Seite 10 von 25

Wut. Hass. Trauer. Erniedrigung.

Wenn wir schon von Cringe in den Charts sprechen. Wir haben da gerade noch einen Morast brodeln, gegen den "Layla" aussieht wie John Coltranes "A Love Supreme". Aber ich muss tatsächlich als Deutschrap-Redakteur sagen, dass diese neue Single von Kontra K, Sido und Leony nach inzwischen fast zehn Jahren das Schlimmste ist, das ich jemals gehört habe. Es verschlägt mir die Sprache, wie unglaublich seelenlos, unoriginell, lieblos, hingerotzt und einfach straight-up-balls-to-the-wall-komplett-beschissen dieser Scheißsong ist:

"Follow" markiert den Versuch von Kontra K, auch "Beautiful Girl" von Luciano zu machen. Also lässt er Leony "I Follow Rivers" von Lykke Li nachsingen. Und es funktioniert nicht. Erstmal, weil Lykke Li diese wunderschöne, einzigartige und extrem unterschwellige Stimme hat, eine der besten in der Indie-Geschichte. Und ich weiß nicht, was für Kriegsverbrechen Leony in ihrem vergangenen Leben begangen hat, dass sie jetzt in die Rolle der Pop-Müllabfuhr von Rap-Deutschland gelandet ist, die nur für die richtig schleimigen und ekligen Jobs gebucht wird. Aber wie sie hier "I Follow River" in der seelenlosesten, seichtesten Mitten Im Leben-Emotionalität nachsingt, hätte ihr das Ticket in den DSDS-Recall verwehrt. Dagegen wirkt ihr Capital Bra-Vize-Feature "Paradise" wie ein Meisterwerk.

Dann dürfen The Cratez einmal die generischsten Trap-Drums der Welt unter diese musikalische Kloake legen, bevor Kontra K kommt und irgendwie versucht, einer Frau Honig ums Maul zu schmieren. Und es tut mir Leid, aber dieser wandelnde FDP-Motivationsspruch-Kalender würde Gefühle doch nicht mal erkennen, wenn sie ihm im Boxring in die Fresse hauen. Richtig schlimm wird es, wenn er von gelangweiltem Rap in diese pseudo-emotionale, raue Stimmlage wechselt. Nicht nur, weil der Übergang dazu so plötzlich kommt, das völlig klar wird, wie aufgesetzt und erzwungen diese Stimmlage ist, sondern einfach nur, weil es wirklich einfach ganz grauenhaft klingt. Und dann macht Sido den zweiten Part. Und ich habe schon ein paar lieblose Sido-Parts gesehen, aber das hier schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. "Alles war grau und trist, heut hab' ich ein'n Engel, der mich beschützt / Ja, mit 'Engel' mein' ich dich", rappt er da. Danke für die Erläuterung.

Nein, ich pack's nicht. Ich pack das einfach nicht. Songs mit offensichtlichen Samples sind ja eh schon eigentlich Freifahrtscheine für einen Hit, aber wie beschissen müsste man sie denn noch umsetzen, dass sie nicht mehr funktionieren? Dieser Song hat nicht ein einziges Element, das nicht auf die plumpste, unsubtilste und menschenmöglichst geschmacklose Art umgesetzt wurde. Es ist der Soundtrack der Atmosphäre vom McFit am Vorabend zum Valentinstag. So unbeholfen und wack, dass es einen fast gruselt, dass sich Leute das wirklich anhören würden.

Seite 10 von 25

Weiterlesen

3 Kommentare