Der Hashtag #BlackTikTokStrike will rassistische Strukturen aufzeigen. Zum neuen Video "Thot Shit" von Megan Thee Stallion tanzt nun keiner mehr.

Internet (ynk) - Wenn auf TikTok ein Tanz viral geht, dann stammt er in den allermeisten Fällen von schwarzen TikTokern. Aber statt langsam zu wachsen, stellt sich normalerweise der folgende Mechanismus ein: Ein weißer Influencer mit großer Reichweite heftet sich an die Versen der Challange und präsentiert sie dem eigenen Publikum ohne Verweis auf die eigentlichen Macher. Geld verdienen vor allem sie dabei. Influencer wie Charlie D'Amelio oder Addison Rae nehmen also zum Beispiel an der "Renegade"-Challenge teil, werden dafür in US-Talkshows eingeladen und verdienen allein mit TikTok nach Schätzungen mehrere Millionen Dollar jährlich. Jalaiah, die TikTokerin, die den Tanz eigentlich erfunden hat, bleibt selbst nach größerer Medienaufmerksamkeit weit hinter diesen Zahlen zurück.

Nun wurde der Hashtag #BlackTikTokStrike ins Leben gerufen, um dieses Ungleichgewicht zu thematisieren. Die Washington Postsprach mit dem Influencer Erick Louis, einer der ersten lauten Stimmen in dieser Debatte. Er spricht vor allem über die Insensibilität gegenüber kreativen schwarzen Räumen, an denen sich weiße Nutzer ohne Respekt oder Wertschätzung bedienen. Zum Release der Single "Thot Shit" von Megan Thee Stallion, deren letzte Releases alle verlässlich auf TikTok durch die Decke gegangen sind, gab es dieses Mal also nur eine vielsagende Stille auf der App. Plötzlich sah es so aus, als hätten die weißen TikToker das Tanzen verlernt.

Kulturelle Aneignung ist ein komplexes Phänomen. Natürlich lässt sich schwer mit dem Finger auf die eine weiße Person oder die eine Plattform zeigen, die hier eine absolute Schuld trifft. Viralität und gerade TikTok sind eben dazu gedacht, um sich kreuz und quer zu verbreiten - und es gehört zum natürlichen Lebenszyklus eines Hypes dazu, irgendwann nach oben durchgereicht zu werden. Wichtig zu verstehen ist, dass es nicht darum geht, weißen Kids das Nachtanzen schwarzer Tänze zu verbieten. Vielmehr geht es um eine Dynamik, so alt wie Popmusik selbst, in der schwarze Kultur entsteht, von der Weiße schlussendlich spürbar mehr profitieren.

Es mag auf den ersten Blick ein bisschen albern wirken, wenn man hört, dass schwarze TikToker im Streik sind. Aber es ist nur die neueste Geschichte einer Popkultur und einer Mehrheitsgesellschaft, die sich die Ideen und Errungenschaften ihrer Minderheiten systematisch einverleibt, sie aber vom dabei entstehenden Profit ausschließt. Es ist wie Elvis und der Rock, Led Zeppelin und der Blues, der Techno, der Hip Hop, der Jazz und der Soul. Es gibt keine einfache Lösung, mit dieser Dynamik umzugehen oder sie zu bereinigen. Aber nur, weil man es gerade nicht besser weiß, sollte man nicht vergessen, wie diese Mechanismen funktionieren und wer schlussendlich davon profitiert.

Fotos

Megan Thee Stallion

Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Megan Thee Stallion,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger)

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4 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    "Es ist wie Elvis und der Rock, Led Zeppelin und der Blues, der Techno, der Hip Hop, der Jazz und der Soul."

    Ich weiß, die Meinung ist nicht mehrheitsfähig, aber Led Zeppelins Techno-Album ist tatsächlich mein liebstes von ihnen.

    Jux beiseite oder auch nicht, die einzige Lösung kann hier offensichtlich nur sein der Platform TikTok, dieser Matrjoschka-Puppe des künstlerischen Parasitismus, den Rücken zu kehren.

  • Vor 2 Jahren

    Mir stellt sich hier ja ganz klar die Frage wieso denken Leute, dass sie für das Erschaffen einer 30 Sekunden Tanzroutine Ruhm und Kohle verdient haben? Ich mein das ist doch Müll lol erschreckend ist doch, dass damit überhaupt solche Kohle generiert werden kann

    • Vor 2 Jahren

      Mir stellt sich hier ja ganz klar die Frage wieso denken Leute, dass sie für das Erschaffen einer 3 Minuten Gitarrenroutine Ruhm und Kohle verdient haben? Ich mein das ist doch Müll lol erschreckend ist doch, dass damit überhaupt solche Kohle generiert werden kann.

    • Vor 2 Jahren

      @Bussy
      Aber kopieren dieser "30 Sekunden Tanzroutine" und damit viel Geld verdienen ist okay, oder wie?

      Die Problematik bei diesen Aneignungen geht über den hier thematisierten Rassismus hinaus, denn es ist ein generelles Problem der Selbstbedienungsmentalität, und zwar Hautfarben, Geschlechter und so weiter übergreifend und auch nicht übergreifend.

  • Vor 2 Jahren

    Bester Artikel der Woche! Habe ihn meinem Vater vorgelesen - Er ist jetzt meine Mutter.