Am 1. November 2007 stellte Trent Reznor das neue Saul Williams-Album als Download bereit. Für das exklusive Online-Album musste man entweder fünf US-Dollar oder gar nichts bezahlen. Nun nennt Reznor Zahlen.

Planet (mis) - Nicht erst seit NIN-Boss Trent Reznor sich mit dem "Year Zero"-Remixalbum "Y34rz3r0r3mix3d" aus den Fesseln seines Universal-Plattenvertrags befreit hat, ist er ein Freund der unmittelbaren Ansprache an sein Publikum. Die findet entweder per Youtube aus Festival-Backstagebereichen oder per Statement auf seiner offiziellen Seite nin.com statt.

Dort fühlte sich Reznor gestern bemüßigt, ein Resümee seiner waghalsigen Vertriebsidee für das 2007er Album "The Inevitable Rise And Liberation Of Niggy Tardust" des Rap-Poeten Saul Williams zu ziehen.

Die 15 neuen Williams-Songs sind seit dem 1. November exklusiv über niggytardust.com in drei Versionen zu erstehen: Als Gratis-Download in 192Kbps-Qualität oder für fünf US-Dollar (ca. 3,40 Euro), dafür aber als 320Kbps-MP3s oder wahlweise im verlustfrei komprimierten Dateiformat FLAC. Beide Versionen beinhalten eine Pdf-Datei mit Lyrics und Artwork.

Um die Gewissensfrage zu erleichtern wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die fünf Dollar dem Künstler helfen, seine entstandenen Unkosten zu decken. Ähnlich wie bei Radiohead durfte der Kunde also selbst wählen, ob er für die Musik bezahlt (Kreditkarte/PayPal), dann allerdings den Fixpreis von fünf Dollar.

Insgesamt hätten 18,3% der Fans diesen Preis bezahlt (Stand: 2. Januar 2008), verrät Reznor nun in seinem Statement, das dazu beitragen soll, "in diesen für Musikschaffende unsicheren Zeiten zu einer besseren Lösung beizutragen."

Hier die Zahlen: 154.449 Menschen wählten den Album-Download, 28.322 Menschen bezahlten fünf US-Dollar, dies entspricht einem Anteil von 18,3%. Von der zahlenden Kundschaft wählten 19.764 die ordentliche 320Kbps-Qualität, 3220 die 192Kbps-Version und 5338 nutzten FLAC.

Da Saul Williams' letzte Platte 2005 auf herkömmlichem Vertriebsweg 33.897 Einheiten verkauft hat, freut sich Reznor in erster Linie, dass Sauls Musik auf seinem Weg nun fünf Mal so viele Menschen erreicht.

Etwas entmutigend sei allerdings die Sichtweise, dass sich aus dem Pool von vorwiegend Saul Williams- oder NIN-Fans (denn außer auf dem Online-Weg wurde das Projekt nicht beworben) nur jeder fünfte bereit erklärte, für die Musik zu bezahlen.

Reznor: "Hinzu kommt: Wir haben - nein: ich habe zu viel in ein erstklassiges Team samt Studio, in die Musiker, einen alten Verlagsvertrag, Sample-Freigaben und die Übertragungskosten investiert, als dass irgend jemand an diesem Projekt reich würde."

Dennoch: Wie schon bei Radiohead fließen bei Reznors Vertriebswagnis keinerlei Ausgaben an Dritte, so dass sich der NIN-Boss und Williams zum jetzigen Zeitpunkt über rund 100.000 Euro Einnahmen freuen können. Interessant wäre in diesem Zusammenhang höchstens noch die ungefähre Summe der Ausgaben von Künstlerseite gewesen.

Unter dem Strich dürfte das Reznor/Williams-Modell jedoch eher keine Musterlösung für die reine Online-Vermarktung unbekannterer Acts darstellen, zumindest so lange sie so teuer produziert sind wie "The Inevitable Rise And Liberation Of Niggy Tardust".

Dafür bestätigte sich einmal mehr ein offenes Geheimnis: Ist ein Produkt im Netz sowohl für einen bestimmten Geldbetrag als auch umsonst zu erstehen, wird sich die Mehrheit der Kunden immer für das kostenlose Produkt entscheiden, selbst in qualitativ minderwertigerer Form. Selbst als Nine Inch Nails-Fan.

Fotos

Nine Inch Nails

Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | ©  (Fotograf: ) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Nine Inch Nails,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger)

Weiterlesen

NIN/Saul Williams Trent Reznor auf Radioheads Spuren

Vor zwei Wochen jubelte Trent Reznor, Mastermind der Nine Inch Nails, noch, dass er endlich seinen Vertrag mit dem von ihm ungeliebten Label Universal erfüllt habe. Aus den negativen Erfahrungen der Vergangenheit zieht der Industrialpionier seine Konsequenzen: Die Platte seines Projekts mit Slammer und MC Saul Williams erscheint nur im Netz. Und der Kunde entscheidet, wie viel er zahlt.

Radiohead Die Mehrheit zahlt nicht

Das große Rechnen geht weiter. Zuerst feierten alle eine Revolution im Musik-Business. Jetzt zeigen neue Zahlen jedoch die harte Realität auf: Die Ergebnisse des freien Preissystems sind eher ernüchternd.

laut.de-Porträt Saul Williams

Sternzeit 1986, Planet Erde, Chicago. Im Umfeld der Arbeiter- und Punkszene der nordamerikanischen Metropole (im "Green Mill" Jazzclub, von Marc Smith …

laut.de-Porträt Nine Inch Nails

"I hurt myself today, to see if I still feel." ("Hurt", 1994) Eine Zeile, die der große Johnny Cash siebzigjährig zu seiner Gitarre sang, die aber …

9 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Dafür bestätigte sich einmal mehr ein offenes Geheimnis: Ist ein Produkt im Netz sowohl für einen bestimmten Geldbetrag als auch umsonst zu erstehen, wird sich die Mehrheit der Kunden immer für das kostenlose Produkt entscheiden, selbst in qualitativ minderwertigerer Form. Selbst als Nine Inch Nails-Fan.

    Würde ich nicht sagen: Es haben ja mehr Leute online für das Album online gezahlt, als das letzte Album überhaupt gekauft wurde. Und vielleicht zahlen die Leute, die den Künstler vorher nicht kannten und nur wegen der Downloadaktion auf ihn aufmerksam geworden sind, ja beim nächsten Album.
    Im Übrigen verdienen die meisten Musiker ihr Geld sowieso nur noch mit Merchandise und Konzerten, da einfach
    a) zu wenig Leute Platten kaufen und
    b) man wenn man einen Plattenvertrag hat maximal einen Euro pro verkaufte CD bekommt, und das wäre sogar nich richtig großzügig!

  • Vor 16 Jahren

    Ja gut, nur jeder 5te hat bezahlt, aber was ist wenn den anderen das Album kostenlos geladen haben um es zu testen und es ihnen dann nicht gefallen hat?

    aus den 18% jetzt Schlüsse zu ziehen ist recht schwer. Ausserdem hätte ich den kostenlosen Download auf 128kbps gemacht, das lang für lau sicher und schafft vielleicht auch einen zusätzlichen Anreiz die 5 Dollar für eine bessere Version zu zahlen...

  • Vor 16 Jahren

    @+jl+: WORD!

    Mit Statistiken wird ne Menge Unsinn gemacht. Auch das Radiohead-Projekt ist als großer Erfolg anzusehen. Einer, der das neue Saul-Williams-Album gezogen hat, hätte es sich nicht gleich automatisch gekauft, um es probezuhören. Und da es keine andere Möglichkeit gibt, sich das Album anzuhören, haben einfach viele erstmal die kostenlose Variante gewählt. Und weh tut es ja auch nicht, bei Gefallen nochmal die 5$ auszugeben und sich die Musik in genialer Qualität anzuhören.

  • Vor 16 Jahren

    was mich aber noch interessiert: welche verbindung besteht zwischen saul williams und trent reznor?

  • Vor 16 Jahren

    Ich glaube, hätte man beide Albenversionen für 3$ und 6$ angeboten, dazu mit der möglichkeit, online snippets von kA 1-2min anzuhören, wären zwar insgesamt die Downloadzahlen niedriger gewesen, dafür hätten aber anteilig mehr die 6$ bezahlt.

    Bei vielen der "kostenlos" downloadern werden nämlich einfach Leute gewesen sein, die nur mal schauen wollten, wie die Musik so ist.

  • Vor 16 Jahren

    ich hätte mir das album nicht runterladen können, keine kk, kein paypal, und ich glaube da bin ich auch nicht der einzige...