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"Werdet politisch!"

Reyhan Şahin, einigen vermutlich besser bekannt als Lady Bitch Ray, hat ebenfalls eine Meinung zum Thema, die sie in der Süddeutschen Zeitung ausbreiten darf: "Die Behauptung, dass Antisemitismus eben Bestandteil des Rap sei, stimmt einfach nicht", befindet sie da. "Dieser Trend ist relativ neu. Entstehen und wachsen konnte er, weil Rap lange Zeit ein relativ unbeachtetes Genre war. Er galt auch in Deutschland als Musik der Unterschicht und von jungen Heranwachsenden. So konnte sich unbeobachtet eine halb kriminelle Parallel-Community mit eigenem 'Ehrenkodex' bilden - oder zumindest eine, die so tut, als sei sie kriminell, weil das zum Bad-Boy-Image und zur Street Credibility gehört. Vieles davon war und ist natürlich nur Show."

"Ganz offenbar reicht es den Bad Boys nicht mehr, 'Nutten und Mütter zu ficken' und 'Koks zu verticken'", sieht Lady Bitch Ray eine Entwicklung. "Rap-Texte scheinen inzwischen mit Judenfeindlichkeit, Islamismus und Verschwörungstheorien aufwarten zu müssen, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Sonst schocken sie weder die jungen Käuferinnen und Käufer noch die weißen Männer aus der bürgerlichen Mittelschicht, die in den Plattenfirmen sitzen und solchen Künstlern eine Menge Geld für Musikproduktionen und Videos zahlen."

Im Vorübergehen watscht sie zwischen Bushido, Böhmermann und Bleibtreu mal eben Künstler, Plattenfirmen und Berichterstatter ab und verlangt der Szene eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen blinden Flecken ab. "Weder Antisemitismus noch Frauen- und Homophobie gehören per se zum Battle-Rap. Rap ist - wie jede Kunst - das, was der Künstler oder die Künstlerin daraus macht. Also, Jungs, hört auf, eure Lines zu verharmlosen! Steht zu dem, was ihr da ins Mic rappt. Werdet politisch, so wie es sich eigentlich für Rap gehört."

Da geht doch schon wieder ein kleines Pflänzchen Hoffnung auf. In einer Welt, in der Lady Bitch Ray einen lesenswerten Artikel schreibt, kann auch alles andere Gute jederzeit geschehen.

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