Seite 23 von 25

Deutschrap und Kritik

Also: Wie geht Deutschrap mit sich selbst um? Keine leichte Frage. Zum Glück ist sie, wie gesagt, auch uralt, und ich kann mich nach Herzenslust bei meinen älteren und weiseren Kollegen bedienen. Zunächst einmal: Wie wird überhaupt in einer Szene diskutiert? Schaut man in die 2000er, gab es Songs wie "Gangsta Rap" von Curse, die sich mit genau dem Themenfeld beschäftigt haben. Darüber hinaus gab es viel Gepöbel, Vorwürfe und eine Stimmung, die schlussendlich in Echokammern und Lagerbildung mündete. Die Studentenrapper und Gangsta-Rapper (wenn man diese Kategorien so verwenden mag) sind sich uneins und haben einander nichts zu sagen.

Sucht man nun aber im Hier und Jetzt nach Szenekritik, finden sich alle möglichen Artikel: Dennis Sand diagnostizierte Deutschrap 2015 ein "ernsthaftes Problem". Puls hat 2016 die Beleidigungen und Diskriminierungen einfach gezählt. Die neue Welle diskutiert über das schädliche Potenzial von Deutschrap für die Jugend. Weil Deutschrap immer noch als eine Einheit wahrgenommen wird, bildet sich eine eigenwillige Dynamik. Was macht eine Szene, wenn sie unter Beschuss steht? Natürlich: Sie antwortet.

Es ist ein bisschen interessant, wenn man sich dann Gegenartikel durchliest: Von rap.de bis Backspin reagierten die Hip Hop-Medien mit stimmigen Artikeln und Differenzierung. Der Tenor: "Joa, irgendwie hat Deutschrap schon ein Problem, aber ..." Es folgen immer entweder Abgrenzung (Aber es gibt ja auch die Guten!), Ausweichen (Das ist nicht unsere Schuld!) oder Gegenvorwürfe (Die Lebensrealität dieser Künstler nicht zu respektieren, ist auch problematisch!). Alles Antworten, die Antonia Baum auch in ihrem Zeit-Artikel anreißt. Unter dem Banner des Deutschrap-Journalismus' wird hier nun also wieder zusammengeschoben, was davor eigentlich schon lange fragmentiert war. Es gibt wieder ein einheitliches Deutschrap-Ding. Battlerap in Zeiten der Wokeness.

Große Einigkeit besteht auf jeden Fall darin: Deutsche Berichterstattung steckt in der Krise. Liest man sich Texte wie Jan Wehns "Irgendwann schrieb ich nur noch nett" und Daniel Gerhardts "Über Musikjournalismus" durch, ergibt sich ein Bild von einer gebeutelten Zunft, die nach stolzen, kritischen Tagen gerade gegen das Gewicht der Digitalisierung und gegen die Blasenförmigkeit der Szene ankämpfen muss. Wenn sie sich irgendwann mit genug kritischem Mut, eloquenten Artikeln und investigativen Thinkpieces zur Wehr setzen, wird der problematische Stuff irgendwann schon weggehen.

Aber ist das so?

Gehen wir hier noch einen Schritt zurück. Warum gibt es überhaupt Berichterstattung zu Subkulturen? Klar, weil Leute über Dinge reden wollen. Deswegen hat jedes Genre mit mehr als drei Artists an einem irgendeinem Punkt eine erste Generation an Reflektion darüber. Heutzutage sind das Subreddits, Reaction-Channels und Social Media-Gruppen. Früher (zum Beispiel im Hip Hop) waren es Fanzines, Barber Shop-Talk, irgendwann dann auch Mailing-Listen und Internet-Foren. Besonders kritisch geht es in den ersten Generationen nie zu. Alles ist leicht gemacht, hat kaum bis kein Budget und dient vor allem drei Zwecken: Legitimation, Identifikation und Community-Bildung. Schaut man derzeit auf Meme-Seiten, die über Trap shitposten, in den K-Pop-Subreddit oder liest den PC Music-Verteiler, sieht man viel Abgefeiere, die Bildung einer speziellen Lingo und Unmengen an Injokes. Es ist von den Kids, für die Kids.

Seite 23 von 25

Weiterlesen

Noch keine Kommentare