Männerkrisen und Depression statt Hoffnung und Liebe: Der Hamburger bleibt in seinem Element.

Hamburg (rnk) - Heinz Strunk sieht einer arbeitsreichen Zukunft entgegen. Auf seiner Homepage hat er einen Fahrplan für die nächsten Jahre entwickelt, darunter eine achtteilige Fraktus-Serie und als großes Finale 2029 endlich den wohlverdienten Ruhestand. Ein guter Business-Plan, damit die Rente nicht allzu mickrig ausfällt. Mit seinen Freunden von Studio Braun schuf er seinerzeit neben dem Comedy-Mainstream eine eigene Form der Unterhaltung, in denen nicht nur Bierwitze, Mario Barth oder Chris Tall auftauchten. Stattdessen kaputte Männer-Typen und Alter Egos, in denen sich die eigene Depression und Misanthropie widerspiegelte. Am Bittersten wohl in der schonungslosen Autobiografie "Fleisch ist mein Gemüse" und der brutalen Serienkiller-Beschreibung "Der Goldene Handschuh".

Auch der namenlose, männliche Ich-Erzähler aus "Es ist immer so schön mit dir" führt die Loser-Inszenierung fort. Ein Musiker, Mitte Vierzig, den sein Leben und die erfolgreichere Freundin zunehmend abnervt, sogar regelrecht anekelt. Die Wochenenden verlaufen immer gleich, jedes Gespräch mit der Partnerin ermüdet: "Ihre Gegenwart hat etwas Sedierendes". Seine Erfolglosigkeit projiziert er auf seine Partnerin. Der Misanthrop scheint der leibhaftige Zwilling aus Josef Haders Film "Wilde Maus" zu sein, in dem ein Musikredakteur knietief in einer Lebenskrise steckt und dafür alle anderen verantwortlich macht. In diesem Film stürzt sich die frustrierte Hauptfigur in wirre Kirmes-Geschäfte, bei Strunks Figur ist es eine neue Freundin, die ihn aus der Lebenskrise holt.

Vanessa, seine neue Muse, ist das Gegenteil der peniblen Ex und im Grunde genauso selbstbezogen wie die Romanhauptfigur. Beide Figuren bleiben höchst unsympathisch in ihrem Egoismus, der sie aber paradoxerweise eint. Seine neue Liebschaft besitzt zudem ein frühkindliches Trauma, was zumindest ihr Verhalten erklärt. Hoffnung oder wirkliche Liebe ist in "Es ist immer so schön mit dir" nur selten spürbar, alles versinkt wieder in Tristesse und Menschenekel. Dafür zeichnet Strunk die Odyssee durch die Großstadtlandschaft und das Erste-Welt-Selbstmitleid mal wieder mit dem Seziermesser. Junge Menschen, in ihrer Lebensfreude die Nemesis der Romanfigur, scheißen sich sprichwörtlich ein, ihre aufgesetzte Fröhlichkeit ist rein drogeninduziert. Die Suche nach Anerkennung, oft mit Liebe verwechselt, scheitert meist schon an schlechten Flirtversuchen. Frauen verlieben sich fast oder gar nicht in ihn.

Das kennt man leider alles schon aus Strunks früheren Romanen. Die Figuren könnten wieder Jochen, Jürgen oder Johannes heißen, gähnend öde Normalos eben. Wer mit über 40 sowieso schon jeden Morgen in ein miesepetriges, vom Leben entttäuschtes Gesicht blickt, dürften Strunks Selbstherapien in Buchform wenig Erleuchtung bringen. Wie in einer schlechten Beziehung freut man sich irgendwann auf das Ende all dieser Miesepeterei, auch wenn man hin und wieder leider das eigene Nörglo-Ich wieder entdeckt. Wir sind halt alle wehleidige Arschlöcher und machen den Planeten in unserer Ich-Bezogenheit nicht besser. "Es ist immer so schön mit dir" ist ein typischer Strunk-Roman und somit ähnlich vorhersehbar wie ein Buch von Charlotte Roche oder Sven Regener. Man hat einfach zu oft in diesen Abgrund geschaut, um noch etwas zu empfinden.

Die Jury des deutschen Buchpreises hat "Es ist immer so schön mit dir" für den Deutschen Buchpreis 2021 nominiert.

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laut.de-Porträt Heinz Strunk

2015 wagt sich Mathias Halfpape alias Heinz Strunk endlich aus der Deckung und veröffentlicht sein erstes reines Musikalbum. Ein lang gehegter Traum.

5 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Ich bin ein großer Fan des Goldenen Handschuhs als Buch (der Film schneidet viel aus dem Buch raus und ist praktisch eine 180 Grad Kehrtwende vom Genre des Buches). Allerdings ist das auch der einzige Roman, den man von Heinz Strunk gelesen haben muss, weil sein restliches Ouevre im Grunde genommen nur "more of the same" ist, was einem Autoren nicht gerade als Kompliment genommen werden kann. Im Prinzip ist jedes Buch von ihm eine Erzählung über besonders ekelhafte Menschen, die in detailverliebt schildernder Sprache formuliert eklige Dinge tun und von einem Lebenstiefpunkt zum nächsten hinvegetieren.
    Ich würde zwei Sachen von ihm empfehlen - einmal, wie schon erwähnt, den Goldenen Handschuh und dann noch die "Teemännchen" Kurzgeschichtensammlung. Insbesondere letztere fasst ziemlich gut zusammen, was man in allen anderen Büchern von ihm sowieso schon liest.

  • Vor 2 Jahren

    Heinz Strunk, ein Künstler der es geschafft hat aus der tristen Realität eines erfolglosen Berufsmusiker Alltags zu entkommen. Der Preis ist die Offenlegung der eigenen Realität. Nicht wie so Viele ,die Dinge schönlügen. Schriftstellerisches Talent, musikalisches Talent ,künstlerisches Können. Ich mag Ihn und freue mich über seine Erfolge.

    • Vor 2 Jahren

      Geht mir auch so. Nur in Satiresendungen find ich ihn oft lahm und deplatziert, da fehlt ihm das Timing mit seiner Nuschelstimme. Damals mit Studio Braun live war das allerdings sehr lustig und unterhaltsam.

    • Vor 2 Jahren

      Ich finde sein Rhetorikkurs-Standup bei Extra3 unterhaltsam, weil ich im Berufsleben sehr häufig Leute gesehen habe, die in genau dem Tonfall und mit dem gleichen falschen Selbstbewusstsein über jedes beliebige Thema referieren konnten.

    • Vor 2 Jahren

      Check ich (gestern drauf geachtet) und ist wahrscheinlich wirklich beabsichtigt und was dran, haste recht. Richtig wegschmeißen muss ich mich da dennoch nicht

  • Vor 2 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 2 Jahren

    „Das kennt man leider alles schon aus Strunks früheren Romanen“ - leider? Ansichtssache. Nicht wenige werden die Strunkschen Bücher genau deshalb schätzen, weil sie wissen, was sie bekommen: Qualität nämlich.

  • Vor 2 Jahren

    Sehe das teilweise ähnlich wie der Rezensent. Strunk kann auch wesentlich witziger ("Fleisch ist mein Gemüse"), berührender ("Junge rettet Freund aus Teich") oder abgründiger ("Der Goldene Handschuh", "Das Teemännchen"). Dieses Buch hier ist mMn eher eines seiner durchschnittlichen Werke. Man kann es locker und schnell lesen, verpasst aber auch nichts Wesentliches wenn man es lässt. Wie immer geht's um sehr lebensnahe Charaktere, die sich selbst und gegenseitig konsequent im Weg stehen. Es fehlt aber irgendwie an wirklich memorablen Passagen. Ein solider Strunk-Roman. Als Fan bin ich weder enttäuscht noch begeistert.