Guitar Hero, Party Animal, introvertiertes Genie. Doch bei allem Exzess: Eddie Van Halen war zart besaitet.

Panama (vog) - Als Eddie Van Halen am 6. Oktober 2020 infolge unzähliger Erkrankungen mit 65 Jahren stirbt, verliert der Rock'n'Roll-Zirkus einen der prägendsten Protagonisten. Er war ein Game Changer wie Jimi Hendrix, sind sich viele Beobachter einig. Paul Brannigan, Journalist und langjähriger Begleiter, beschreibt in "Eddie Van Halen: Ein Leben" (Ullstein Paperback, 304 Seiten, 22 Euro) den rasamten Aufstieg des Musikers und so manchen Fall.

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Dabei gründet sein Ruhm gerade auf vielen Errungenschaften, die die an Innovationen nicht armen Siebzigerjahre hervorgebracht haben. Gerade die Tapping-Technik prägte etwa Steve Hackett bereits fünf Jahre vor "Eruption" auf dem Genesis-Album "Selling England By The Pound". Auch die neoklassischen Ausflüge eines Ritchie Blackmore oder die singenden wie halsbrecherischen Einlagen eines Michael Schenker führten Vertreter wie Yngwie Malmsteen oder Steve Vai in den Achtzigern in neue Geschwindigkeits-Sphären. Und doch verkörpert der Sohn holländischer Migranten das Ideal des Guitar Hero ebenso wie das des introvertierten Genies, das sich rein der Musik verschreibt.

Journalist Paul Brannigan widmete Van Halen einen nicht geringen Teil seines Lebens. Tatsächlich reichte er das letzte Kapitel für dieses Buch im April 2021 ein. Van Halens Tod sei der Katalysator gewesen, das eigentlich bereits für 2015 geplante Unterfangen zu einem Ende zu bringen, so Brannigan. Die schillernde Laufbahn bildet er auf 300 Seiten komprimiert ab. Aus zahlreichen Gesprächen, Interviews und Artikeln zeichnet er das facettenreiche Bild eines Menschen, der immer auch selbstzerstörerische Züge an den Tag legte. Herkunft und Aufstieg Ende der Siebziger und die kommerziell erfolgreichen Jahre als Stadion-Act in den Achtzigern bilden das Gros der Lektüre. Als die Familie van Halen in den Sechzigern im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ankommt, ist der Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen, ein fernes Märchen. Der junge Edward saugt ebenso wie sein zwei Jahre älterer Bruder Alex den musikalischen Background des Elternhauses auf.

Harter Rock und cheesy Keyboards

Brannigan beschreibt plastisch die Ängste und Nöte des jungen Teenagers, der kaum Anschluss findet und Zuflucht in der Musik sucht. Der Vater - ein versierter Klarinettist und Klavierspieler - führt die beiden Lernbegierigen in die Welt der Musik ein. Neben einem profunden Wissen von der Welt der Töne zeigt Jan van Halen Alex und Eddie den Reiz des Nachtlebens. Eddie ist seit seinem zwölften Lebensjahr Kettenraucher und schlägt sich für den Rest seines Lebens mit dem Teufel Alkohol herum. Den Aufstieg erarbeitet sich die junge Gruppe als Einheizer bei zahlreichen Underground-Shows und Partys. Gene Simmons von Kiss produziert das Demo-Debüt. Doch erst unter den Fittichen von Ted Templemann wird die rohe, unverstellte Energie des Quartetts eingefangen. Der ewige Zwist mit dem Mann am Mikro, ob David Lee Roth oder Sammy Hagar, hat zahlreiche Anekdoten zur Folge. So hat Roth dem Welthit "Jump" aufgrund der cheesy Keyboard-Linie die Qualität abgesprochen.

Aufstieg und Fall

Ein ums andere Mal attestiert Eddie Van Halen seinem in ewiger Hass-Liebe verbundenen Sänger einen Sprung in der Schüssel. Wobei die öffentliche Darstellung von Roth als Exzentriker und Van Halen als stillem Künstler der Wahrheit nur teilweise nahe kommt. Die ausschweifenden Exzesse auf dem Gipfel des Erfolgs stehen Hedonismus-Experten wie Mötley Crüe in keinster Weise nach. Die Trias Sex, Drugs und Rock'n'Roll scheint nur auf die vier Nobodys aus Pasadena gewartet zu haben, um den ausschweifenden Lebensstil auf ein neues Level zu hieven. Der Gitarrist ließ seine Roadies sogar seine Verstärkerbox mit Kokain-Linien drapieren, um sich während der Show seine Kicks genehmigen zu können. "Dance The Night Away" und "Running With The Devil" bilden den passenden Soundtrack zum allabendlichen Gelage.

Der Abstieg der Band Ende der Neunziger parallel zum gesundheitlichen Verfall des Gitarristen findet ebenfalls Eingang im Buch. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass der unbändige Alkohol- und Drogen-Konsum das kreative Arbeiten des schüchternen Holländers erst möglich gemacht hat. Dennoch floppte der Neustart im Jahr 1998, das Album "Van Halen III" mit Extreme Sänger Gary Cherone auf ganzer Linie. Laut Van Halen war es die erste in nüchternem Zustand aufgenommene Scheibe.

Porno-Soundtrack und Knarre am Kopf

Brannigan kleidet den Wahnsinn eines Musikerlebens in zotige Worte. Dass die Band mit Originalsänger Roth und Van Halens Sohn Wolfgang der Band-Diskographie 2012 mit "A Different Kind Of Truth" einen versöhnlichen Abschluss verschafft, klingt tatsächlich nach einem Happy End. Den Stecker zieht 2017 schließlich der Krebs. Das Vorbild mehrerer Musiker-Generationen erliegt, wie Brannigan unter Aufzählung der zahlreichen Todesursachen feststellt, drei Jahre später seinem unsteten Lebenswandel. Wie man es von Celebritys im Rampenlicht kennt, wird jeder Winkel seines Lebens ausgeleuchtet. In der geballten Überschau Brannigans zwickt man sich beim Lesen doch einige Male: Es ist tatsächlich ein und derselbe Mensch, der das Solo des Michael Jackson-Klassikers "Beat It" im Vorbeigehen eindudelte, Musik für einen Pornofilm verfasste und Fred Durst eine Knarre an den Kopf gehalten hat.

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