Nach einem halben Jahrzehnt in der drögen Ernsthaftigkeit will Mama Monster uns zurück nach 2010 bringen.

Der Fame (ynk) - "Sweet But Psycho" von Ava Max pirschte 2019 dank langlebigem Radio und Streaming klammheimlich die Charts empor. Schlussendlich setzte es sich in den Jahres-Listen fest. Dort markiert der Song einen Wendepunkt: Der auf Electro-Pop produzierte Throwback-Hit ist der erste große Popsong, der das lange überfällige Nostalgie-Gefühl gegenüber den 2000ern zu barem Erfolg umgemünzt hat.

In Zeiten, in denen Kesha nach respektablen Alben wieder das Dollarzeichen in den Namen aufnimmt, um die Magie der "Tik Tok"-Zeit zurückzubringen, in denen Lil Uzi Vert die Backstreet Boys sampelt (wirklich passiert), war es nur eine Frage der Zeit, bis der Rückbezug auf die Jahre 2000 bis 2010 ein dominantes Motiv in der Popmusik zu werden droht. Ob es wirklich passieren wird, dürfte nun auf die Probe gestellt werden: Lady Gaga ist zurück mit einer neuen Single. Und sie ist so 2009, wie sie nur irgendwie erdenklich hätte ausfallen können.

Bestandsaufnahme: "Stupid Love" erinnert im melodischen Aufbau etwas an "Born This Way", greift mit den pulsierenden Synth-Leads aber eher die Synth-Pop-Ära von "Judas" oder "Alejandro" auf. Der Song, der eigentlich von Bloodpop mitproduziert wurde, hat bereits vor Monaten seinen Weg als Leak ins Internet gefunden, wo die Lady Gaga-Community den bezeichnenden Konsens fand, dass es sich dabei um eine verlorene "The Fame Monster"-B-Seite handeln müsse.

Es klingt wirklich sehr nach dem Album mit dem Motorrad-Cover, modernisiert haben die zeitgenössischen Produzenten höchstens den Mix und das Vocal-Sequencing in Ansätzen. Darüber hinaus findet sich hier nichts, das nicht auch vor zehn Jahren schon so hätten passieren können. Die Lyrics bleiben handzahm, der Beat ist griffig und hat Dampf, entwickelt sich aber nicht entschieden weiter, die Hook explodiert weniger als man es erwarten würde. Ein solider Track, wenn auch nicht herausragend.

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“STUPID LOVE” 2/28, midnight ET #lg6

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In diesem Sinne darf man sich durchaus fragen: Ist das ein Mission Statement? Kredenzt Lady Gaga hier eine neue Stoßrichtung für die Popmusik, die derzeit im auslaufenden Trap-Zeitalter in einer ziellosen Windstille treibt? Der Song an sich klingt auf jeden Fall zu schwach, um eine Rückbesinnung zum 2000er-Pop alleine zu schultern. Er ist aber gut genug und scheint auch solides Momentum zu besitzen, um einen sich ohnehin schon andeutenden Trend zu bündeln. Das sieht man übrigens kaum effektiver als am Video: Der zwecks Werbegag auf einem iPhone gefilmte Clip kommuniziert wohl am deutlichsten von allen Elementen des Songs, wie gerne Gaga zurück zu ihrer einstigen Weirdness zurückkehren möchte. Weg von Oscar-Duetts und Jazz, zurück zur LGBTQ-Szene, zum Camp und zu simpleren Zeiten.

Insgesamt ergibt das eine spannende Feldstudie: Ganz aufzugehen scheint "Stupid Love" nämlich nicht. Die Fans der Sängerin mögen die Richtung, stehen aber nicht geschlossen hinter der Single. Die Öffentlichkeit reagiert mit Neugier, aber nicht mit Begeisterung. Trotzdem entwickeln sich Klicks und Verkäufe solide, in den USA scheint ein Top Ten-Debüt realistisch, bei den Briten hat sie gegen The Weeknd sogar Potential für die Nummer Eins. Sollte der Erfolg für "Stupid Love" sich langfristig einstellen, könnte sie den Prozess beschleunigen, den Ava Max bereits angedeutet hat. Ob es gut für die Popmusik wäre, ist aber äußerst zweifelhaft. Nostalgie-Kreise scheinen kürzer zu werden. Aber eigentlich wäre Fortschritt schon spannender als Rückschritt. Lady Gagas neues Album "Chromatica" erscheint am 10. April.

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