Nachdem das Urteil nun endlich schriftlich vorliegt, können die Anwälte von Pussy Riot Berufung einlegen.

Moskau (laut) - Nachdem die Punkband Pussy Riot vor gut einer Woche wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, haben ihre Anwälte jetzt Berufung eingelegt. Der Prozess soll zeitnah wieder aufgenommen werden.

"Wir konnten erst heute reagieren, nachdem wir den Richterspruch endlich schriftlich erhalten haben", zitieren deutsche Medien Pussy Riots Anwalt Nikolai Polisow. Die Urteilsbegründung sei zudem stellenweise sehr schwer zu verstehen.

Eklatante Verfahrensmängel

Beobachter halten eine deutliche Reduzierung der zweijährigen Haftstrafe für wahrscheinlich. Denn die handwerklichen Mängel des gesamten Verfahrens waren auch aus juristischer Sicht so eklatant wie offensichtlich. Der vorgeworfene und abgeurteilte Tatbestand des "Rowdytums aus religiösem Hass" ist nicht erfüllt.

Die Kirche haben sie nicht widerrechtlich betreten. Das warf ihnen nicht mal die Staatsanwaltschaft vor. Lediglich der erhöhte Altarbereich musste als Bühne herhalten. So etwas wäre nach üblichem Rechtsverständnis durchaus als ein Hausfriedensbruch zu bewerten. Eine derartige Banalität jedoch hätte kaum zu mehr als einem Bußgeld geführt.

Priester sind nicht Gott

Die ebenfalls behauptete Störung der Religionsausübung erfordert allerdings eine glaubensfeindliche Gesinnung gegen Gott und seine Anhänger. Der Text und die Aktion zeigt indes drei gläubige Frauen, die ja gerade die Hilfe der heiligen Mutter Gottes erflehen. Das Kritisieren der Verhaltensweise des Klerus wird man kaum als Gotteslästerung betrachten können. Priester und Politiker sind nicht Gott.

Deshalb bediente sich die Staatsanwaltschaft zur Auslegung des ohnehin schwammigen Verbots des "Rowdytums aus religiösem Hass" einer frühmittelalterlichen Kirchenvorschrift: der Trullanischen Synode aus dem Jahr 691 unter der Herrschaft Justinians. Dort steht tatsächlich in Kanon 75, dass widernatürliche Handlungen (aus denen man im Prozess dann "dämonische Zuckungen" macht) während des Kirchengesangs zu unterbleiben haben.

Klarer Verstoß gegen das Völkerrecht

Die Staatsanwaltschaft hat also eine rein kirchliche, noch dazu frühmittelalterliche Rechtsvorschrift zweckentfremdet, um vor einem weltlichen Gericht ein Urteil zu erreichen. Juristen sehen darin einen klaren Verstoß gegen russisches Recht, Menschenrecht und Völkerrecht gleichermaßen.

(Von Ulf Kubanke)

Weiterlesen

laut.de-Porträt Pussy Riot

Pussy Riot - 2012 ist dieser Name in aller Munde. Seit einem Aufsehen erregenden Auftritt in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale, der folgenden …

18 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    das stimmt schon. Es gibt natürlich Unterschiede, und das ist auch gut so. Nur .... ich mein ... das ist doch weder ein Grund noch ein Problem. Wenn ich wollte, das Frauen ganz und gar wie Männer wären, wär ich schwul :D
    ne aber .... ich mein, es gibt Unterschiede aber die sind relativ klein (ausser die Offensichtlichen natürlich wie ... körperliche eh?) aber damit hat sichs dann auch schon.

  • Vor 11 Jahren

    Geschlechter existieren nicht, es sind lediglich soziale Performances (Begriff der Performativität). Dazu Worte meiner Lieblingsfeministin, Judith Butler:"Acts, gestures, words and desire produce the effect of an internal core or substance, but produce this on the surface of the body, through the play of signifying absences that suggest the organizing principle of identity as a cause"(p.185)
    Woraus Butler konkludiert:
    "The performative body suggests that it has no ontological status apart from the various acts which constitute its reality" (ibid.)
    Düt bedeutet also, dass es Geschlechter nicht gibt, sondern nur gewisse Geschlechts-Konfigurationen, die als richtig und falsch angesehen werden, ansich aber willkürlich sind. Es gibt insofern keine Prädiskursivität, also keine Verhaltensmuster vor dem Eintritt in die Gesellschaft/Leben-an-sich - diese entwickeln sich immer erst durch die persönliche Erfahrung.
    Performativität bezeichnet dabei die konkrete Handlung. Erst indem man konkrekt als "Frau" performt, indem man also Handlungsweisen etc. reprodutziert, wird man eine Frau. Wie absurd dies eigentlich ist, zeigt die Drag-Queen/King. Äußerlich wäre sie (mal aus dem Sicht einer Drag-Queen) gerne eine Frau, innerlich ein Mann, da sie ja auf eine komplette Operation verzichtet, doch drückt doch diese äußere Performance eigentlich aus, dass sie innerlich eine Frau sein möchte und äußerlich ein Mann, da sie ihr Aussehen behält - der Gedanke eines "Gender-core" wird ad absurdum geführt. Die enzige Notwendigkeit die das Geschlecht hat, ist, so Butler: "Discrete Genders humanize individuals within society" (p.198)
    Es lässt sich bilanzieren: "Identity is a practice" (ibid.)

    Im übrigen ist Feminismus der Glaube an die ökonomische, rechtliche und soziale Gleichheit der Geschlechter (mal außen vor, dass es die eig. nicht gibt). Rechtlich sind Frauen und Männer (nicht aber Transgender!) gleichgestellt. Aber muss ich ernsthaft ausführen, inwiefern Frauen weniger Geld bekommen (empirisch bewiesen) oder schwerer aufsteigen (empirisch bewiesen). Und wie kann es sein, dass jede 10te Frau einmal in ihrem Leben vergewaltigt wird, von 100 Taten aber nur 3 zu einer Verurteilung führen? (Quelle: http://goodmenproject.com/noseriouslywhata…) Wie kann es sein, dass Frauen diffamiert werden, wenn sie sich freizügig anziehen (Vorwurf der "Nutte") oder als verschlossen (wenn sie sich nicht auf jede Offerte einlassen) und Street Harrassment an der Tagesordnung ist. Kurzum, wenn so offensichtlich Frauen und Männer nicht gleichgestellt sind, was soziale und ökonomische Aspekte angeht, dann erscheint es mir mehr als befremdlich, wenn sog. "Maskulinisten" meinten, Gleichheit bestehe. Gleichberechtigung vor dem Gesetz; von Gleichstellung ist man meilenweit entfernt.

    @CafPow
    Deinen Beiträg würde ich als min. unfundiert bezeichnen. Führe bitte das Schul-Beispiel genauer aus. Und bzgl. der "Hardcoreemanzen", es mag einige Sprachregelungen geben, die sind absurd; abgesehen davon ist die feministische Aktion weiterhin absolut notwendig (wie oben dargelegt).

    @soulburn
    Zustimmung. Dieses ständige Bemühen, Menschen vehement auseinanderzureißen, um zu sagen: "Haha, besser als ihr" ist nur der befremdliche Versuch, die eigenen Taten als natürlich zu legitimieren ("Männer sind so" - ne, sicher nicht, soziale Performances, die "männlich" genannt werden, sind so) oder noch trivialer das eigene Dasein zu vergötzen - es ist wieder einmal auch die Kulturindustrie mit im Spiel.

  • Vor 11 Jahren

    echt jetzt? Ich dachte es wäre ziemlich klar..
    Schulbeispiel: damit meine ich, dass ich von einem durchschnittlich Erwachsenen Menschen erwarten kann, dass er weiss, dass ein Mann einen Piephahn hat, und eine Frau eine Mumu, und dass das kein Grund sein sollte, selbiger weniger Lohn zu geben, nur weil sie kein Anhängsel hat.

    die "Hardcoreemanzen" (und wieder schreibe ich dieses Wort in Gänsefüsschen. In der Schweiz hat das so einen gewissen Touch wenn man das macht. Ich sag mal, es fehlt mir an einer besseren Bezeichnung dieser Tanten) ... nun diese genannte Spezies regt sich über kleinigkeiten auf und kämpft an vorderster Front für schwachsinnigen Schwachsinn während neben ihnen unbemerkt Mädchen beschnitten werden. (Achtung, überspitzt. Achtung)

    es ist Bullshit, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu solcher Ungleichheit führen, vor allem da die Unterschiede im relevanten Bereich äusserst marginal sind. Ob es jedoch hilft, sich irgendwelche Naturalien in diverse Körperöffnungen zu schieben halte ich für höchst zweifelhaft (um mal auf die Riots zurück zu kommen) ... denn ... sowas provoziert mich nicht mal mehr. Sowas langweilt mich persönlich nur.

    gut, dass muss auch der Russenomi n Herzkasperl schenken und nicht so einem verdorbenen Schluchtenscheisser wie mir.