laut.de-Kritik

Sie ist und bleibt die härteste Dame im Dancehall-Geschäft.

Review von

Die Taschen sind gepackt. Mit "Walk Out" gibt die große Lady des jamaikanischen Dancehalls ihre Abschiedsvorstellung bei VP Records. "But you won't see the last of me", so lautet ihr Versprechen in den Danksagungen. Recht so, denn: Zum Aufhören besteht gar kein Grund. Jedenfalls keiner, den dieses Album erkennen ließe.

Lady Saw präsentiert sich einmal mehr als die härteste Dame im Geschäft. Was Kerle können, kann sie schon lange. Männer haben keineswegs die Slackness für sich gepachtet. Schamlos, explizit und aggressiv zu sein: Die genetische Grundlage für diese Fähigkeiten sitzt unter Garantie nicht auf dem Y-Chromosom, das demonstriert Marion Hall seit Jahren.

Entsprechend harte Bretter fährt "Walk Out" auf. In bester Rude Gyal-Manier lacht Lady Saw ihrer unterlegenen Nebenbuhlerin ins Gesicht, vor der sie in "Like It" genüsslich die Schweinereien ihres untreuen Liebsten ausbreitet. Ihre basslastige Eigenproduktion, die der "Power Of The Pum" huldigt, drischt sinnigerweise ebenfalls voll in den Unterleib, und wäre ich die Rivalin, die im Titeltrack ihr Fett wegbekommt, ich würde tunlichst sehen, dass ich Land gewinne. Um sich mit Lady Saw in die Haare bekommen zu wollen, bedarf es einer größeren Portion Lebensmüdigkeit, als ich sie derzeit aufbringe.

"Chat To Mi Back", mit aller Gewalt auf die Zwölf, so kennt man sie - und doch gestattet Lady Saw diesmal ungewohnt tiefe Einblicke. In "Not The World's Prettiest" prangert sie herrschende Schönheitsideale an und bricht eine Lanze für das Strahlen, das von innen kommt. Dann nämlich, wenn man mit sich im Reinen ist. "Love yourself!" Dann klappt's auch dann mit dem Nachbarn, wenn man wohl eher nicht die nächste Beauty-Queen stellen wird.

Im zuckersüßen Love-Tune "Silly Dreams" schlägt Lady Saw ähnlich zarte Töne an wie in "You Need Me". Am berührendsten, weil persönlichsten, gerät allerdings "No Less Than A Woman", in dem sie sich von ihrer verletzlichsten Seite zeigt, indem sie ihre eigene Unfruchtbarkeit thematisiert. "Not having a child don't make me any less than a woman", verkündet die dreifache Adoptivmutter in der Hoffnung, anderen Frauen, die ihr Schicksal ungewollter Kinderlosigkeit teilen, damit Trost zu spenden.

Ebenfalls ein Mutmacher verbirgt sich hinter "Baby Dry Your Eyes". Schade nur, dass hier der getragen gesungene Chorus immer wieder das Tempo herausnimmt, das die fast in eine Rock'n'Roll-Nummer abgleitenden Verse auffahren - die um Längen mehr Spaß machen.

Der Vielfalt der Themen entsprechend zeigt sich Lady Saw von einer stimmlichen Wandlungsfähigkeit, der man nicht allzu oft begegnet. Von bitterbösen, knallharten Vocals im Eröffnungstrack "Hello Lady Saw" über energisches Toasting bis hin zu Gesang in verscheidenen Tonlagen ist alles drin. Lady Saw reitet Riddims von Ward 21 ("Me And My Crew") genauso wie die blubbernden Bässe aus "It's Like That". Country-lastige Songs ("You Need Me"), klassische Reggae-Tunes (bei "Not The World's Prettiest" haben die Veteranen Sly & Robbie ihre Finger im Spiel), Lloyd "John John" James bombastisches Battlefield aus "Stray Dog" ... Alles kein Problem.

"Walk Out" krankt allerdings an zwei Dingen: Lady Saws Vocals wirken zuweilen (wie in "Me And My Crew") ein wenig zu leise und dadurch wenig ins musikalische Geschehen eingebunden. Außerdem: Die einzelnen Tracks kommen mir manchmal schlicht zu lang vor. Ein Problem, das lediglich beim Genuss des Albums auftreten dürfte. In Aktion bekommt man die Tunes schließlich in den seltensten Fällen von Anfang bis Ende zu hören.

Trackliste

  1. 1. Hello Lady Saw
  2. 2. Big Up
  3. 3. Me And My Crew (The Rae)
  4. 4. Silly Dreams
  5. 5. No Less Than A Woman (Infertility)
  6. 6. Not The World's Prettiest
  7. 7. You Need Me
  8. 8. Baby Dry Your Eyes
  9. 9. Walk Out
  10. 10. Chat To Mi Back
  11. 11. It's Like That
  12. 12. Power Of The Pum
  13. 13. Like It
  14. 14. Stray Dog

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