laut.de-Kritik

Drei beseelte Herumtreiber mischen Gypsy Folk, französische Chansons und Indie-Pop.

Review von

Drifter, Herumtreiber, das sind sie im wahrsten Sinne des Wortes, die drei Musiker von Lonely Drifter Karen. Und das nicht nur im geographischen Sinn, stammt das Trio doch aus Österreich, Italien und Spanien und ist auch sonst in Europa unterwegs, als hätte es ein Interrail-Ticket auf Lebenszeit. Der eigentliche Segen dieses Albums ist jedoch seine große Musikalität dank genreübergreifender Landstreicherei.

Denn wie leichtfüßig hier französische Chansons, Kabarett von Kurt Weill, Gypsy Folk, Jazz und Indie-Pop zusammen marschieren, sucht erst einmal seinesgleichen. Schon beim Opener "Dis-In-Motion" kann man sich Sängerin Tanja Frinta allzu gut in zunächst schwermütiger, dann quietschfideler Geste vor einem roten Musical-Vorhang vorstellen, während das Zwei-Mann-Orchester im Graben groß aufspielt.

Tatsächlich hat gerade der spanische Keyboarder Marc Melia Sobrevias auf "Fall Of Spring" einen guten Job gemacht. Seine schmucken Streicher- und Bläser-Arrangements sind zu keiner Zeit zu dick aufgetragen und sichern den Songs den intimen Rahmen zu, für den sie geschrieben wurden. Eine Unruhe, wie sie Amanda Palmer von den Dresden Dolls ausstrahlt, ist so gar nicht die Sache von Lonely Drifter Karen. In "Show Your Colours" wird sogar beseelt vor sich hin gepfiffen.

Statt in der Berliner Volksbühne, jenem Theater für ganz dick aufgetragene Exzentrik, würde man demnach wohl freiwillig lieber ein intimes Sitzkonzert in einem Straßencafé in Kreuzberg spielen, wo man auch eher die Alben von Beth Gibbons und Hanne Hukkelberg hört als jene von Peaches und Rufus Wainwright. Die pointierte Erhabenheit der beiden Erstgenannten findet man auch in den wunderbaren Songs "Railroads", "Wonderous Ways" und "Side By Side" wieder.

"Something Scorching" dagegen poltert los, als stünde bereits der kettenrauchende Tom Waits hinter der Bühne, um das Kommando zu übernehmen. Notfalls auch mit Gewalt. Die Wienerin Frinta ist zu diesem Zeitpunkt längst bei Frauenpower-Pop und Piano-Balladen angekommen, so dass Waits befremdet wieder von dannen zieht. Der Mephisto des schwarzen Kabaretts, in die Flucht geschlagen vom entwaffnenden Charme dreier europäischer Stadtmusikanten. Eine schöne Geschichte.

Trackliste

  1. 1. Dis-In-Motion
  2. 2. Show Your Colours
  3. 3. Russian Bells
  4. 4. Railroad
  5. 5. Ready To Fall
  6. 6. Something's Scorching
  7. 7. A Roof Somewhere
  8. 8. Julien
  9. 9. Eventually
  10. 10. Side By Side
  11. 11. Wonderous Ways
  12. 12. Seeds

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