laut.de-Kritik

Die Isländer erstarren in der Schwanzrockpose.

Review von

Vor fünf Jahren trafen mit Viva-Moderatorin Colin Fernandez und den vier Mannen von Mínus zwei komplette Gegenwelten aufeinander. Der Musiksender sendete damals ein Island-Spezial. Wohl nur zufällig standen Krummi, Johnny, Frosti, Bjarni und Bjossi gerade für ein Interview zur Verfügung. Die Insel ist ja klein genug.

Die Band hatte, sollte man wissen, damals mit "Jesus Christ Bobby" ein denkbar brutales Whitenoise-Exotica-Monster geschaffen, eine krallige Bestie von Platte, aufgebaut aus ohrenzerfetzenden Frequenzgängen und panischer Klaustrophobie. Als die Frage aufkam, was für eine Art Musik Mínus denn überhaupt produzierten und der Vierer mit "avantgardistischer Rock'n'Roll" antwortete, musste ich über diese maximierte Untertreibung grinsen.

Dann kam "Halldor Laxness" und damit das Album, das sich dieser Definition nicht mehr völlig entzog. Gift und Galle waren hier zugunsten von Struktur und Haarlänge auf ein verträglicheres Maß zurechtgestutzt worden. Mínus gingen plötzlich ins Ohr und sparten, live nun ganz L.A. in Lederhosen und –mützen verpackt, an kaum einem Rockklischee.

Trotzdem verstanden es die Isländer weiter, die Drivekanäle ihrer Effektpedale wie niemand sonst auf Lärm zu polen. Seitdem sind fast vier Jahre vergangen, Bassist und Gitarrist haben das Handtuch geworfen, "The Great Northern Whalekill" steht an. Und schießt meilenweit vorbei am eigenen Anspruch, sich stets neu zu erfinden.

Was der schwache Opener befürchten lässt, machen die nächsten Nummern zur traurigen Gewissheit: Mínus erstarren in der breitbeinigen Monster Magnet-Schwanzrockpose von "Halldor Laxness". Das Image, das vorher für Kontroverse bzw. Unberechenbarkeit stand, aber dank Raserei und Durchschlagskraft auf festem Sockel fußte, hängt ausgehöhlt in der Dauerschleife.

Krummi und Anhang scheißen auf alles - speziell auf Inspiration, Genuinität, Poesie -, und richten sich in der Island-Rock-Nische gemütlich ein. Rock'n'Roll, glauben sie, benötigt im dritten Jahrtausend nur noch Dekadenz als Proklamat. Wie sehr sie sich irren, beweist ihr viertes Album.

So austauschbar und langweilig gab sich der Mythos lange nicht mehr. Jedes "Yeah!" wirkt ausgelaugt bis albern. Fernandez, übernehmen Sie.

Trackliste

  1. 1. Cat's Eyes
  2. 2. Black And Bruised
  3. 3. Shoot The Moon
  4. 4. Kiss Yourself
  5. 5. Throwaway Angel
  6. 6. Not Afraid
  7. 7. Rip It Up
  8. 8. Rhythm Cure
  9. 9. Futurist
  10. 10. Shadow Heart
  11. 11. Weekend Lovers

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3 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    mensch. wenn nich aus jeder pore innovation tropft hat sich ja nichma plattentests.de so zwanghaft engärschig.

  • Vor 16 Jahren

    @Naxx (« mensch. wenn nich aus jeder pore innovation tropft hat sich ja nichma plattentests.de so zwanghaft engärschig. »):

    wo bitte ist "the great northern whalekill" denn innovativ?
    man kann darüber streiten, wie gelungen die platte ist, aber im grunde genommen haben minus das album ziemich konservativ gehalten.

  • Vor 16 Jahren

    äh...genau das meine ich doch?

    deshalb is das zumindest in meinen augen aber noch kein ausgelutschter schwanzrock (hoho). schwanzrock vielleicht, aber damit kann ich sehr gut leben.

    sicher, wenn man von jedem album die neudefinition eines genres erwartet, is die mínus-platte herzlich untauglich. da ich aber ein eher genügsamer zeitgenosse bin, kann ich 'the great northern whalekill' auch nach wie vor gut finden und komme den ganzen innovationsfetischisten nicht in die quere.