1. Juli 2005

"Saudi Arabien wird Weltmeister!"

Interview geführt von

Nach eigenem Gig, Abendessen, TV-Termin und Tocotronic-Anschauen nimmt sich die süße Suzie dann viel Zeit für unsere Fragen über Jugendliche und Politik, ihre Schulzeit, vereinende Musikgeschmäcker, Naturmusik, das Fotokopieren von mutiertem Klee und, olé olé, Saudi Arabiens Chancen auf den Fußballweltmeistertitel.

Ihr spielt hier auf einem Festival, das Jugendliche zu mehr Engagement für Politik motivieren soll. Würdest du sagen, ihr habt eine gewisse Botschaft für die jungen Leute, die euch zuhören?

Ja, und dabei geht es weniger um das Parolenschwingen, sondern eher, dass man in sich hineinhört, und merkt, dass vieles von innen ausgeht, von einem selbst aus, und wenn du die Ruhe und die Kraft hast, dir deiner Empfindsamkeit und auch Verletzlichkeit bewusst bist, dann ist es das, was wir als Band unterstreichen wollen.

Das habt ihr sicher schon oft gehört, aber ich möchte wissen, ob ihr auf das Kleeblatt anspielt, und wenn ja auf ein drei- oder vierblättriges Kleeblatt?

Wir sind ja fünf auf der Bühne, also ein mutiertes Kleeblatt ... Wir machen ja schon ziemlich lange Musik. Ich muss jetzt mal ein bisschen ausholen. Damals hieß unsere Gruppe Rallye. Wir haben damals schon deutschsprachige Musik gemacht, eher Gitarrenpop. Wir hatten aber auch Lust darauf, mit Computersounds zu arbeiten, und das klang eben anders. Deshalb sollte die Band dann auch einen anderen Namen haben, weil Charlie, unser Bassist auch nicht mehr dabei war. Dann haben wir nachgedacht: Wie klingt das denn? Wie hört sich das denn an, was wir jetzt als Demos gemacht haben? Und dann gibt es diese Vergleiche, die man zieht und dann haben wir gedacht: Das ist so wie ein Bild von dem Maler Paul Klee. Wir beziehen uns also eigentlich auf den Maler Paul Klee. Was dann eigentlich nachher noch dazu kam war das Kleeblatt. Es ist Natur, es ist so eine Art Glückssymbol. Es hat mir gefallen, dass da noch eine andere Bedeutung dazukommt, mit der wir alle gut leben können: [deutet auf den Zeltrand vom Pressezelt, an dem grünes Unkraut hervorlugt] da sehe ich auch schon, dass da eine Kleepflanze herausgewachsen oder besser hereingewachsen kommt ...

Ist das Klee?

Nee, eher Gras, könnte doch aber auch Klee sein grinst
.
Würdet ihr sagen, dass ihr mit der Natur verbunden seid oder habt ihr nicht so mit oder in der Natur zu tun?

Ja, Naturbilder und Vergleiche kommen oft in unseren Liedern vor und ich glaube, wir sind mehr Naturmenschen als Stadtmenschen und unsere Musik ist auch eher ... Naturmusik ... das ist ja Quatsch, hört sich doof an ... lacht über sich selbst.

Das Gespräch verwickelt sich thematisch in Köln versus Natur versus Berlin, und Suzie verteidigt den Naturschutzpark Köln wie eine Löwin. Denn am Barbarossaplatz (auch die grüne Lunge Kölns genannt) wächst Klee. So viel, dass Suzie auch schon ab und an welchen pflückt, um ihn dann zu fotokopieren.

Es ist soo geil, dass ich den Klee jetzt hier im Beton finde, und ich hab ihn ... ähm ... abgepflückt und kopiert, und jetzt lebt er ewig als Bild, als Kopie.

Und es wird klar, dass wir Suzie eindeutig zu den politisch engagierten Greenpeace-Aktivistinnen zählen dürfen, und lenken unser Gespräch auf die Musik.

Ich habe von euren zwei Klee-Jungs gehört, dass sie früher zusammen Fußball gespielt und alles mögliche zusammen gemacht haben und dass sie auf The Who, The Smiths und The Jam standen ... wie war das bei dir früher und wie ist es heute?

The Smiths mochte ich früher auch, nach wie vor höre ich mir die Platten immer noch an und bin ein echter Fan. Deshalb haben wir uns ja auch kennen und lieben gelernt, durch die gleiche Art Musik zu hören, oder Vorliebe für gleiche Musik. Natürlich höre ich jetzt heute auch vieles Verschiedenes, viele verschiedene Richtungen, man ist da nicht so nörglich und festgelegt auf eine Sache, es gibt schon so einen Punkt für den du dich entscheidest. Du kannst nicht zwischen Extrem-Klassic und Deathmetall hin und her schwanken!

Kannst du nicht?

Ok, ich kann das nicht.

Eurer Song "Erinner dich" war Kölner Popkomm-Song 2002. Die Kölner Popkomm ist nach Berlin gezogen und wir sind gerade in Berlin. Könnt ihr euch als Kölner, als Wahlkölner, vorstellen nach Berlin zu ziehen?

Vor Jahren habe ich das mal gedacht, ja, irgendwie, ne "Ach Berlin, schick! Schicked Audo, dufde Wolge und so". Da musst du hin, um was zu erleben, aber ist quatsch, ich mag Köln so gerne, die Offenheit, den Humor, irgendwie, dass ist so eine arschcoole Stadt...

Und wieder gibt Suzie ein Liebeslied auf die Domstadt zum Besten, auf das einzigartige Kölsch und dessen grandiose Wirkung, und der Glanz in ihren Augen verrät, dass sie es ernst meint mit ihrer Liebe. MirlossetdeDominKölle.

Wir hatten vorher schon über die politische Message an die Jugendlichen gesprochen. Eurer Lied "2Fragen" stellt sinnigerweise genau zwei Fragen: "Woran glaubst du?" und "Wofür lebst du?". Wie beantwortet ihr die Fragen?

Natürlich ist es so, dass man eine Antwort für sich erlebt hat, aber es ist manchmal gar nicht so wichtig, auf jede Frage eine Antwort zu haben. Um es mit den Worten von Tommy Lee zu sagen, "stolz sein auf die offenen Fragen", und das finde ich bei dem Song eigentlich auch ganz wichtig: Die Antworten stehen nicht im Vordergrund, sondern die Fragen an sich.

Haben sich diese zwei Fragen zufällig ergeben oder waren das die Fragen, die du immer wieder im Kopf hast, um zu reflektieren?

Es gibt Momente, in denen man mutlos oder kraftlos ist und einen Sinn sucht oder sich fragt, wie es weitergehen soll und sich verliert. Da ist natürlich dann primär die Frage "warum macht man das eigentlich, wofür lebt man eigentlich", und man wird sich dessen bewusst, dass man halt hier ist, dieses eine Leben irgendwie hat und das etwas ganz Wertvolles und Kostbares ist, mit dem man ganz vorsichtig umgehen sollte.

Ihr habt auf Lehramt studiert, Stan auch. Zumindest angefangen.

Ja. Aber so "Ich bin jetzt Lehrerin und Autoritätsperson" und das möchte ich nicht sein. Das war für mich das, was es gebrochen hat, diesen Anspruch zu haben, Lehrerin oder Lehrer zu sein. Das habe ich ausprobiert und habe gemerkt: Nee, das bin ich nicht, das kann ich nicht. Trotzdem hat es mir natürlich nicht an den Fächern Germanistik und Philosophie die Laune verdorben.

Ich bin ja Schüler, immer noch, leider.

Sei froh! Da hast du wenigstens Ferien.

Was hast du für Erinnerungen an die Schule? Schöne oder eher nicht so tolle?

Ich habe die Schule gehasst! Ich habe sie echt gehasst. Ich war auf einer katholischen Mädchenschule mit Nonnen und nur Mädchen und jeder Lehrer, auch wenn ich die nicht hatte, die kannten jede Schülerin und mich. Ich habe mich da nicht wohl gefühlt, ganz ganz schlimm. Ich musste immer rebellieren, ich fühlte mich da eingeschränkt und habe im Schatten des Doms auch immer meine Klasse gesehen. Nichts desto Trotz ist aus mir das geworden, was ich jetzt bin, und das ist auch ganz gut, dass ich damals gelernt habe, den Mund aufzumachen. Es gab die eine Möglichkeit, niemals mehr den Mund aufzumachen und alles katholisch und mädchenmäßig zu ertragen, so wie sie es gerne gesehen hätten, oder eben die andere Variation. Ich bin ganz froh darum, die andere Variante gewählt zu haben, obwohl das manchmal nicht so einfach war lacht.

Ihr wurdet ja auch interviewt für das Buch von Astrid Vits "Du und viele von deinen Freunden". Tocotronic, [die gerade im Hintergrund spielen] wollten nicht im Buch aufgenommen werden. Sie hatten Bedenken wegen "Deutschtümelei".

Das ist keine Deutschtümelei. Das Buch hält einfach deutsche Bands ohne großen Medienrummel fest, um von anderen Leuten auch einmal wahrgenommen zu werden. Und da finde ich diesen so gerne hergenommenen Vorwurf der Deutschtümelei fehl am Platz. Ich fand das Buch sehr interessant. War wirklich so wie Gala lesen, was die anderen so gesagt haben.

Du liest "Gala" und gibst das hiermit öffentlich zu?

Na, während der Tour natürlich, und die Jungs lesen das auch. Ist doch super, die Horoskope sind toll. So kurzweiliger Kram während man im Bus sitzt - das ist wie Fernsehen gucken, man zappt ja auch zu Hause mal durch die Gegend und bleibt dann irgendwo hängen. Und man guckt ja nicht immer nur 3Sat, Arte und Phönix. Oder schaltet den Fernseher dann nur zur Tagesschau an, um neutral informiert zu werden. Wer das sagt, der lügt!

Kurze Frage zum Schluss: Wer wird Fußballweltmeister?

Da fragst du die Richtige ... lacht Wer spielt überhaupt mit? Das muss doch alles noch ausgelost werden ...

Zwei Jungs von laut.de haben Teamkarten für Saudi Arabien errungen. Nachdem Saudi Arabien sich nun qualifiziert hat, können die beiden sämtliche Spiele anschauen, bei denen das Land theoretisch dabei sein könnte. Als Saudi Arabien-Fans. Bis zum Finale.

Dann bin ich für Saudiarabien!

Das ist cool!

Dann sage ich, die gewinnen mit Sicherheit!

Wir danken dir herzlich für das Interview!

Das Interview führten Dominik Gerspacher und Gurly Schmidt

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