11. Februar 2014

"New York war eine Niederlage"

Interview geführt von

Als Zögling des Chansonniers und Aktionskünstlers André Heller öffnen sich Left Boy Tore, die anderen verschlossen bleiben. Zwei Jahre nach seinem explosionsartigen YouTube-Fame erscheint am 14. Februar sein Debütalbum "Permanent Midnight".

Wiens jüngster Rapdance-Export Left Boy alias Ferdinand Sarnitz ging nach dem Schulabschluss nach New York, um Gleichgesinnte für ein Musikprojekt zu finden. Und nebenbei Tontechnik zu studieren.

Der Plan New York zu erobern scheiterte, Sarnitz zog geschlagen zurück zur Familie. Eine schwere Zeit, die ihm allerdings ermöglichte, sich als Left Boy seit 2011 zum Hypethema auszubauen. Seither befeuert Sarnitz die sozialen Webkanäle. Millionen YouTube-Clicks später hat der singrappende 25-Jährige einen Plattenvertrag mit Major Warner in der Tasche und das kommerzielle Debütalbum "Permanent Midnight" in der Hinterhand.

Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich Left Boy im Pressebereich des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin. In lässigen Joggingpants und Sonnenbrille kaut er vor seinem Auftritt beim Berlin Festival noch an einer Banane, während geklärt wird, ob das Interview nun auf englisch oder deutsch geführt werden soll.

Hallo Ferdinand, wie geht's dir?

Ja, gut. Ich hab Hunger, aber sonst gut. Bin gerade aufgestanden und direkt hierher gekommen.

Mir ist beim Blick aufs Line Up beim Berlin Festival aufgefallen: Dieses Jahr sind sehr viele Acts mit "Boy" oder "Kid" im Namen dabei. OK Kid, Blitzkids, Kid Karate, Dumme Jungs, und wenn man so will, natürlich auch alteingesessene "Boys" wie die Pet Shop Boys.

Stimmt. Viele Kinder, viele Burschen – ist das ein Trend? (lacht) Nun, bei mir war es so, dass ich mit einem anderen Typen in einer Gruppe war. Das ist auseinandergefallen, ich bin übriggeblieben. So hat sich Left Boy ergeben.

Wie hieß die Gruppe?

Wenn ich das sage, finden das vielleicht die Leute. Es ist mir noch nicht gelungen, da alles auszuradieren. Die MySpace-Pages von dem Projekt kriege ich zum Beispiel einfach nicht weg. Früher gab es aber sicher auch schon genügend Boys. Es gibt immer Boys.

Du hast auf dem elektronischen Juicy Beats-Festival gespielt, dem Hip Hop Open und dem rockigen Southside. Auf welchen Festivals fühlst du dich am ehesten zuhause? Passt du dein Set an die verschiedenen Festivals an?

Einfach wo die lustigste Crowd ist. Juicy Beats war mega, Reading in Leeds war auch extrem fett. Es ist immer wieder aufs Neue interessant. Ich mache einfach die Sachen, die mir Spaß machen. Aber klar, beim Hip Hop Open achte ich natürlich schon darauf, dass ich mehr Hip Hop-orientierte Sachen spiele. Die Setlist hat sich über den Sommer wöchentlich verändert.

Und wo ist dein physisches Zuhause? Du lebst hauptsächlich in Brooklyn, New York?

Ich lebe mittlerweile hauptsächlich dort, wo ich gerade arbeiten will. Ich bin in New York, ich bin in Wien, ich bin hier in Berlin, ich bin in Italien, ich bin in Marokko.

Besitzt du auch jeweils Wohnungen oder Häuser vor Ort?

In Marokko baut mein Vater gerade ein Haus. In Italien besitzen wir auch eines, dort werde ich in Zukunft wahrscheinlich mehr Zeit verbringen.

Wie bewertest du selbst die Privilegien?

Ich bin da auf jeden Fall selig. Mir ist auch bewusst, dass die meisten nicht den Luxus haben, sich so auszuprobieren, wie ich es konnte. Meine Eltern haben mich da immer von Anfang an unterstützt. Mein Vater hat mir erlaubt, nicht arbeiten zu müssen und mich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Da bin ich meiner Familie sehr dankbar.

Du bist für deine Tontechniker-Ausbildung nach New York gegangen und hast gleich im Anschluss angefangen, die Musikkarriere in Angriff zu nehmen?

Es war für mich immer klar, dass das der Weg sein wird. Ich bin eigentlich nach New York gegangen, um dort Leute, Verbündete kennenzulernen, mit denen ich arbeiten kann. Nicht wirklich für eine Zukunft als Tontechniker.

Ein kleiner Kulturschock für dich?

Das war ein Schock für mich, weil ich dachte, es wäre viel leichter für mich, Freunde kennenzulernen und mich dort zu etablieren. Es hat sich als die einsamste Zeit meines Lebens herausgestellt.

War das auch der Grund, dass du erst mal wieder nach Wien zurückgegangen bist?

Ich bin zurück, weil New York für mich damals keinen Sinn mehr ergeben hat. Das Studium war vorbei, ich hatte dort nichts zu tun und ich hab mich nicht angemeldet für einen Job bzw. für eine Verlängerung meines Visums.

Es hatte also auch ganz pragmatische Gründe.

Ja, obwohl ich es auch als Niederlage empfunden habe. Ich habe gedacht ich erobere New York. Das war leider nicht so. Es war hart, zurück nach Wien zu kommen, weil ich nicht erreicht hatte, was ich wollte. Aber diese Enttäuschung hat mich motiviert, noch intensiver an meinem Sound zu arbeiten ...

Wird man auf deinem Album akustische Liebeslieder oder klassische Streicherparts hören?

Auf dem Album ist vieles durchgemischt. Viele selbstkomponierte Songs ohne Samples, aber auch verschiedene Samples, die ich noch nicht nennen kann, weil wir leider noch nicht alle Clearances haben.

Du hast in der Vergangenheit Elemente aus Songs von Eurythmics, Lana Del Rey, Cher, Radiohead, Daft Punk oder Cassius verwendet. Es werden also weiterhin viele Samples in deiner Musik zu hören sein?

Samplen war immer mein Instrument. Ich habe nie ein klassisches Instrument gelernt. Durch Samplen habe ich Töne genommen, die mir gefallen, neu arrangiert und neue Melodien geschaffen.

"Es regt die Leute sehr auf, das ich nicht öfter deutsch rede"

Ist es denn durch dein Majorlabel im Rücken leichter, die Samples zu klären?

Denkt man, aber ist leider nicht so. Samplen ist teilweise eine Geldsache aber hauptsächlich braucht man das OK vom gesampelten Künstler. Da wird es dann schwierig. Manche Künstler schreiben monatelang nicht zurück, dann melden sie sich erst drei Minuten vor der Deadline. Das ist nervenzerreißend. Eine Lösung wäre, die Samples selbst nachzuspielen.

Aber ich bin streng dagegen, weil die Samples nun mal das sind, was mich inspiriert. Ich schäme mich auch nicht, das zu verwenden. Ich möchte zeigen, wie ich zu einem Song gekommen bin und lasse deshalb das Originalsample in vielen Songs länger laufen, um zu demonstrieren, wie es sich verwandelt. Es ist natürlich auch cool, wenn etwas sofort einen Wiedererkennungswert hat und dabei trotzdem neu klingt.

Manche Fans kritisieren dich in YouTube-Kommentaren, weil du Interviews meistens auf englisch führst oder bei Konzerten in Wien das Publikum auf englisch begrüßt.

(lacht) Ja ja.

Ist es dir sehr wichtig, dich als englischsprachiger Künstler zu vermarkten?

Ich denke und träume auf englisch. Englisch ist meine erste Sprache. Selbst jetzt in diesem Interview übersetze ich alles, was ich denke, aus dem Englischen ins Deutsche. Deswegen bleibe ich auch öfter hängen. Ich nehme mir immer wieder vor, bei bestimmten Konzerten etwas auf deutsch zu sagen. Dann vergesse ich es aber während des Konzerts. Es ist mir eigentlich nicht so wichtig. Aber ich werde in Zukunft sicher öfter mal was auf deutsch sagen, weil das die Leute freut. (lacht) Ja, es regt die Leute sehr auf, das ich nicht öfter deutsch rede ...

Eine Frage zu deiner Familie, und zwar zu deiner Oma Elisabeth Heller. Sie tritt auch in deinem "Healthy Ego"-Video auf.

Sie ist 99 geworden!

Was sagt deine Oma eigentlich zum Cover-Artwork zur Single "Get It Right"?

Puh, ich glaub, das hat sie nicht gesehen. Die ist von meinem Vater schon krassere Sachen gewohnt. Da ist bei mir nichts mehr ein Schocker für sie.

Du hast mit 25 Jahren eine eigene Familie, einen kleinen Sohn. Wie managest du zeitlich Familie und Popkarriere?

Es ist schwierig. I take it as it comes. Ich denke nicht wirklich weiter voraus als bis zum nächsten Tag weil mit dem Album momentan alles ziemlich stressig ist. Es laufen 100 Sachen gleichzeitig und ich schau halt, dass ich irgendwie mit dem Kopf über Wasser bleibe. Auf jeden Fall liebe ich meinen Sohn über alles und jede Sekunde, die ich bei ihm bin, gibt mir Kraft.

Wie hältst du Kontakt?

Täglich per Telefon und Skype. Ich schau dass ich so oft wie möglich bei meiner Familie bin. Es ist gerade schwierig mit der Arbeit. Aber dieser Knoten wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen lösen.

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