laut.de-Kritik

Johnny, Mark und der Niedergang der Welt.

Review von

Everyone's asleep on the suburban lawn/Their dreams small talk above the bottles of Cabernet Sauvignon.

Nobel geht die Welt zugrunde. Johnny Whitney und Mark Gajadhar, hauptberuflich Sänger bzw. Schlagzeuger der Post-Hardcore-Avantgardisten Blood Brothers, sehen den fortschreitenden Verfall um sich herum. Registrieren, wie die Massen durch mediale Gedankenkontrolle gefügig gemacht werden. Erkennen, wie ein durch Nationalismus geeintes Volk bereitwillig in sinnlose Kriege zieht und wie das Streben nach Macht und Geld die Sinne verblendet. Anstatt sich aber mehrheitskonform der Apathie hinzugeben, schlagen sie als Neon Blonde einen spitzen Stachel in den Ballon alltäglicher Perversitäten.

Excuse me, mister ... but the roof is full of rotting babies/The ocean's black with decaying flesh.

Dabei funktioniert Whitneys unverwechselbares Organ, zu verorten irgendwo zwischen Mickey Mouse und der Extrovertiertheit eines brodelnden Dampfkessels, als einziger musikalischer Fixpunkt. Diese Stimme führt ins Album ein und auch gleich auf die falsche Fährte: "Black Cactus Killer" keift und lärmt wie eine Lofi-Version der Blutsbrüder. Dann rücken Drumcomputer, Synthies und ein fiebriges Piano ins Scheinwerferlicht, bevor "Chandeliers And Vines" Genrepolizei und Kleingeist endgültig den Kampf ansagt. Der Frontmann croont in einer fiktiven Hotellounge über Tastenklänge, um im nächsten Moment die Contenance völlig zu verlieren und mit rasiermesserscharfen Schreien die Gäste zu verstören.

We've bloomed from lovers to pornographers/We've bloomed from murderers to mass-murderers.

Unzählige Stilwechsel folgen im Dreiminutentakt. Das beinahe tanzbare Endzeitszenario "The Future Is A Mesh Stallion" erfreut mit fiependen The Faint-Synthies und stumpfem Sechssaiter. "New Detroit" startet mit Percussion und Singalong-Hooks, geht nach und nach in eine bitterböse Noise-Attacke über und schließt mit Flamenco-Gitarre. "Cherries In Slow Motion" changiert zwischen manischem Tango und Walzer, während klirrende Hi-Hats dem Hörer pausenlos das Messer in den Rücken rammen.

You float on a black cloud/With a camera crew to catch the bodies burning down.

Blut fließt auch im Highlight "Headlines", vorab als EP veröffentlicht. Treibender Drumbeat und Keyboards zeichnen abstoßende Bilder von ermordeten Teenagern und skrupellosen Reportern, die von Mordfall zu Mordfall eilen, um die Sensationsgier der Zuschauer zu befriedigen. Den nihilistischen Schlusspunkt setzt Joel Cuplin am Saxophon.

You know all I ever wanted was a little money in my pocket/and my face on the 5 o'clock news.

Noise, Hip Hop, Electronica, Jazz, Hardcore – Neon Blonde kennen keine Genregrenzen. Weil aber immer wieder begnadete Melodien durch diesen Wust aus poststrukturalistischer Experimentierwut dringen, verkommt der Freeform-Ansatz nicht zum Selbstzweck. Die Gesamtheit der Stücke, die des Öfteren an ausgefallene "Crimes"-Momente anschließen, birst fast vor Ideenreichtum und führt hinter die Kulissen von 'Reich & Schön'. Dort ist es beklemmend und Furcht einflößend, aber für aufgeschlossene Blood Brothers-Sympathisanten auf eine ganz spezielle Weise faszinierend.

Trackliste

  1. 1. Black Cactus Killers
  2. 2. Crystal Beaches Never Turned Me On
  3. 3. Chandeliers And Vines
  4. 4. Princess Skullface Sings
  5. 5. New Detroit
  6. 6. Headlines
  7. 7. Love Hounds
  8. 8. Dead Mellotron
  9. 9. Cherries In Slow Motion
  10. 10. Future Is A Mesh Stallion
  11. 11. Wings Made Out Of Noise

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