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Christof Meueler/Franz Dobler "Die Trikont Story"

Worum geht's?

Ende der 1960er Jahre beschäftigten sich Deutschlands Studenten noch nicht mit Praktika, Lücken im Lebenslauf und dem neuesten iPhone, sondern mit dem Stand der Gesellschaft. Welche Alternative konnte es zum Post-Nazi-Mief geben, der sie damals prägte? Mitten drin ein Verlag, der sich 1967 gründete, so unprofessionell wie enthusiastisch vorging und dem gleich mehrere Coups gelangen: Die Exklusivrechte in Deutschland zu Che Guevaras "Bolivianischem Tagebuch" und die Veröffentlichung von Mao Tsetungs "Worte Des Vorsitzenden". Beides Bestseller.

Den Namen Trikont leiteten die Gründer von der "Trikontinenentalen Konferenz Der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas" ab, die 1966 in Kuba stattgefunden hatte. Bald verschafften sie auch der Frauen- und Schwulenbewegung Gehör. 1972 erschien die erste Platte "Wir Befreien Uns Selbst", mit Kampfesliedern für Fabrikarbeiter, die Mitarbeiter des Verlags eingesungen hatten. Seit 1980 ist Trikont ein reiner Musikverlag, nach wie vor alternativ und links, mit Künstlern wie Hans Söllner, Ringsgwandl oder Funny Van Dannen. Grenzen werden nur dann gezogen, wenn es sie zu überwinden gilt. Etwa mit der Compilation "Dirty Country", die 2008 stereotypisch weiße Musik sammelte. Von schwarzen Künstlern eingespielt.

Wer hat's geschrieben?

Christof Meueler hat erst letztes Jahr mit "Das ZickZack-Prinzip" über den Journalisten und Plattenchef Alfred Hilsberg für Furore gesorgt und kennt sich in alternativen musikalischen Angelegenheiten also bestens aus. Wie auch Franz Dobler, der bei Trikont fast schon zum Inventar gehört und aus dessen zahlreichen Werke die Johnny Cash-Biographie "The Beast In Me" heraussticht. Gemeinsam wühlten sie sich durch die Trikont-Archive, interviewten Beteiligte von damals und heute und betteten die Geschichte des Verlags in die allgemeineren Geschehnisse in Deutschland und der Welt. Das gelingt ihnen gut, ohne dass sie vergessen, mit den Augen zu zwinkern. Chapeau.

Wer soll's lesen?

Alt-68er dürfen hier in Erinnerungen schwelgen. Deutschlands Studenten, damit sie merken, dass der Sinn des gemeinschaftlichen Lebens nicht nur bei Praktika, Lücken im Lebenslauf und dem neuesten iPhone zu finden ist. Und alle, die Freude an einem schön gestalteten Werk haben. Sicher nicht einfach, so viele Fotos, Zeitungsartikel, Plakate und Texte unterzubringen, ohne dass die Seiten zu voll wirken. Das ist den Machern gut gelungen. Ein tolles Geschenk zum 50. Geburtstag, also.

Das beste Zitat:

Davon gibt es zuhauf, zumal am unteren Rand der Seiten durchlaufend Aphorismen und kluge Sprüche gesammelt sind. Zum Schmunzeln verführt die Beschreibung des Oberarztes für Kardiologie Georg Ringsgwandl, der 1986 seine medizinische Karriere aufgibt, um von der Musik zu leben. Was er zu Beginn bereut haben dürfte. "Sein erstes Album 'Das Letzte' nahm Ringsgwandl in einer Landkommune bei Landötting auf, ohne Produzent, aber mit massenweise Schmeißfliegen in einem improvisierten Studio, das eigentlich ein Stall war. 'Der Wind schreit scheiße', so coverte er Jimi Hendrix."

Die Trikont Story: Musik, Krawall & Andere Schöne Künste*, Christof Meueler/Franz Dobler, Heyne Hardcore, 464 Seiten, 30 Euro.

Wertung: 4/5. Text von Giuliano Benassi

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