähler
  8. 8. Am Waldrand
  9. 9. Lethe, Stein Und See – Teil II
  10. 10. Im Dunst Am Ewigen Grab Der Sonne

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