In einem Interview spricht der Sänger über "MTV Unplugged", AfD-Wähler, etc.

Berlin (ebi) - Läuft noch, bei Marius Müller-Westernhagen. "MTV Unplugged" steht mit Gastauftritten unter anderem von Udo Lindenberg in den Läden - längst überfällig, wie unser Rezensent schreibt.

Der heute 67-Jährige hatte es vor zweieinhalb Jahrzehnten schon einmal abgelehnt, dem TV-Format als erster deutscher Musiker eine Akustikshow beizusteuern. In einem Interview mit dem Spiegel erzählt Westernhagen nun noch einmal, weshalb. Zudem zeigt sich der unter anderem für sein Engagement gegen Rechts mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Musiker besorgt über eine zunehmende Entpolitisierung der Gesellschaft.

"Man reichte mir Kinder auf die Bühne"

So sei er damals für "MTV Unplugged" viel zu nervös gewesen: "Die Anfrage kam zur gleichen Zeit, als der ganze große Hype um mich entstand, womit ich schon genug zu kämpfen hatte. Ich habe ja nie geglaubt, dass ich dieses heilige Männchen bin, das alle damals in mir gesehen haben. Es ging ja schon so, dass Mütter mir ihre Kinder auf die Bühne hochreichten."

Diese Rolle habe er nicht ausfüllen wollen. Jetzt sei aber der richtige Zeitpunkt für eine Werkschau gewesen. Zumal das Format, so Westernhagen, in den vergangenen Jahren inflationär behandelt worden sei: "Da treten auch Leute auf, die haben gerade mal ein Album gemacht."

Angesprochen auf die politische Verantwortung von Musikern meinte er, Acts wie Bob Dylan oder James Brown würden heute keinen Plattenvertrag mehr kriegen, "weil das Musik ist, die stört". Die würde kein Radiosender mehr spielen. Heute sei alles nur darauf ausgelegt, Erwartungen zu erfüllen. Das habe mit Kunst oder Gesellschaftskritik nichts mehr zu tun.

"Zu dumm für Demokratie"

Überhaupt denken die Menschen seiner Ansicht nach nicht mehr in gesellschaftlichen Zusammenhängen: "Es gibt die politische Polarisierung zwischen Rechts und Links nicht mehr, es gibt nur noch wirtschaftliche Interessen. Man muss sich ja nur angucken, was in England mit dem Brexit oder in den USA mit Donald Trump passiert: Die Menschen sind über Jahre derart entpolitisiert worden, dass sie zu dumm für Demokratie geworden sind."

Wenn Leute ihren Protest ausdrückten, indem sie AfD wählten, gehe das in die falsche Richtung. Gleichwohl könne er den Frust verstehen: "In der Geschichte gab es immer dann Konflikte, wenn die Schere zwischen Arm und Reich zu groß wird und wenn es bei Ärmeren ans Existenzielle geht. Die werden dann wütend. Auch wenn sie es intellektuell nicht begründen können, warum. Die werden wütend, weil sie sich verscheißert fühlen, und das ist im Grunde auch richtig so. Wenn es von der linken Seite kommen würde, würde ich wahrscheinlich sogar sagen: Gar nicht schlecht. Das hat viele Jahre gefehlt."

Das Konzert in Dresden

Auf die Verknüpfung der wirtschaftlichen Problematik mit der Flüchtlingsfrage angesprochen, antwortete der Sänger mit einer Konzerterfahrung in Dresden im vergangenen Jahr, wo er das Publikum darauf hingewiesen habe, dass Flüchtlinge aufgrund existentieller Not hierher kämen: "Und dann denkt mal an unsere Geschichte, wie wir hier von einem Tag auf den anderen die Juden verjagt haben. Getötet haben. Und wir sagen, wir helfen euch nicht? Wo sind wir denn!? Die Reaktion war erst mal: Totenstille. Da war kein Jubel. Es gab sogar Pfiffe. Das fand ich erschreckend."

Dennoch sei er der Falsche, um eine "künstlerische Gegenbewegung zu formieren", er sei zu alt und sein Einfluss zu gering. So sei neulich in Berlin ein geplantes Solidaritätskonzert für Flüchtlinge gescheitert, "weil der eine mit dem anderen nicht spielen wollte". Für ihn in der Sache völlig unverständlich.

"Sportler sehen besser aus"

"Ich stelle mich für so etwas jederzeit mit Helene Fischer auf die Bühne. Aber wenn du so etwas machst, dann musst du es richtig machen. Dann musst du es groß machen, dass es einen richtigen Impact hat. Da findest du dann aber wieder keine Leute, die das finanzieren."

Zudem glaube er, der Einfluss von Musik sei nicht mehr gegeben. Junge, engagierte Musiker kämen nicht ins Rampenlicht. Außerdem haben Jugendliche nun andere Leitbilder: "Das sind heute eher Sportler. Erstens verdienen die besser, und zweitens sehen sie besser aus."

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Westernhagen

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