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Triggerwarnung: Tod

Apropos Astroworld: Wir müssen noch einmal ein wenig darüber reden. In den letzten Tagen offenbarte ein viraler Instagram-Post einer überlebenden Teilnehmerin den vollen Umfang des Grauens, das sich in der Menge abspielte, sowie das anschließende Unvermögen und die Ignoranz des anwesenden Personals, etwas dagegen zu tun. Es habe gerade einmal 30 Sekunden gedauert bevor Menschen begannen, ineinander zu "ertrinken". Hilfeschreie wurden nicht erhört, niemand schien zu realisieren, dass sie buchstäblich auf anderen zu Boden gefallenen Menschen standen: "There was a floor of bodies, of men and women, below two layers of fallen people above them." Das volle Statement ist absolut grauenhaft zu lesen und bricht mir das Herz.

Was mich hingegen wahnsinnig wütend macht, ist die Reaktion der Security und Service-Kräfte vor Ort. Die Schilderung der Überlebenden, sie habe unter Tränen versucht, einen Kameramann darauf hinzuweisen, dass wenige Meter vor ihnen Menschen sterben, wurde mittlerweile mit Videomaterial belegt. Er wirkt ratlos und filmt einfach unbeirrt weiter. Ein anderes Video zeigt Travis Scott, der von einer erhöhten Plattform in die Menge starrt, während ein mutmaßlich lebloser Körper abtransportiert wird, auch er singt einfach weiter. Einzig die zur Hilfe gerufenen Ärzte haben aktiv versucht, Menschen zu helfen, wenn auch vergebens in acht Fällen.

Ich will damit nicht individuellen Personen die Schuld für diese Tragödie geben, das wäre zu einfach und nicht richtig. Die Hauptverantwortlichen sind ohnehin die, die zum Zeitpunkt der Konzerts nicht anwesend waren. Die Promoter und Planer, die nicht für ausreichend Sicherheit sorgten und die Kapazität des Veranstaltungsorts überbuchten. Dennoch darf man die unverantwortliche Art, wie des Chaos vor Ort gehandhabt wurde, nicht außer Acht lassen.

Der Houston Chronicle hat eine detaillierte Timeline des Abends rekonstruiert, die weitere Kommunikationslücken und fahrlässiges Verhalten ans Licht bringt. Nicht nur habe es bereits vor dem Konzert mehrere Zeichen gegeben, die auf die Überfüllung der Venue hingedeutet hätten - wie etwa überlaufene Barrikaden und einzelne Verletzte bei einem Konzert kurz zuvor. Auch während des Konzerts wurde die Situation wieder und wieder falsch eingeschätzt und nicht ernst genug genommen.

Scott habe das Konzert zweimal kurz unterbrochen, als Krankenwagen begannen, in die Menge zu fahren, um sicherzugehen, dass diese ihr Ziel sicher erreichen konnten. Anschließend habe er sein Set fortgesetzt, mehrmals die Crowd aktiv angeheizt ("I wanna see the ground shake") und laute "Stop The Show"-Rufe überhört. Der Artikel schildert, dass Scotts Set für volle 37 Minuten weiterging, nachdem die Situation von der Polizei zum "mass casualty incident" erklärt wurde. Das Konzert wurde nicht vorzeitig beendet, Travis Scott endete mit "Goosebumps" und spielte die volle geplante Setlist.

Das Argument, das Stoppen der Show habe nicht in den Händen der Polizei und Promoter gelegen, widerlegt der Artikel. Zwei erfahrene Konzert-Promoter gaben zu verstehen, dass es bei Events dieser Art immer einen klaren Plan gibt, wer auf welche Art das Konzert binnen Sekunden unterbrechen kann, allerdings wollten sie aufgrund des Einflusses, den der Astroworld-Promoter Live Nation auf die Industrie hat, kein offizielles Statement ablegen.

Autor John Tedesco schreibt: "Cancellation can come from various people along the process, ranging from the artists themselves to promoters and police. Stage crews can, in a matter of seconds if necessary, turn off all power to the stage and broadcast safety and security messages on video boards and over the audio system." Nichts davon geschah im Falle von Astroworld.

Das wirft auch im Anbetracht des Verhaltens der Crowd, die zu Teilen ebenso ignorant gegenüber der Schwere der Situation aufgetreten sei, Fragen auf, die die Konzert-Kultur im Hip Hop als Ganzes betreffen. Wie kann es soweit kommen, dass Menschen beginnen, auf Krankenwagen zu tanzen, während neben ihnen andere Menschen wiederbelebt werden müssen?

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