laut.de-Kritik

Das Potential vor dem Halbzeitpfiff verschenkt.

Review von

"All Around The World", diese zeitlose, federleichte Soul-Nummer der Engländerin Lisa Stansfield, mutierte 1989 weltweit zum Chart- und Clubhit. Das dazugehörige Debüt "Affection" verkaufte sich über fünf Millionen Mal. Somit könnte man als Hörer vermuten, dass die Sängerin ihre besten Jahre schon längst hinter sich hat. Dennoch soll "Deeper" wieder mehr back to the roots gehen als ihre Vorgänger-Alben.

Der Opener "Everything" zielt zunächst auf die Tanzfläche. Die pumpenden Acidhouse-Beats und die melancholischen Klaviertöne hätte man genauso auf "Affection" finden können. Zusätzlich verfügt der Song über eine zwingende Hook, die man nur schwer aus dem Kopf bekommt.

Das folgende "Twisted" überzeugt ebenso. Dabei kann man sich diese Nummer mit ihrer ausgelassenen Bläsersektion und ihren opulenten Streicher-Klängen als ein gutes Kontrastprogramm zum trüben englischen Regenwetter vorstellen. Gesanglich zeigt sich Lisa Stansfield in prächtiger Verfassung. Die Balance zwischen der Wärme Neneh Cherrys und der Theatralik einer Shirley Bassey hält sie mühelos.

Demgegenüber geht ihr nach diesen beiden energiegeladenen Songs im weiteren Verlauf allmählich die Puste aus. "Billionaire" klingt mit seinem hymnenhaften Refrain zu sehr auf das Format-Radio zugeschnitten. Mit "Coming Up For Air" folgt eine ruhige und zurückgenommene Nummer, die zwar auf die klanglichen Versatzstücke von "All Around The World" zurückgreift, melodisch aber kaum einprägsame Momente bereithält.

Darüber hinaus arbeitete Lisa für diese Platte wieder einmal mit ihrem Ehe- und Songwriting-Partner Ian Devaney zusammen. Ihre Musik kann man daher als ein Familienunternehmen à la Kim Wilde betrachten. Leider wirkt sich diese Kooperation nicht immer positiv auf das Gesamtbild aus.

So sorgen Acidhouse-Versatzstücke ("Never Ever"), funkige Sounds ("Love Of My Life") und soulige Balladen ("Hole In My Heart") weiterhin für viel Abwechslung. Jedoch will sich aus dieser stilistischen Vielfalt nichts finden, das diese Scheibe zusammenhält. Man hangelt sich als Hörer in der Mitte des Albums letzten Endes durch eine dröge Endlosschleife an glanzlosen Songs, die teilweise nicht mal mehr B-Seiten-Niveau erreichen.

Erst gegen Ende nimmt die Platte wieder deutlich an Fahrt auf. Mit verspielten Trip Hop-Elementen und dramatischen Streichern gelingt Lisa Stansfield in "Just Can't Help Myself" doch noch der Sprung in die Neuzeit. Dagegen versprühen die deepen 80s-Soul-Grooves im anschließenden Titeltrack ein urbanes Flair. Obendrein erlebt das Schmalz-Saxofon in dieser Nummer sein längst überfälliges Comeback. Auch danach führt dieses Instrument in dem Funk-Stück "Butterflies" durch das nächtliche Großstadtleben. Dazu gibt sich Stansfield in diesem Song betont lässig und cool. Zumindest am Mikro braucht diese Frau niemandem mehr etwas zu beweisen.

Nichtsdestotrotz hätte man sich als Hörer auf "Deeper" ein ausgewogeneres Kräfteverhältnis zwischen oldschooligen Klängen und modernen Ansätzen erhofft. Die guten Tracks kann man schließlich an einer Hand abzählen.

Trackliste

  1. 1. Everything
  2. 2. Twisted
  3. 3. Desire
  4. 4. Billionaire
  5. 5. Coming Up For Air
  6. 6. Love Of My Life
  7. 7. Never Ever
  8. 8. Hercules
  9. 9. Hole In My Heart
  10. 10. Just Can't Help Myself
  11. 11. Deeper
  12. 12. Butterflies
  13. 13. Ghetto Heaven

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1 Kommentar

  • Vor 3 Jahren

    Höre gerade die "Seven". Da hat sie mal gezeigt, dass sie viel mehr kann als das klassische Erfolgsrezept abzuspulen, sondern auch Jazz, Blues, klassischen 60s-Soul oder einen Song zu einem James Bond-Streifen. Vielleicht sogar ihr bestes Album. Schade, dass sie dann doch dem alten Erfolgsrezept wieder verfallen ist- und das nicht in gut.