laut.de-Kritik

Neneh Cherrys Tochter fährt den Ego-Trip.

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Frei von hohen Erwartungen lebt es sich leichter. Mit 18 haben die meisten Menschen ganz viele davon. Dieses ausprobieren und jenes. Am besten spontan. Und fast immer folgt Ernüchterung. Mabel McVey weiß mit 23 Jahren davon ein Lied zu singen. Musikalisch knüpfen die meisten ihrer Nummern an einen Londoner Trend an: Afrobeats in Dance-Pop integrieren. Doch die Erwartungen an die junge Wahl-Londonerin sind nicht nur deshalb hoch.

Die gigantischen Streaming-Zahlen ihrer Videos verdankte sie stets auch ihren Gästen (Solohits wie "Don't Call Me Up" und "Bad Behaviour" stammen erst aus diesem Jahr). Zudem kreisen größere Namen aus der Verwandtschaft, von Neneh Cherry (Mama) bis Marlon Roudette (Halbbruder). "High Expectations" löst die Erwartungen aber nicht ganz ein.

Als ersten Song nach dem Atmointro platziert Mabel die Single "Bad Behaviour". Musikalisch tönt der Titel, denkt man an mieses Benehmen, erstaunlich smooth. Hieran hat auch Co-Producer Dre Skull seinen Anteil. "Bad Behaviour" reiht diverse Sinneswahrnehmungen und "Na Na Na"-Silbenketten aneinander, ein junger Mensch erklärt dem (potentiellen) Partner, dass er nur mit schlechten Manieren zu haben ist, sich nicht verbiegen oder anstrengen will. Eine Haltung, die fortan in jedem Song auftaucht.

Etwas daneben benimmt sich Mabel in "Don't Call Me Up" - sie jagt einen namenlosen Jungen davon. "When you're looking at my photos / Getting hot, losing control / You want me more / now I let go". Er hat sie belogen, und sie kommt prima ohne ihn klar: "A good time", "I'm over you", "leave it behind / One drink and you're outta my mind", "I'm on a high", "I'm here up in the club", "I'm looking fine", "everybody's on my vibe", "feeling good now". Die trotzige Silbenflut spült alle Zwischentöne mit sich. Kein Bedauern, keine Traurigkeit. Ja, etwas kaltherzig, merkt sie an, aber schuld trägt ausschließlich er.

Egoistische Liebe, verrückte Liebe, noch mehr Egozentrik ("I Belong To Me") und Ärger ("Trouble") werden in der Folge skizziert. Dafür, dass sich an jedem Song mindestens drei Autoren beteiligten, verblüfft der simple Rachefeldzug einer von der Liebe Enttäuschten.

Mabel wuchs von klein auf ins Showbiz hinein und bringt einen interessanten Lebenslauf mit. Hat sie da nicht mehr zu erzählen? Aber gut, es geht um eine Antiheldin: Auf dem Album hört man an keiner Stelle, dass mal irgendwas im Leben gelingen würde.

Musikalisch hingegen bereichert ihre Musik mit gut ausgegorenen Songs die Tanzfläche. "Mad Love" ist eine perfekte Single. "Selfish Love (featuring Kamille)" unterstreicht die stimmliche Ausdruckskraft der beiden lupenreinen Chanteusen. Die immer selben Bubble-Beats machen das Album auch zu einer runden Sache.

Manche guten Melodien bleiben haften, etwa "Don't Call Me Up", oder auch mal der Verzicht auf Melodie: "Put Your Name On It". Der Trick dort liegt in einem eng gesteckten Rahmen. Es gibt fast keine Melodie und gefühlt nur zwei Akkorde. Dazu rast der Beat klappernd unter den etwas angerauten Vocals hindurch.

Aufgrund Mabels Stimme lohnt es sich dranzubleiben. Sie hat die Lage gerade beim Neo-Soul im Griff. "Stckhlm Syndrome (Interlude)" sampelt zart süßen 70er-Soul. Die Sängerin klingt trotz der kaltschnäuzigen Texte warm und moduliert perfekt. Wenn der Text über die "big egos" nicht wäre, würde man sofort fragen, wer denn hier Jill Scott imitiert.

Mabel kann facettenreich singen, in unterschiedlichen Oktaven und mit enormem Charisma. Ob sie in "Finders Keepers (featuring Kojo Funds)" auf die dezent näselnde Stimme und abgeklärte Attitude setzt, mit Verfremdungseffekt tief sprechsingt oder etwas piepsig und krächzend in "Selfish Love (featuring Kamille)" auftritt: Es ist interessant, Mabel zuzuhören, trotz ihres mitunter zu glatten Mainstream-Sounds.

Manches klingt schon sehr nach Bubblegum, etwa "My Lover (With Not3s)" und springt auf den Dua Lipa-Zug auf. Andererseits belebt Mabel im Bonustrack "Not Sayin'" sogar den britischen Soul-Pop im Stile von Everything But The Girl hervorragend wieder.

Trackliste

  1. 1. High Expectations (Intro)
  2. 2. Bad Behaviour
  3. 3. Don't Call Me Up
  4. 4. FML
  5. 5. We Don't Say...
  6. 6. Selfish Love (featuring Kamille)
  7. 7. Lucky (Interlude)
  8. 8. Mad Love
  9. 9. Trouble
  10. 10. Put Your Name On It
  11. 11. Stckhlm Syndrome (Interlude)
  12. 12. OK (Anxiety Anthem)
  13. 13. I Belong To Me
  14. 14. High Expectations (Outro)

Bonus Tracks

  1. 1. Finders Keepers (featuring Kojo Funds)
  2. 2. Fine Line (with Not3s)
  3. 3. My Lover (with Not3s)
  4. 4. Ring Ring (with Jack Jones featuring The Rich Kid)
  5. 5. Cigarette (with Raye & Stefflon Don)
  6. 6. Not Sayin'

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