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Nachholstunde

Bevor wir aber mit dem aktuellen Kram anfangen, ich habe einen Schock, den ich kurz auskurieren muss. Letzten Samstag habe ich mit einer Freundin herumgehangen, die ich eigentlich für mehr oder weniger sehr fit mit dem K-Pop-Scheiß eingeschätzt hätte. Ist sie auch. Dritte Generation aufwärts kennt sie alles. Sie besitzt dieses Hipster-Gen und hat sich mit sehr viel First-Gen-Kram beschäftigt, was ziemlich cool ist. Aber dann hat sie mir erzählt, dass sie gerade durch eine Shinee-Phase geht. Wir haben ein bisschen Taemin-Stages geschaut und irgendwann kam heraus, dass sie nie "Lucifer" gehört hat. Ich will nicht gatekeepy rüberkommen, aber ich war nur ein bisschen schockiert, weil ich das neben "I Am The Best" von 2NE1, "Gee" von Girl's Generation und BIGBANGS "Fantastic Baby" zu den essentiellsten K-Pop-Songs ihrer Ära und überhaupt zählen würde.

Man weiß ja nie so recht, was den Test der Zeit überdauert und jeder hat dutzende Classics, die man sich nie angesehen hat, aber es tut mir leid, diesen Classic muss man gesehen haben. Denn er ist der beste aller 2nd-Gen-Songs. Wenn man einmal an den wirklich immensen 2011-Firsuren vorbeischauen kann und das ein bisschen alberne Video ausblendet, lebt "Lucifer" vor allem von dem bretternden Refrain und davon, dass die Produktion gefühlt ein einziges Crescendo nach hinten raus aufbaut. Der Song wird intensiver und intensiver, geht gefühlt durch fünf Bridges und baut am Ende eine Wucht auf, die man in Popsongs selten so gehört hat.

Shinee war eben irre wichtig, weil sie gleichermaßen trashy Popstars wie auch echt artsy Boys waren: Gerade die Choreographie, die Fashion, die Frisuren, das war für ein Genre, das an dem Punkt noch recht wenig von westlichem Pop unterschied, überraschend mutig und fast schon Avantgarde. Auch Tanzmäßig war das ein Level höher angesiedelt als das bisher Dagewesene. Meine These ist so ein bisschen, dass Shinee ein Parallelphänomen von dem war, was Lady Gaga für das Ernstnehmen der Kunstform Pop in Amerika gemacht hat. Fast alles, was heute weird und artsy im K-Pop ist, steht auf der Schulter dieser Giganten.

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