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Hendrik Otremba - Über uns der Schaum

Worum geht's?

Joseph Weynberg hat sich in Zeiten des Untergangs einen besonders schweren Job ausgesucht: Er hält sich als Detektiv über Wasser. Die dunkle Welt, in der die Geschichte spielt, nahm ihm zuerst seine Geliebte Hedy und dann seinen Verstand. Saurer Regen prasselt nieder, die Menschen sind durchgeknallt und in den wenigen noch bewohnbaren Gebieten sind neue Metropolen entstanden. Als drogenabhängiger und abgeschmackter Ermittler fristet Weynberg nun an einem dieser Nicht-Orte sein Dasein, mehr dahinsiechend als lebendig. Genau dann wendet sich ein mächtiger Untergrundbaron an ihn, mit dem Auftrag, eine Frau zu finden.

Da Weynberg in jener Frau seine verstorbene Geliebte wiedererkennt, weckt der Auftrag neues Lebensgeister in ihm. Bei der Beschattung rutscht er tief in irgendwelche Milieus, die noch fertiger sind als er selbst und legt sich schließlich mit allen an, weil er die Gesuchte nicht in die Fänge des Barons gibt, sondern mit ihr flüchtet. Eine Jagd in Bonnie und Clyde-Manier beginnt – mit dem Unterschied, dass Weynberg und seine Begleiterin sich nicht gegen den Staat richten, sondern der Willkürherrschaft mafiöser Netzwerke zu entfliehen suchen. Ob die beiden überleben und Weynberg schließlich Frieden mit sich und dem Tod seiner Hedy schließen kann? Wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Wer hat's geschrieben?

Hendrik Otremba, Sänger und Textdichter der Band Messer. Er lieferte auf bislang drei Alben der Münsteraner zitierfähige Verse en masse, so dass es jetzt endlich Zeit für einen Debütroman wurde. Klar, dass seine sprachliche Versiertheit auf entsprechendem Boden wächst: Der Mann hat einen Background als Schreiber, doziert beispielsweise an der FH Münster im Fach Kreatives Schreiben.

Wer soll's lesen?

Messer-Fans belohnt Otremba immer wieder mit Bonbons in der Form eines Aha-Moments, wenn man Textzeilen aus Songs im Buch wiedererkennt. Schlaue Kundenbindung. Doch auch Messer-Unkundige verlieren sich in diesem Roman, den exemplarischen Überlebenskampf zweier Menschen zeigt, die in einer gar nicht so weit entfernten Zukunft leben könnten. Otremba erzählt eine Geschichte der Menschlichkeit inmitten verbrannter Erde.

Das beste Zitat:

"Wir mussten uns nur vorsehen, keinen falschen Schritt zu tun. Es war sicherer als in der Zivilisation, weil es hier keine Menschen mehr gab. Darüber hatte ich nie nachgedacht, doch jetzt spürte ich es. Ich mochte Menschen, ich wollte mich unterhalten, wollte Nähe, suchte sie, brauchte sie, fand sie und gab sie. Zumindest war das einmal so gewesen, vor Hedys Tod. Jetzt konnte ich es sehen. Dort wo die Menschen waren, musste man auch immer aufmerksam bleiben, durfte nicht unbedacht jemandem den Rücken zudrehen. Menschen lauerten allerdings hier nicht, wir waren die einzigen Friedhofsgänger. Und so liefern wir fast unbeschwert durch das traurige Szenario, das einst so viel Leben bedeutet hatte."

Über uns der Schaum*, Hendrik Otremba, Verbrecherverlag, 280 Seiten, 22 Euro.

Wertung: 4/5. Text von David Hutzel

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