Am ersten Popkomm-Tag ließ Hausmusik-Chef Wolfgang Petters die Bombe platzen: Sein Label mit angegliedertem Vertrieb ist am Ende. Im Dezember dieses Jahres ist Schluss. Durch die Aufgabe des Vertriebs geraten auch andere Labels in Bedrängnis. Dabei spiegelt das Aus von Hausmusik nur den Zustand des Business wider.

Konstanz/Berlin/München (mmö) - Mitte vergangener Woche verkündete Wolfgang Petters das Ende seiner Plattenfirma Hausmusik. Wie die Online-Ausgabe der Zeit berichtet, führten finanzielle Erwägungen den Münchner Labelchef zu diesem Schritt. "Wir sind nicht pleite und nicht konkurs, aber wir wären das in ein paar Monaten," zitiert die Wochenzeitung Petters.

Der gelernte Elektriker hatte Hausmusik 1991 gegründet und das Label über die Jahre als Marke für qualitativ hochwertige Musik abseits des Mainstreams etabliert. Hier erschienen Platten von Calexico, Lali Puna oder Queen Of Japan. Hinzu kamen ein Vertrieb und ein Plattenladen. Das Auslandsgeschäft wurde für Hausmusik immer wichtiger - und brach dem Unternehmen letzten Endes das Genick.

Wie der Besitzer erklärt, verkauften sich die von seiner Firma vertriebenen Platten im Ausland in letzter Zeit immer weniger. Oft kamen drei Viertel der Ladungen aus Übersee zurück. Diese wurden zwar abgerechnet und in die Läden gestellt, verkauften sich dann aber ebenfalls nicht. Klar, dass man auf dieser Basis nicht dauerhaft operieren kann.

So zog der 45-jährige jetzt die Reißleine. Ende 2007 ist Schluss, bis dahin sollen alle Geschäfte abgewickelt sein. Da dann der Vertrieb wegfällt, stehen auch andere vor Problemen, denn, wie Petters selbst Anfang des Jahres feststellte: "Wenn du heute ein Label gründest, hast du irrsinnige Probleme, einen Vertrieb zu bekommen, und wenn du keinen Vertrieb hast, kannst du auch fast gar nicht Platten verkaufen."

Vor genau so einem Problem steht Arne Gesemann von Nois-O-Lution. Quasi als Freundschaftsdienst promotet er die italienschen Disco Drive. Das zweite Album der Noiserocker "Things To Do Today" sollte ab Anfang November über Hausmusik vertrieben werden, nun muss Gesemann umdisponieren.

Bei der Band und ihrem italienischen Label Unhip Records herrscht Unsicherheit. Gesemann hofft auf eine Übernahme des Plattenvertriebs durch Indigo, muss aber die Band noch einmal anpreisen. Indigo ist verständlicherweise zögerlich, da man mit der Übernahme einer in Deutschland relativ unbekannten Formation ein Risiko eingeht.

Auch wenn sich Gesemann mit seinem Label nicht in seiner Existenz bedroht fühlt, gibt ihm die anhaltende Entwicklung zum Schlechten zu denken: "Etablierte größere Firmen sind alle am Ende oder am Rand. Und jetzt passiert sowas wie mit Hausmusik, oder vorher mit EFA [der Independent-Vertrieb ging 2004 pleite], das sind alles etablierte Indies gewesen. Ich frage mich dann: Wo ist das Licht am Ende des Tunnels? Kommt da noch was oder geht es jedes Jahr doch weiter bergab?"

Auch Nina Thomsen von Tapete Records bestätigte auf der Popkomm indirekt die prekäre Lage der kleinen Labels. Im Podcastgespräch mit laut.fm verriet sie: Dass sich die CD-Verkäufe um ca. 50 Prozent verringert hätten, merke man auch in Hamburg.

"Es ist sehr schwer, den Vertrieb zu überzeugen, dass da mehr rausgestellt wird. Wenn von einer Platte insgesamt 250 in ganz Deutschland in den Läden stehen, dann ist es klar, dass die Leute diese Platte nicht finden. Es ist gerade sehr schwierig, sich auf dem CD-Markt zu behaupten," erklärt die Label-Promoterin.

Natürlich sei da auch die Mitnahmementalität (Gerhard Schröder) Schuld, ein Umdenken ist offensichtlich nicht in Sicht. Es sei völlig klar, dass eine gekaufte CD zehnmal gebrannt werde, solange es so einfach sei, sich Musik anzueignen.

Solange das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer materiellen Anerkennung für Kunstschaffende nicht vorhanden ist, wird sich an dieser Mentalität wohl kaum etwas ändern. Die finanziellen Ausfälle sind bei den Kleinen am ehesten zu spüren, hier finden sich die ersten Opfer. Hausmusik ist eines von ihnen.

Beim Münchner Label sind fünf MitarbeiterInnen von der Schließung betroffen. Was aus ihnen wird, wissen sie noch nicht. Fest steht auf Nachfrage von laut.de bei Gründer und Geschäftsführer Petters nur, dass Hausmusik zur Jahresfrist für immer in die ewigen Jagdgründe eingeht. Keiner der Geschäftsbereiche wird weitergeführt. Einen Neuanfang schließt er ebenfalls aus. This dream is over.

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38 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    du hast eigentlich nur mit deinem letzten satz recht, anonymus. hier gehts ja nicht um ein major, dass scheiße statt musik rausbringt, sondern um ein kleines label, dass liebevoll musikalische nischen bedient. insofern hinkt dein argument ganz gewaltig. außerdem liegt es nicht daran, dass die cds/platten dieser kleinen labels so teuer sind, sondern daran, dass offensichtlich nicht mehr das bewusstsein vorhanden ist, für kunst zu bezahlen.

  • Vor 16 Jahren

    Ich glaube der Grund, warum hier so wenige kommentieren ist der, dass das sorgfältig zusammengezimmerte Weltbild vieler, dass man mit illegalen Downloads nur den großen unsympathischen Majors schadet, an Artikeln wie diesem zusammenbricht. Auch von der laut.de Redaktion hört man normalerweise ja auch immer "die Majors sind selber schuld". Bei einem Indie-Label schafft man es dann ganz plötzlich, ohne die sonstige Häme auszukommen. Auch nicht gerade konsequent.

  • Vor 16 Jahren

    Zitat (« Achja...BTW...nochwas...das die Künstler von Gesamtkuchen eines CD-Verkaufs fast am wenigsten erhalten, wird sich im Zuge der neuen Distributionswege auch erledigt haben...schliesslich will doch jeder Künstler anständig für sein Schaffen bezahlt werden... »):

    Da hinkt auch was.
    Daß ein Künstler vom Verkauf eines über ein Label vertriebenen Tonträgers nicht besonders viel verdient, mal in Relation zum Preis gesehen, mag schon stimmen, aber umgekehrt gibt es da andere Faktoren, die man mit dem Kauf einer CD mitbezahlt - und für die der Künstler im Regelfall nicht verantwortlich ist.

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    [quote="Skywise
    Zitat (« Musik ist ja nicht abhängig von einem bestimmten Trägermedium :) »):

    Nein. Aber sie würde 1. zum Gebrauchsgegenstand degradiert werden und 2. vermutlich eine drastische Banalisierung erfahren, da so gut wie niemand mehr in der Lage wäre, Musik als professionelles Geschäft zu betreiben.

    Gruß
    Skywise »):

    bei punkt 2 bin ich anderer Meinung... zwar wird der Konsum der Musik ein banales Geschäft. Dafür werden Konzerte immer wichtiger und nicht jeder banale möchtegern-künstler kann konzerte geben.

  • Vor 16 Jahren

    @Pinsel (« bei punkt 2 bin ich anderer Meinung... zwar wird der Konsum der Musik ein banales Geschäft. Dafür werden Konzerte immer wichtiger und nicht jeder banale möchtegern-künstler kann konzerte geben. »):

    Du treibst Dich nicht häufig in kleineren Clubs oder bühnenbestückten Bars rum, hm? :D

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    /quote]
    jawoll, wirf die plöhden scheiben alle weg. und deine festplatte frisst der blitz. »):

    Hey :D das oben war doch nur ein witz. Nein es ist aber irgendwo auch praktischerso man muss nicht immer die scheibe suchen habe auch winamp und die exteren festplatte fürmich entdeckt genial einfach künstler eingeben und nicht langes rumsuchen. Und man erspaart der cd ein paar gebrauchspuren:D