Die Ära großer Musikkaufhäuser ist vorbei: Zwei Kultmarken kapitulieren vor dem Wandel der Zeit.

London (mis) - Die schwindende Relevanz großer Platten- und CD-Kaufhäuser hält an: Nachdem letzte Woche die französische Großhandelskette Virgin Megastore Insolvenz anmeldete, schreibt nun das britische Traditionsunternehmen HMV diese traurige Geschichte fort. Die 1908 gegründete Kultmarke meldete gestern Insolvenz an.

Sämtliche Versuche einer weiteren Finanzierung seien fehlgeschlagen, heißt es. Ein auf 265 Mio. Euro angewachsener Schuldenberg, Mietverpflichtungen in Millionenhöhe und ausgebliebene Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft hätten den Schritt unvermeidlich gemacht.

239 HMV-Geschäfte bleiben vorerst weiter geöffnet

Medienberichten zufolge sind zwischen 4300 und 6500 Jobs in Gefahr. Bis ein neuer Käufer gefunden ist, sollen die 239 Geschäfte in Großbritannien und Irland geöffnet bleiben. Mit HMV ("His Master's Voice" - Die Stimme des Herrn) streckt ein Musikkaufhaus-Pionier die Waffen im Kampf gegen die übermächtige Online-Konkurrenz Amazon und iTunes und die anhaltend schwache Wirtschaftslage.

Nach der Eröffnung des ersten Geschäfts auf der Londoner Oxford Street 1921 trug HMV wesentlich zur Verbreitung der Schallplatte bei. Das Konzernlogo mit dem Hund, der in ein Grammophon blickt, erlangte Weltruhm und ist auf Alben von Ella Fitzgerald, Elvis Presley und Morrissey verewigt. Anfang der 60er Jahre spielte HMV eine wichtige Rolle bei der Vermittlung eines Plattenvertrags für die als unkommerziell angesehene Gitarrenband The Beatles.

Günstige Supermarkt-Konkurrenz übermächtig

In den 70er und 80er Jahren galt HMV als ultimative Anlaufstelle für Musikbegeisterte. Bekannte DJs wie John Peel besuchten den Londoner Shop regelmäßig. In den 90er Jahren erweiterte das Haus sein Sortiment nach und nach um Entertainment-Produkte wie Shirts, Videospiele und Bücher, später dann DVDs, PC-Spiele und Gadgets, um mit der günstigen Supermarkt-Konkurrenz Schritt zu halten. Der Eintritt in die digitale Welt gelang mit dem Verkauf von Online-Musik im Jahr 2010 sehr spät.

Den HMV-Mitarbeitern bliebt derzeit nur die vage Hoffnung, dass der Plattenkonzern Universal Music das Unternehmen übernimmt und weiterführt. Universal übernahm 2012 für 1,4 Milliarden Euro das Tonträger-Geschäft des früheren HMV-Partners EMI und steht für die Miete zahlreicher Filialen in der Verantwortung.

FMAC einziger Überlebender in Frankreich

Die Umsätze der Musikindustrie schwinden seit Jahren. Bereits letzte Woche erklärte die französische Medienkette Virgin Megastore ihre Zahlungsunfähigkeit und überlässt dem Konkurrenten FNAC den aussichtslosen Kampf gegen Rezession und Internetanbieter.

Betroffen sind 1000 Mitarbeiter in 26 Filialen. Der berühmteste Shop ist auf den Champs Élysées in Paris, wo immer wieder Stars wie Tom Jones, Lou Reed oder One Direction für Autogrammstunden Halt machten. In den USA erkannte die Handelskette Tower Records die Zeichen der Zeit bereits im Jahr 2006 und schloss ihre Pforten.

96 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Irgendwie traurig.
    aber unvermeidbar, ich bestellt mir ja selbst meine CDs online.

    Kann mich aber gut erinnern wie begeistert ich als Kind/Jugendlicher warm, wenn es mit der Familie nach London oder Paris ging, und ich in den grossen Plattenläden rumstöäbern konnte. Das war einfach etwas anderes als das kleine Plattengeschäft in der Heimatstadt.

  • Vor 11 Jahren

    One Direction sind Stars? Wie lange war ich im Koma?

  • Vor 11 Jahren

    Als Frankfurter kann ich mich noch ganz gut an die Versuche beider Unternehmen in Deutschland Fuß zu fassen erinnern. Beide mit großen Läden auf der Zeil, beide maßlos überteuert. Gerade bei HMV waren die CDs oft 10 DM (ja, damit zahlte man 1999/2000 noch) teurer, als in vergleichbaren Läden wie WOM oder Saturn Hansa. Wenn die Preispolitik in den anderen Ländern wie eben England genauso war, frage ich mich eher, warum sie es bis ins Jahr 2013 geschafft haben.
    Dabei habe ich eine Grundsympathie für HMV, allein schon wegen des Logos und einem Teil der Geschichte.