23. April 2010

"Faule Musiker möchte ich am liebsten ohrfeigen!"

Interview geführt von

Meat Loaf spricht über das Konzept seines neuen Albums, eine weitere Zusammenarbeit mit Jim Steinman und den Zustand der Branche. Nicht der Mangel an Käufern killt seiner Meinung nach das Musik-Business, sondern der Mangel an Qualität und Phantasie.Islands Eyjafjallajökull trägt Schuld daran, dass das eigentlich persönlich in Hamburg angesetzte Interview mit Meat Loaf leider nicht stattfinden kann - der Rock-Sänger sitzt in England fest. So findet das Gespräch übers Telefon statt.

Pünktlich klingelt es, und werde gebeten, noch einen Moment zu warten, bis die Weiterleitung geschaltet ist. Das dauert eine gewisse Zeit, und ich befürchte schon, dass irgendetwas schiefgelaufen ist - doch dann meldet sich eine männliche Stimme: "Hallo, ich habe den Artur am Apparat? Hier ist Meat Loaf!" Mr. Aday macht einen aufgekratzten und unkomplizierten Eindruck.

Hallo Meat, prima, dass das doch noch klappt. Dir geht es gut?

Und wie, ich fühle mich prima! Schade nur, dass ich nicht persönlich nach Hamburg kommen konnte - wir haben es bis zuletzt versucht, keine Chance. Der Hamburger Airport ist immer noch geschlossen.

Kann es sein, dass die Veröffentlichung deines neuen Albums eine Art geheime Kommandosache war? Bis vor kurzem hatte ich gar keine Ahnung, dass diesen Freitag "Hang Cool Teddy Bear" herauskommt.

Ja, in gewisser Weise schon! Wir haben uns mit der Bekanntgabe im Gegensatz zu früher sehr bedeckt gehalten, es sollte nicht unbedingt ein Top Secret-Geheimnis sein, sondern eigentlich mehr eine Überraschungs-Präsentation. Es läuft ja eigentlich so, wenn du eine Platte machst: da ist die ganze Vorlaufzeit, es wird eingespielt, die Masterbänder bearbeitet, die Plattenfirma drängelt dich, aber ich wollte die richtige Ruhe, die richtige Vorgehensweise, und nicht wieder unter Termindruck geraten. Dieses Album liegt mir ganz besonders am Herzen. Es ist für mich so persönlich wie noch keines davor, und ich bin da einfach nur hochemotional, was das Gesamtergebnis angeht. Für mich ist das irgendwie wie Weihnachten. Ich wollte nicht, dass schon lang vorher alles bekannt ist. Es ist doch am schönsten, wenn du ein unerwartetes Geschenk überreichst, und das ist mein Anliegen: die Fans mit einem unerwarteten Geschenk überraschen.

Was genau im Einzelnen macht gerade dieses Album so besonders für dich?

Jede Platte, die ich bisher gemacht habe, war eine Zusammenarbeit mit anderen, wobei ich mich nicht immer so umfassend einbringen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Gerade in jungen Jahren war ich sicher auch noch nicht reif genug dazu. Die Arbeit mit anderen war aber immer wunderbar, gerade auch mit Jim Steinman. Aber es ist doch so: Arbeitest du mit Steinman, klingt es natürlich auch wie Steinman. Ist es Frank Farian, klingt es auch nach Frank Farian. Da war noch nie eine Platte, bei der ich die totale Kontrolle hatte, was Songwriting, Produktion und all diese Dinge angeht. Dann habe ich den Produzenten Rob Cavallo getroffen, und wir hatten uns über eben dieses Problem unterhalten. Und er sagte: 'Dann machen wir doch einfach diesmal eine richtig echte, ganz eigene Meat Loaf-Platte! Du machst ganz einfach nur das, was du fühlst und für richtig hältst. Ich halte mich da in erster Linie nur kontrollierend im Hintergrund, und gebe dir ansonsten völlig freie Hand.' Irgendwie bin ich in meiner Karriere bisher nur getrabt, Cavallo hat es mir ermöglicht, mal so richtig den Galopp einzulegen.

"Hang Cool Teddy Bear" basiert ja auf einer ziemlich schrägen Story, bei der ein Soldat stirbt, vor dessen innerem Auge nicht das bisherige Leben abläuft, sondern all die Dinge auftauchen, die er noch hätte erleben können. Warum hat dich das inspiriert?

Das ging gleich los mit während der Entstehungsphase von "Peace On Earth". Ich arbeitete an dem Song - es war auch der erste neue - und mir ging diese Kurzgeschichte damals schon nicht mehr aus dem Kopf. Plötzlich machte es Klick, und ich spürte: dieser Song entspricht doch genau dem Thema der Story - warum nicht diesen Ansatz weiterverfolgen? Und dann ging es eben weiter. Es ergab sich automatisch, ein Konzept-Album zu gestalten. Und dann war es natürlich ein Glücksfall, auf Cavallo zu treffen - ich habe mir seine Green Day-Sachen angehört, oder die mit My Chemical Romance, und natürlich "American Idiot", und wusste: der ist es! Danach habe ich mich mit verschiedenen Song-Schreibern zusammgetan, mit ihnen meine Ideen ausgetauscht, aber nie gesagt, dass sie auf eben dieser Kurzgeschichte basieren. In gewisser Weise arbeiteten wir an einer Art Musical, und mir kam zeitweise auch die Rock-Oper "Tommy" in den Sinn. Das wirkte für die anderen gleichzeitig aber auch verwirrend, weil ich eben meine Hintergründe für mich behielt, und man fragte mich: 'Sag mal, was geht hier eigentlich ab? Was machen wir eigentlich? Was soll das für eine Scheibe werden?' Der Enstehungsprozess war schon ein sehr bunter und lebendiger, weil eigentlich niemand wusste - auch ich nicht - wohin genau die Reise ging.

"Bisher bin ich nur getrabt!"

Die Anzahl der Gaststars auf dem Album ist beeindruckend hoch ...

... ach, ich sehe das alles nicht als Gaststars, mit denen man womöglich angeben will. Ich schaue mich einfach um nach Leuten, die ich kenne und die ich mag, und frage sie einfach, ob sie Lust haben, mit mir etwas zu machen. Und ich mag Leute, die einen Track mit den dazu passenden Lyrics versehen können, davon gibt es nicht viele. Es geht mir um das Können, um das, was diese Leute einbringen, und das soll eben das Bestmögliche sein! Manches hat sich auch mehr zufällig ergeben, z. B. die Teilnahme von "Dr. House" Hugh Laurie. Ich hatte ja vorher keine Ahnung, was für ein begnadeter Piano-Spieler er ist - so musste ich ihn einfach haben! Und es hat ihm verdammt viel Spaß gemacht, das hört man auch. Ich liebe Teamarbeiten, und die richtigen Leute dazu zu finden. Man denke nur an früher, z. B. "Dead Ringer For Love", bei der Cher einfach die perfekte Wahl für den Song war. Es dreht sich bei der Auswahl von Gästen in erster Linie um die ganz einfache Sache: wer ist der oder die Beste für den jeweiligen Song? Und das hat absolut nichts mit dem Namen zu tun.

Im Vergleich zu früheren Alben ist mit "Did You Ever Love Somebody" nur ein Song dabei, den man als Ballade sehen kann. Ansonsten geht die Richtung mehr in Richtung Power und Volldampf.

Was, Ballade? Ich würde "Love Somebody" nicht unbedingt als reine Ballade ansehen. Der Song ist recht mittig im Album platziert, ich wollte da nach all dem Vorangegangenen ein wenig vom Gaspedal gehen, um wieder mehr Appetit auf den Rest zu machen. Das ist ja auch der Fluch mit der Erwartungshaltung: Viele erwarten von mir diese gefühlvollen, ruhigen und epischen Sachen, aber das ständig zu machen zu sollen, ist mir ein zu starres Korsett. Es wird sicher auch wieder die Zeit für richtige Balladen kommen - aber diesmal nicht! Nicht auf "Teddy Bear". Es sollte mehr Drive drin sein, und ich wollte nicht einfach wieder etwas reproduzieren. Im Gegenteil: wenn man genau hinhört, gibt es allerlei zu entdecken, was sich von früheren Produktions-Herngehensweisen unterscheidet. Z. B. die Backing Vocals, die ich - was ich vorher nie gemacht habe! - als Untermalung für viele meiner eigentlich eigenen Gesangsparts genommen habe. Das Ergebnis klingt höchst interessant, und freute mich über die Gelegenheit, das derart auszuprobieren. Es klingt einfach super! Sehr klar, sehr sauber, sehr organisch, aber ohne viel Wabern und Echohall.

Wie hältst du eigentlich deine Stimme in Form? Es ja nun so, dass du nicht mehr der Allerjüngste bist, aber was die Energie angeht, machst du du manch Jüngerem noch immer kräftig was vor.

Ich arbeite viel mit einem Vocal-Coach zusammen. Du musst dich immer wieder trainieren, egal in welchem Bereich. Nimm doch z. B. Schauspieler: eigentlich müsste jeder einen ganz eigenen, persönlichen Coach haben, um das Beste aus sich herauszuholen. Nur Talent reicht einfach nicht, wenn du etwas wirklich gut machen willst. Schau dir Fußball-Teams an, Tennisspieler, eine Eishockey-Mannschaft - sie alle haben Trainer. Warum soll ausgerechnet ein Künstler darauf verzichten wollen? Da bricht man sich doch nichts ab dabei. Ja, ich werde älter, und auch meine Stimme wird älter. Und sie verändert sich, klingt heute natürlich anders, als ich jung war, und damit muss man umgehen können. Mit dem Alter verändert sich auch die Gesangstechnik, und da ist professionelle Unterstützung nur hilfreich. Ich arbeite da wirklich hart an mir, viel mehr als früher. Und ich finde, es lohnt sich. Die gesamten Vocals habe ich innerhalb von zwei Wochen eingesungen - ich fühlte mich dabei wie 25, und das liegt besonders am Coach, der viel besser als ich heraushört, was ich nun gut oder falsch mache. Lob gab es auch: beim Einsingen sagte jemand zu mir: 'Meine Güte, du klingst für mich besser als damals bei "Bat Out Of Hell"'. Ob das nun zutrifft, will ich nicht beurteilen - aber klar, das schmeichelt einem!

"Träge Leute produzieren üble Alben"

Mit "Bat" gibst du mir das Stichwort. Nun ist die Trilogie bereits komplettiert, und "Teddy Bear" behandelt ein gänzlich anderes Konzept. Doch beim Blick auf die Rückseite des Booklets prangt da eine große "Vier" ... fliegt die Fledermaus doch immer noch?

(Lacht) Ach, das ist nur meine Art von Humor. Es ist doch so: jeder will "Bat". Dann kam die Plattenfirma zu mir und sagte: "Nennen wir das Ganze doch 'Bat Out Of Hell Four". Und ich sagte: "Nein, nennen wir das lieber "Hang Out Teddy Bear Four". Davon hielten sie natürlich nichts. Die "Vier" auf der Rückseite bedeutet so eigentlich nur einen Spaß, der schon mit der Trilogie spielt, aber nicht ernst gemeint ist.

Stimmt es eigentlich, dass du - im Gegensatz zu den meisten Fans - mit "Bat Out Of Hell III" am Ende gar nicht so zufrieden warst?

Als das Album damals draußen war, haben wir alle tief durchgeatmet, denn das war ein sehr hartes Stück Arbeit. Es war eine harte Platte, auch, die danach zu promoten. Es wirkte für mich alles etwas zu zusammengestückelt. So richtig glücklich bin ich persönlich damit nicht. Der ganze Entstehungsprozess war ungeheuer kompliziert, und auch negativ belastet. Da kam so viel zusammen in der Zeit: ich wechselte gerade die Plattenfirma, mein Management, meinen Agenten, ich änderte eigentlich alles um mich herum. Da ist zu viel falsch gelaufen. Sie haben mich dann zur Tour gepusht, ohne richtige Vorbereitung, so dass einige meiner Shows ziemlich lausig waren. Ich hatte nicht die rechte Kondition, meine Stimme war auch nicht richtig drauf. Da war zu viel Qualitäts-Gefälle in den Konzerten, z. B. in Deutschland: Hamburg und Köln waren nicht gut, auch weil ich gesundheitlich nicht fit war. München lief besser, Frankfurt richtig klasse, Stuttgart ganz o.k. Glaub mir: an so was erinnere ich mich immer, an jede einzelne Show. Ich vergesse nichts, ich leide unter solchen Sachen am meisten, wenn sie nicht funktionieren. Solche Erinnerungen sind wie Gespenster, die mir unheimlich sind und immer wieder erschrecken.

Wie beurteilst du überhaupt den heutigen Zustand der Musikszene?

Es sind auch heute eine ganze Menge talentierter Leute am Start. Aber da gibt es zu viele, die sind einfach nur faul und träge. Ich kenne Leute, die arbeiten an neuen Songs, und jammern ständig nur, wie hart es doch alles sei und wie schwer man es hat. Trifft man sie Monate später, jammern sie noch immer und sind mit ihren Tracks kein Stück weitergekommen. Denen möchte ich am liebsten eine Ohrfeige verpassen. Faule Leute produzieren einfach üble Alben. Da sind so viele Leute, die werden liebkost von Fans und bekuschelt von Kritikern, bringen aber eigentlich nichts Vernünftiges auf die Reihe. Dann kommen die Manager und erzählen, wie schrecklich es doch in Sachen Plattenverkäufen aussieht, dass man lieber keine macht und nur noch auf Tour geht, weil man wenigstens da noch was verdienen kann. Aber wie soll das auf Dauer gehen? Wenn du touren willst, brauchst du auch eine Platte! Und dazu gehören Fleiß und Einstellung. Wenn ich ins Studio gehe, habe ich an mich den Anspruch, meine bislang besten Sachen zu machen. Nicht einfach träge herumliegen. Es liegt nicht an den fehlenden Käufern - die Leute, die eben gar keine oder nur schlechte Alben machen, die killen in Wirklichkeit das Business. Da muss einfach richtiger Einsatz kommen, dann hören die Leute auch wieder hin. Draußen ist ein Publikum, das auch wirklich Platten kaufen WILL. Aber die kriegen heute eben oft nicht das, was sie eigentlich möchten. - Ach verflixt, ich sehe, wir müssen allmählich zum Ende kommen ...

... eine Frage liegt mir noch am Herzen ...

... ja klar, her damit!

Besteht die Chance, dass es irgendwann mal wieder eine komplett neue Platte mit Meat Loaf und Jim Steinman geben wird?

Aber sicher, die Möglichkeit besteht immer! Da ist auch viel Unsinn geschrieben worden, was das Thema angeht. Fakt ist: wir haben immer gut zusammengearbeitet, kommen gut miteinander aus, wir streiten uns nicht, wenn wir gemeinsam arbeiten. In Sachen künstlerischer Vision sind wir uns sehr ähnlich, auch wenn ich mehr der Rocker und er der Piano-Mann ist. Unterschiede liegen sicherlich in der Beurteilung dessen, was wir beide als tough empfinden. Aber im Moment ist Eines ganz klar: den richtigen Stoff, den ich im Augenblick haben will, den findest du auf "Hang Cool Teddy Bear!"

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