laut.de-Kritik

Für diesen Songwriterpop braucht man gar keine Depression.

Review von

Lloyd Cole da war doch was? Die älteren Freunde der Popmusik werden sich an die englische Band Lloyd Cole & The Commotions erinnern, die 1984 mit ihrem Debüt "Rattlesnake" und der Single "Perfect Skin" für Furore sorgte. Anspruchsvoller 80er-Pop, der die Commotions einige Jahre und drei Alben auf der Erfolgswelle schwimmen ließ, ehe sich Lloyd Cole für eine Solokarriere entschied.

Und auf diesen Mann ist nach über 20 Jahren im Musikgeschäft noch immer Verlass. Auf seiner letzten, 2003 veröffentlichten Platte "Music In A Foreign Language" praktiziert er Minimalismus pur. Sie zeigte Cole als fantastischen Folkgitarristen und aufmerksamen Beobachter, der die Probleme und Erfahrungen besingt, die das Erreichen des mittleren Lebensabschnittes mit sich bringt.

Der mittlerweile 45-jährige Cole, der seit geraumer Zeit in New York beheimatet ist, hat nun mit "Antidepressant" ein Album eingespielt, das wieder die Nähe zum Pop sucht. Es klingt, als sei eine Band am Werk, aber der Songwriter hat alle Songs weitestgehend alleine aufgenommen. Entstanden sind elf beschwingte und manchmal nachdenkliche Lieder mit wie immer soliden und ironischen bis sarkastischen Texten, die er mit der glasklaren Stimme vorträgt.

Der Opener "The Young Idealists" offenbart die Qualitäten Coles. Ein unaufdringlicher Gitarrenlauf, in den sich eine locker aus dem Ärmel geschüttelte entspannte Melodie fügt, die in ihrer Unscheinbarkeit ganz groß ist. Und ein ebenso großer Text zur Desillusionierung von Idealisten, zu denen Cole sich selbst einst zählte.

Und da ist das wunderbare, von Streichern getragene "New York Sunshine", in dem Cole die Straßen voller Junkies und Millionäre besingt, die Mundharmonika im heiteren "Everysong", die sanften Klavierakkorde im sehr schönen und scharfsinnigen "Woman In A Bar", das mit der Textzeile " ... no longer driven by distraction, not even by Scarlet Johansson" glänzt. Schön, wenn dieses Alter eine solche Gelassenheit mit sich bringt. "With my medication I will be fine" tönt er fröhlich im originellen bluesrockigen Titelsong "Antidepressant". Seinen Humor hat er nicht verloren. "Travelling Light" trägt countryesque Züge, der Beginn ähnelt wohl nicht zufällig Johnny Cashs "I Walk The Line". Im leisen "I Didn't See It Coming" dominiert die gezupfte Gitarre, verhaltene Streicher und ein Glockenspiel.

"Antidepressant" ist das Album eines Mannes, der das Alter und die Reife erlangt hat, das Leben und dessen Entwicklungen mit einem unverstellteren Blick zu betrachten und mit unglaublicher Gelassenheit und gesunder Ironie tolles Songmaterial daraus zu destillieren.

Nichtsdestotrotz hätte ich mir eine weniger perfekte Produktion gewünscht. Die Arrangements der Songs sind sparsam und vorsichtig, was grundsätzlich erfreulich ist. Dennoch wirkt der Sound manchmal etwas artifiziell und glatt, Brüche oder Überraschungen sind nicht vorhanden, was daran liegen mag, dass Cole die Zuständigkeit für den Aufnahmeprozess alleine übernommen hat. Oder der Mann fühlt sich gerade so wohl in seiner Haut, dass die Platte zwangsläufig völlig unbeschwert und knitterfrei klingen musste.

Wie dem auch sei, der Konsum von "Antidepressant" führt zur spürbaren Besserung des Seelenzustandes und tut auch dann außerordentlich wohl, wenn man keiner Depression anheim gefallen ist.

Trackliste

  1. 1. The Young Idealists
  2. 2. Woman In A Bar
  3. 3. New York City Sunshine
  4. 4. Antidepressant
  5. 5. I Didn't See It Coming
  6. 6. How Wrong Can You Be?
  7. 7. Everysong
  8. 8. I Am Not Willing
  9. 9. Slip Away
  10. 10. Travelling Light
  11. 11. Rolodex Incident

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