laut.de-Biographie
Michael Cashmore
Der Brite Michael Cashmore ist eine Schlüsselfigur der Neofolk- und Industrial-Szene. Egal ob als Stammmitglied bei Current 93, Partner ikonischer Stars oder solo: Ohne den Briten sähe das Wave-Gothic-Genre anders aus.
Cashmore lebt und arbeitet seit 2004 in Berlin. Obwohl er der breiten Masse eher unbekannt ist, übt er besonders in den 80ern und 90ern großen musikalischen Einfluss aus und genießt bei Kollegen hohes künstlerisches Ansehen. Wenn er zur Kollabo ruft, eilen große Namen wie Nick Cave, Antony Hegarty oder Marc Almond ganz selbstverständlich zu gemeinsamen Projekten herbei.
Das liegt zum einen an seinem wegweisenden musikalischen Einfluss auf die Entwicklung Current 93s. Seit 1989 übernimmt er dort große Teile der Kompositionen und Arrangements. Besonders die Hinwendung zum Folk prägt er entscheidend mit, etwa mit dem Genre-Meilenstein "Thunder Perfect Mind".
Besonders seine Gitarre erweist sich dort als variabler Segen. Neben den oft auch Apocalyptic Folk genannten Strukturen verpasst er der Sparte auch einen extrovertiert krachenden Rock-Touch, der die vielschichtige Richtung gleich noch von den alten, rein atonalen Industrial-Wurzeln emanzipiert ("Aleph At Hallucinatory Mountain").
Er selbst hingegen weist jede bewusste Verbindung zu Folk weit von sich. "Um ehrlich zu sein, verabscheue ich Folkmusic. Nichts davon interessiert mich. Das Missverständnis rührt vom Sound und meiner Verwendung akustischer Instrumente her. Mein schlimmster Alptraum: Gefesselt an einen Stuhl einem dieser jungen Dinger auf der Akustikgitarre zuhören zu müssen, die wie die Mischung aus Noah und einer Walnuss klingt."
Daneben beschreitet er Solopfade, um als Nature And Organisation der dunklen Avantgarde-Szene seinen Stempel aufzudrücken. Dies gelingt ihm mit den beiden Kernwerken "Beauty Reaps The Blood Of Solitude" und "Death In A Snow Leopard Winter". Neben den erwähnten Stilen, tritt hier erstmals seine Liebe zur Klassik als wichtiger Baustein hinzu. Die wilde Stilmixtur auf hohem Niveau macht beide Platten im Verlauf der nächsten Jahre zu seinen Referenzalben.
Ein amüsantes Kuriosum der Arbeitsweise Cashmores ist der kaum vom Current 93 etc. trennbare Teamkosmos. Ebenso, wie er dort die Noten zu David Tibets Texten beisteuert, holt Cashmore den kryptischen Wörterschmied nur allzu gerne für die Zeilen seiner eigenen Veröffentlichungen hinzu. Auch die Promi-Gäste von Cave bis Hegarty findet man in beiden Varianten.
Sogar Nurse With Wound-Spezi Steven Stapleton taucht auf der Cashmore/Tibet-Seite ebenso auf, wie an der musikalischen Tibet/Cashmore-Front. Dieser Schmelztiegel macht es sogar erfahrenen Kennern nahezu unmöglich, musikhistorisch klar zu definieren, wo genau der reine Solo-Part Cashmores beginnt oder endet.
Doch derlei amüsantes Verwirrspiel tut der Qualität keinen Abbruch. Im Gegenteil: 2007 erscheint mit "The Snow Abides" ein weiteres Juwel, in dem Cashmore wiederholt das Schneemotiv künstlerisch aufgreift (Musik: Cashmore, Text: Tibet, Gesang: Hegarty). Doch leider sind seine wichtigen Nature And Organisation-Platten zu der Zeit schon vergriffen.
Letzteres ändert sich zum Glück im Herbst 2015. Beide Alben bringt Cashmore mit verbessertem Artwork und Sound zusammenhängend als "Snow Leopard Messiah" heraus.
