laut.de-Kritik

Guter Sex, wahre Liebe und Hoffnung auf eine neue Blüte.

Review von

"Meine Karriere ist an dem Punkt angekommen, an dem ihr Zenit im Jahr 2003 erreicht war und ich jetzt versuche, herauszufinden, wo ich in dieser 8000-Bands-pro-Minute-Welt hinpasse", erzählte Kevin Drew letztes Jahr in einem Interview mit Pitchfork.

Komplett unterschreiben möchte man das nicht. Fakt ist aber, dass sein kanadisches Indie-Vorzeige-Kollektiv Broken Social Scene seit 2011 für unbestimmte Zeit pausiert und sein Solo-Debüt "Spirit If…" fast sieben Jahre auf dem Buckel hat.

Auf Platzsuche verlässt der Kanadier mit "Darlings" nun frühere Pfade und liefert einen vergleichsweise reduzierten, Piano- und Synthie-lastigen Zweitling ab. Seine altbekannten Lieblingsthemen führt die Single-Auskopplung "Good Sex" mustergültig vor: "Good sex it never makes you feel hollow." Es geht um Sex, jedoch weniger um den physischen Akt, sondern um einen Appell für weniger Oberflächlichkeit und mehr emotionale Tiefe. Schlussendlich geht es natürlich um die Liebe.

Gewohnheitstier bleibt Drew in Sachen Kollaborateure: Charles Spearin und Ohad Benchetrit von der Broken Social Scene gehen an den Start, genauso wie Dean Stone (Apostle Of Hustle) und The Stills-Mitglied Dave Hamelin. Für "You In Your Were" schaut gar Feist vorbei, die in der Vergangenheit ebenfalls bei Broken Social Scene mitmischte.

Zusammen ergibt das ein folkiges Singer/Songwriter-Album mit sanfter Elektronik und einlullendem Gesang, das gelegentlich zu einem lauwarmen, etwas unspannenden Aufguss von The National verkommt. Vor allem die erste Hälfte schafft eine homogene Klangblase von "Body Butter" über "Good Sex" bis "You Gotta Feel It". Feine Unterschiede, hier ein repetitives E-Gitarren-Motiv, da der Fokus auf einer hallenden Piano-Synthie-Mischung, existieren, und die süße, melancholische Stimmung vereinnahmt eine gewisse Zeit.

Der recht ähnliche Aufbau lässt die Songs irgendwann aber nur noch wie ein Hintergrundgeräusch vorbeiziehen: Viele Tracks beginnen mit ein paar elektronischen Intro-Takten, die dann Gitarre oder Piano unterbrechen, bevor sich die Instrumentierung zum Refrain, dem Höhepunkt steigert.

Die harten Drums, wirres Elektro-Flirren und der distanziert wirkende (Sprech-)Gesang von "Mexican Aftershow Party" brechen aus dem Schema aus. Besonders gut ist der Song zar nicht, willkommene Abwechslung bietet er dennoch allemal.

Die zweite Hälfte hat neben der Feist-Nummer zumindest noch das eine oder andere Highlight parat: "My God" packt die Aufmerksamkeit schon mit der ersten Zeile: "My God, I think I threw up." Statt religiöse Bekenntnisse abzugeben, reflektiert Drew über Sinn von Leben und Liebe, begleitet von hypnotischem Ticken. "Bullshit Ballad" greift mit rockiger Gitarren-Synthie-Piano-Kombo auf Broken Social Scene-Zeiten zurück.

Am Ende verabschiedet sich der Kanadier im piano-geprägten "And That's All I Know" mit den markantesten, weil leicht aufgebrachten Vocals der Platte, die sich deutlich vom ansonsten besänftigenden, grübelnden Tonfall abheben.

"Darlings" belegt Kevin Drews Aussage: Auf seinem kreativen Gipfel ist er momentan nicht unterwegs. Die Chance, einen neuen Platz zu finden, ergreift er auf dem Album nicht unbedingt. Hoffnung, dass eine zweite Blütezeit bevorsteht, lässt er trotzdem.

Trackliste

  1. 1. Body Butter
  2. 2. Good Sex
  3. 3. It's Cool
  4. 4. Mexican Aftershow Party
  5. 5. You Gotta Feel It
  6. 6. First In Line
  7. 7. Bullshit Ballad
  8. 8. My God
  9. 9. You In Your Were
  10. 10. You Got Caught
  11. 11. And That's All I Know

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