Details

Mit:
Datum: 29. November 2003
Location: Westfalenhalle
Rheinlanddamm 200
44139 Dortmund
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Der Michael Schanze des Schockrock live in Dortmund.

Review von Philipp Schiedel

Brian Warner hat inzwischen wohl so viele Spitznamen, dass er sie sich selbst nicht mehr merken kann. Auf einem pompösen Thron, der in etwa an die Wolken aus Michael Schanzes 90er Jahre-Hochzeitsshow "Flitterabend" erinnert, aus denen die Kandidaten in die Kissen stürzten, sitzt er nun in ein paar Metern Höhe und lässt sich feiern. Als der personifizierte Albtraum Amerikas, als Mr. Schockrock oder als der allseits beliebte "God of Fuck". Zu was auch immer er gemacht wird und was auch immer er sein will, it's finally him: Mr. Marilyn Manson.

Und nur darum strecken ihm tausende schwarzbekleidete Nieten- oder bevorzugt auch nahezu Gar-Nichts-TrägerInnen mit voller Kraft und auf beiden Händen die Ring- und kleinen Finger entgegen. Fanatisch huldigen sie dem Meister. Er ist heute Abend Gott bzw. Teufel. Ganz im Gegenteil zur Vorgruppe Peaches, die keine Chance hatte, in die Hölle namens Westfalenhalle aufgenommen zu werden. Die Berliner Electro-Punkerin wurde zwar von Manson persönlich als Support eingeladen, was sie den Schwarzkitteln auch stolz ins Gesicht schreit, geht aber als einzige Person auf der riesengroßen Bühne doch etwas verloren. Ihre old-schooligen, teilweise an hochgepitchte Beastie Boys erinnernde Beats, prallen gegen eine Wand aus Bierbechern und Beschimpfungen.

Gejubelt und geklatscht wird erst, als sie sich nach und nach ihrer Kleidung entledigt und lediglich mit BH und Höschen bewaffnet, ihre 35 Minuten runterzählt. Da hilft ihr selbst ein per Projektor herbeigeholter Iggy Pop nicht mehr viel. "Geil, die zieht sich aus, wir müssen nach vorne", ist der einzige Kommentar, der meinem Nebenmann zu ihrer Energy-Woman-Show einfällt. Daraufhin schmeißt er sein halbvolles Bier in die Menge und drängelt sich seinen Weg. Warum Peaches in einen kleinen Club gehört, und Manson eben dorthin, wo er eben noch gesessen hat und jetzt schon wieder in wahlweise Anzug oder Korsett über die Bühne stolziert, zeigt der dann eindrucksvoll in den folgenden 70 Minuten.

Manson ist eher Showmaster (vgl. Michael Schanze) als Musiker und zelebriert sich lieber selbst, anstatt musikalisch zu überzeugen. Außer "The Dope Show" und seinen leidigen Coverversionen ("Tainted Love" und natürlich "Sweet Dreams") prügelt er gleichmäßig im Takt. "mObscene" (mit riesigem flackernden Schriftzug über der ganzen Bühne), "The Beautiful People" oder "Disposable Teens" treten so auffällig in ein und dasselbe Schema, dass man nach einer Weile auf einmal jeden Song zu kennen scheint. Und das ohne Kajal auf den Augen zu haben. Bei Manson geht es mehr um die Show als um die guten Songs. Er lässt blutrotes Konfetti regnen, die Bühne konstant umbauen und zwei knapp angezogene Mädels in Nazi-Uniformen auf Blechtrommeln schlagen. Die Zwei entwickeln sich dann zu seinen immer wiederkehrenden Begleiterinnen auf der Bühne. Wenn sie nicht versuchen zu tanzen, tun sie so, als würden sie trommeln. Weil sie das rhythmisch aber auch nicht können, klopfen sie mit ihren Stöcken lieber pseudo-lasziv auf ihren Hintern oder lassen sich, wen wundert's, vom Meister himself auf den selbigen klopfen. Wow, was für ein Blödsinn.

Würden die zwei jungen Damen sich wenigstens gut bewegen, würde das zumindest etwas Sinn machen. Ihre fragwürdigen Animierversuche liegen aber leider fernab jeder Choreographie und enden deshalb meistens im bloßen Schütteln der Cheerleader-Oberweite. Die Menge hingegen stört das wenig und rastet lieber auf Abruf aus, wenn Manson "Doitschland" in die Menge brüllt. Das tut er ungefähr fünf Mal an diesem Abend und erntet damit jedes Mal mehr Jubel als für einzelne Songs. Als das Spektakel dem Ende entgegen geht, bläst sich hinter dem Mann mit dem weißen Gesicht eine übergroße Manson-feat. Mickey Maus-Büste auf, an der die Wagenbauer aus Mainz und Köln ihre wahre Freude gehabt hätten.

Damit kann er bei seinem Publikum gut punkten: immerhin ist dort der Karnevals-Brauch (von Kunstblut im Ausschnitt bis zu schwarzen Gesichtsmasken) ja auch weit verbreitet. Tradition hin oder her: Brian Warner hat ein unglaubliches Talent zur Inszenierung seines Alter-Egos, das ihn bis jetzt nie richtig langweilig werden ließ. Er kann einen Stil fahren, der allein wegen diesem schon offene Münder hinterlässt. Und das ganz ohne Blut. Was Manson eigentlich so interessant macht, blieb an diesem Abend leider etwas im Hintergrund. Es war eher Hollywood-Time angesagt. Wohlgemerkt mit zwei "L".

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Artistinfo

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